Nicht zurück in alte digitale Abhängigkeiten

22. September 2022


Die Verunsicherung am Markt vermindert derzeit Anfragen von Nachfragern, obwohl das Interesse weiterhin messbar hoch ist. Wie umgehen mit der neuen Situation? Ist das die Wiederauferstehung der Portale? So behalten Sie Ihre Unabhängigkeit.

Von Jan Kricheldorf

Marktplätze wie Immobilienscout & Co leben von ihrer Bekanntheit und profitieren davon, wenn Immobilien eingestellt werden. Findet der Nachfrager dort nicht, wonach er sucht, weil zu wenige Angebote eingestellt sind oder die Angebote nur noch Ladenhüter sind, dann geht er andere Wege.

Von den Portalen zum lokalen Makler

So war es oft in den letzten Jahren. Hohe Nachfrage traf auf geringes Angebot. Das wurde in den Suchvolumina sichtbar, wo mit Keywords wie „Immobilie + Ort“ auf lokaler Ebene viele Google-Suchen durchgeführt wurden. Auch „Immobilienmakler + Ort“ war regelmäßig gut frequentiert. Menschen suchten bewusst nach regionalen Immobilienmaklern um Angebote zu finden, die nicht in den Portalen waren. Dadurch sank die Bedeutung von Portalen ein wenig. Viele Immobilienmakler konnten ihre Immobilienangebote auch gut diskret offline vermarkten. Im eigenen Netzwerk. Jetzt lassen Anfragen von Nachfragern nach. Aber auch das Interesse?

Zurück zu alten Tugenden

Messbar ist das im Moment kaum. Die Suchvolumina auf typische Keywords haben sich kaum verändert. Das würde passen zur derzeitigen Verunsicherung an den Märkten. Der Immobilienkauf ist weiterhin interessant, es sind andere Gründe, die zu einem Rückgang der Anfragen führen. Jeder weiß, dass die meisten Märkte überteuert sind. Die Banken fordern mehr Eigenkapital und viele Nachfrager wollen erst einmal ihr Geld zusammenhalten und abwarten, bis sich klarer abzeichnet, wie sich der erste Winter mit Gaskrise entwickeln wird. Die Angebotszahl in den Portalen steigt derweil etwas an. Eigentlich eine komfortable Situation für die meisten Maklerbüros, denn es geht zurück zu alten Tugenden: Immobilien verkaufen.

Nachfrager auf die eigene Webseite holen, statt zu den Portalen zu lotsen

Digital und strategisch bedeutet das zum einen, wieder deutlich mehr Anstrengungen in Vermarktungsmittel zu stecken, und zum anderen, dafür zu sorgen, nicht wieder in alte Muster zu verfallen und alle Immobilien in die reichweitenstärksten Portale zu stellen. Besser ginge es, wenn so viel wie möglich Nachfrager in der eigenen Datenbank landen würden. Denn nur so kann es gelingen, Angebote jenseits der Portale zu verkaufen.

Wer seine Datenbank erweitern möchte, kann sich nicht nur auf den Traffic von Dritten verlassen, sondern muss selbst Traffic erzeugen. Im konkreten Fall der Nachfrager ist daher der Suchauftrag das Mittel der Wahl. In der Kaltakquise eignen sich zum Generieren von Anfragen entweder eine Suchmaschinenoptimierung oder — wer nicht den Marathon gehen möchte — eine Kampagne über Google-Ads oder Facebook. Auch analog kann auf den Suchauftrag aufmerksam gemacht werden, etwa in der Zeitung oder auch durch das aktive Verteilen von Flyern im Vertriebsgebiet.

Rechtliche Fragen mitdenken

Wer Suchaufträge als Leadgenerator einsetzen möchte, sollte darauf achten, dass schon beim Ausfüllen des Formulars auch die rechtlichen Genehmigungen abgefragt werden, die zur Durchführung des Zwecks nicht unbedingt notwendig sind. So zum Beispiel die Kontakterlaubnis über den Zweck hinaus, die ermöglicht, dass Kontakte auch im E-Mail-Marketing eingesetzt werden können. So können dem Suchenden ergänzend zu passenden Immobilienangeboten auch andere Immobilienthemen zugeführt werden.

Legitim ist auch die Klärung des Eigentümer-Status. Damit offenbart der Nachfrager, ob bei einem Kauf auch ein Verkauf wahrscheinlich ist. Auch Bonitätsabfragen, die im Suchformular angelegt werden können, vereinfachen die Arbeit des Maklers, der dadurch besser einschätzen kann, ob sich der Interessent das zu seinem Profil passende Angebot auch
leisten kann. Das alles natürlich als freiwillige Angaben und nicht als Pflichtfeld. Hier werden in den kommenden Monaten Angaben zum Eigenkapital eine wichtige Bedeutung bekommen, weil die Beleihungsausläufe der Banken derzeit oft niedrig ausfallen.

Die richtigen Fragen stellen

Digital unabhängig zu bleiben, bedeutet also, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und nicht in alte Muster zu verfallen. Inzwischen ist der Digitalisierungsgrad in der Maklerbranche deutlich gestiegen durch dynamische Webseiten und CRM-System, die über API-Anbindungen die notwendigen Funktionen ermöglichen. Um Handlungsbedarf zu ermitteln, lohnen sich die folgenden einfachen Fragen: Habe ich eine Datenbank mit vielen Interessenten aus meiner Region? Habe ich inhaltliche Angebote für Nachfrager in meiner Webseite? Habe ich die notwendigen Formulare, um neue Kontakte zu erfassen? Ist das Suchvolumen von Nachfragern in meiner Region groß genug für eine Kampagne oder für Suchmaschinen-Marketing? Wer diese Fragen nicht selbst beantworten kann, sollte sich an die Digitalagentur seines Vertrauens wenden und eine Analyse durchführen lassen.

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