Nur kräftiger Zuwachs an Wohnraum bringt Wohnungsmarkt unter Kontrolle

18. Juni 2018


Der Deutsche Bundestag hat einen ständigen Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen eingesetzt. Vorsitzende des Gremiums ist die rheinland-pfälzische CDU-Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil. Mit der AIZ sprach die Architektin über ihre neuen Aufgaben.

Interview von Heiko Senebald

Welche Weichen kann der Bund konkret stellen, um den Bau der benötigten 1,5 Millionen Wohnungen voranzutreiben?

Wir haben die 1,5 Millionen Wohnungen im Koalitionsvertrag festgeschrieben, um deutlich zu machen, dass ohne einen derartigen kräftigen Zuwachs an Wohnraum der schnelle Preisanstieg am Wohnungsmarkt nicht unter Kontrolle zu bekommen ist. Auch am Wohnungsmarkt richtet sich die Preisentwicklung grundsätzlich nach Angebot und Nachfrage. Beides hat in der Vergangenheit eine deutliche Preissteigerung begünstigt. Die Nachfrage ist gestiegen, weil es Zuzug in die Ballungsgebiete gegeben hat, es immer mehr Einpersonenhaushalte gibt und weil heute pro Bewohner mehr Quadratmeter Wohnraum erwartet werden. Gleichzeitig werden zu wenig neue Wohnungen fertiggestellt. Momentan etwa 300.000 pro Jahr, vor zwanzig Jahren waren es noch etwa doppelt so viele.

Um das Wohnungsbauziel zu erreichen, werden wir eine ganze Reihe von einzelnen Maßnahmen benötigen, um in der Gesamtheit erfolgreich zu sein. Zwischen den Spitzen der Koalitionsfraktionen ist bereits vereinbart, dass ein Baukindergeld eingeführt wird und steuerliche Anreize geschaffen werden sollen, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Mit dem Baukindergeld sollen besonders Familien mit mittlerem Einkommen gefördert werden, damit sie eigenen Wohnraum bauen oder erwerben können. Dabei soll über einen Zeitraum von zehn Jahren pro Kind eine Förderung von 1.200 Euro pro Kind und Jahr finanziert werden. Die Sonderabschreibungen sollen einen schnell wirkenden Impuls setzen, um den Bau von frei finanzierten Mietwohnungen im bezahlbaren Mietpreissegment zu stimulieren. Zusätzlich zu der linearen Abschreibung von zwei Prozent jährlich ist hier eine bis Ende 2021 befristete Abschreibungsmöglichkeit von fünf weiteren Prozentpunkten über einen Gesamtzeitraum von vier Jahren vorgesehen.

Nach diesem ersten Paket möchte die Koalition weitere Maßnahmen umsetzen, um im Rahmen der Wohnraumoffensive das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen zu erreichen. Im Herbst wird es dazu auch einen Wohngipfel geben. Wichtige Themen werden sicherlich Bauland und Baukosten sein. Ohne ausreichendes Bauland können die Wohnbauziele nicht erreicht werden. Daher wird man im Rahmen einer Regierungskommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ das Thema intensiv beleuchten. Beim Thema Baukosten hat das „Bündnis für bezahlbares Bauen“ bereits wichtige Impulse geliefert, die nun ebenfalls weiter beraten und umgesetzt werden müssen.

Kann eine verschärfte Mietpolitik die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt überhaupt bremsen?

Wenn man die Wirkung der bisherigen Mietpreisbremse betrachtet, kann man da zumindest skeptisch sein. Grundsätzlich gilt das Gesagte, dass man die Preisentwicklung am Markt am besten bremsen kann, wenn das Angebot an verfügbaren Wohnraum erhöht wird. Trotzdem kann die Politik in der aktuellen Situation versuchen, auch mit solchen regulatorischen Maßnahmen dämpfend auf die Preisentwicklung einzuwirken, um in nachgefragten Ballungsgebieten preiswerten Wohnraum für untere und mittlere Einkommen zu erhalten und zu stärken.

Die Mietpreisbremse kann dafür sicherlich noch einmal modifiziert werden, wie die Koalitionsfraktionen es vereinbart haben. Eine gesetzliche Auskunftspflicht zur Offenlegung der Vormiete in bestimmten Fällen ist dabei bei Neuvermietungen geplant. Bei der Modernisierungsumlage soll die Umlagefähigkeit von Modernisierungskosten in Gebieten mit geltender Kappungsgrenze von derzeit elf auf zukünftig acht Prozent beschränkt werden. Befristet auf fünf Jahre mit anschließender Überprüfung. Darüber hinaus soll generell die monatliche Miete nach einer Modernisierung um nicht mehr als 3 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche innerhalb von sechs Jahren erhöht werden dürfen.

Wie kann der Bund Länder und Kommunen koordinieren, damit sie ihren Bauverpflichtungen nachkommen?

Der Bund kann die Länder und Kommunen im Bereich Bau, genau wie in anderen Politikbereichen, nicht zu einem bestimmten Verhalten zwingen. Dem stehen das Grundgesetz und unsere föderale Ordnung entgegen. In der Baupolitik haben wir Länder und Kommunen bisher bei allen Beratungen und Gremien beteiligt und werden dies auch weiterhin tun. Der Bund lässt die Länder aber auch mit den Kosten des sozialen Wohnungsbaus nicht allein. Über 2019 hinaus wollen wir deshalb auch in den Jahren 2020/21 mindestens zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zweckgebunden bereitstellen.

Trotzdem sehen wir, dass die Länder und Kommunen bei ihren Aktivitäten im Bereich Bauen und Wohnen sehr unterschiedlich erfolgreich sind. Dabei gibt es in nahezu jedem Bundesland Regionen, in denen ein akuter Mangel an bezahlbarem Wohnraum herrscht. Die Bundespolitik hat erkannt, dass Bauen und Wohnen eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahre sein wird, das auch eine erhebliche soziale Komponente hat. Der Deutsche Bundestag hat dafür sogar einen eigenen Ausschuss eingerichtet. Ich bin optimistisch, dass auch die Länder und Kommunen hier mitziehen werden, da wir in diesem Bereich nur Erfolge haben werden, wenn alle politischen Ebenen gemeinsam daran arbeiten.

Wie können die weiter steigenden Kosten am Bau gesenkt werden? Sollten die energetischen Verordnungen gelockert werden?

Energieeffiziente Gebäude sind eine wichtige politische Zielsetzung, gleichzeitig aber auch ein erheblicher Kostentreiber am Bau. Deshalb ist nicht eine Lockerung das Naheliegende, sondern es müssen erst einmal die ständigen Verschärfungen gestoppt werden. Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen des kommenden Gebäudeenergiegesetzes die aktuellen Standards der EnEV 2016 unverändert übernommen werden. Das Gesetz insgesamt soll zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung führen. Auch das wird dazu beitragen, den Anstieg der Baukosten zu begrenzen. Über weitere Details wird der Bauausschuss im Rahmen dieses Gesetzgebungsvorhabens beraten.

Grundsätzlich sollten wir aber auch unser sehr ausgeprägtes Anspruchsdenken an jegliche Art von Bauvorhaben überprüfen. In Deutschland werden häufig Goldrandlösungen bevorzugt, wo schon in unseren Nachbarstaaten mit deutlich geringerem Aufwand ein fast gleichwertiges Ergebnis erreicht wird. Da können wir auch noch besser werden, zum Beispiel mit standardisierten Bauverfahren.

Wie wollen Sie dazu beitragen, dass die strengen wohnungspolitischen Auflagen nicht dazu führen, dass die Immobilienwirtschaft auf den weniger regulierten und ähnlich nachgefragten Gewerbebau ausweicht?

Das Risiko sehe ich ehrlich gesagt weniger. Die Immobilienwirtschaft ist klug genug, ein diversifiziertes Portfolio anzustreben. Dazu gehören Wohnimmobilien genauso wie Gewerbeimmobilien. Am Wohnimmobilienmarkt lassen sich gute Renditen erzielen, das wird auch in Zukunft so bleiben. Gerade durch die geplanten Sonderabschreibungen wird die Attraktivität sogar noch erhöht. Die Nachfrage nach Wohnimmobilien in Ballungsgebieten wird absehbar sehr hoch bleiben. Bei der Nachfrage nach Gewerbeimmobilien gibt es dagegen konjunkturelle Risiken.
Das enthebt die Politik natürlich nicht davon, ihre Regulierungsvorhaben mit Augenmaß zu treffen. Ich halte nichts davon, Lösungen für den starken Anstieg der Wohnkosten in erster Linie in politischen Regulierungen zu suchen. Regulierungsentscheidungen können dazu beitragen, den Markt in einer kritischen Situation zu beruhigen. Sie können aber nicht die Gesetze des Marktes ersetzen. Und die geben uns vor, dass auf eine starke Nachfrage mit einer Ausweitung des Angebots reagiert werden muss, wenn man explosive Preisentwicklungen vermeiden will.

Ist die Erhöhung der Eigentumsquote politisches Staatsziel? Und wenn ja, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum?

Mit dem Begriff „Staatsziel“, der ja ein im Grundgesetz festgeschriebene staatliche Zielsetzung meint, wäre ich in diesem Zusammenhang vorsichtig. Richtig ist aber, dass in Deutschland die Wohneigentumsquote im europäischen Vergleich niedrig ist. Nur die Schweiz hat noch eine deutlich niedrigere Quote. Ein grundsätzliches politisches Ziel, die Wohneigentumsquote in Deutschland zu erhöhen, gibt es daher durchaus. Wohneigentum sichert die Menschen nicht nur gegen steigende Wohnkosten ab, sondern ist auch eine gute Form der Altersvorsorge. Die aktuelle Zinssituation ist dabei zur Bildung von Wohneigentum günstig, das wird aber teilweise durch stark steigende Preise konterkariert. Das Baukindergeld soll daher Familien mit mittlerem Einkommen bei der Bildung von Wohneigentum unterstützen.

Eine pauschale Setzung von bestimmten Steigerungen der Wohneigentumsquote in definierten Zeiträumen halte ich für unseriös. Die Entwicklung ist ja auch von Faktoren abhängig, die teilweise von der Politik kaum zu beeinflussen sind. Ziel muss es sein, dass die Wohneigentumsquote sich möglichst durchgehend positiv entwickelt. Dafür müssen wir auch über zusätzliche Maßnahmen über das bisher in die Wege geleitete hinaus nachdenken. Vorstellbar wäre zum Beispiel eine Ermäßigung bei der Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb einer selbstgenutzten Wohnimmobilie. Das kann der Bund aber nicht alleine beschließen, da es sich um eine Steuer der Bundesländer handelt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir mit den Bundesländern in absehbarer Zeit dazu Gespräche führen werden.