Onlinebewertung versus Immobilienbewertung vor Ort

11. Mai 2018


Was ist meine Immobilie wert? Diese Frage stellen sich viele Hauseigentümer vor dem Verkauf. Online Immobilienbewertungen versprechen Abhilfe und sollen dem Eigentümer nach Eingabe der Immobiliendaten den passenden Preis ausspucken. Doch wie präzise sind die ermittelten Werte eigentlich? Immobilienprofi Andreas Habath erklärt im Interview, warum auch Immobilienmakler von den Onlinetools profitieren und sie für sich nutzen können.

Interview von Jan Kricheldorf

In den letzten Jahren haben Immobilienbewertungen, die man online durchführen kann, zugenommen. Warum eigentlich?

Weil offensichtlich ein Bedarf gesehen wird seitens der Immobilieneigentümer. Die dringendste Frage beim Immobilienverkauf für den Eigentümer am Anfang ist offenbar: Was ist meine Immobilie tatsächlich wert?

Wie lief das denn vorher ab?

Vorher lief das klassisch, dass der Immobilienberater die Kaufpreisberatung übernommen hat, da war eigentlich vollkommen klar, dass man sich als Erstes an einen Makler aus der Region wendet. Durch das Internet sind die Regeln etwas vereinfacht worden und die Makler haben schon vorher die Möglichkeit, eine Einschätzung zu machen.

Nun sind gerade die Online-Bewertungen ziemlich umstritten unter Immobilienvermittlern, weil der Preis, der in einer Onlinebewertung rauskommt, oft nicht dem entspricht, was die Berwertung vor Ort ergibt. Was ist das Problematische dabei?

Das Problematische ist, dass alle Online-Bewertungs-Portale unabhängig vom Anbieter eine sehr unklare Datenqualität haben, die nicht offen belegt wird. Viele Portale nutzen nur Angebotspreise, die in Portalen veröffentlicht werden, allerdings mit der Realität nichts zu tun haben. Der andere Aspekt ist, dass Eigentümer, die Laien sind in der Materie, nur sehr wenige Eingaben ihrer Immobilie einpflegen müssen, um dann ein Ergebnis zu erhalten. Da eine Immobilie aber von hunderten Einflussfaktoren bestimmt wird, sind die Eingaben der Eigentümer nicht ausreichend, um ein genaues Ergebnis zu bekommen.

Gleichzeitig kann man natürlich das Bedürfnis des Eigentümers verstehen, der  abends um 23:17 Uhr wissen möchte, was seine Immobilie wert sein könnte.

Im Internet sind die Informationen jederzeit zugänglich und viele Menschen schenken dem auch Glauben. Das ist aber bei einem komplexen Thema, wie dem Verkauf einer Immobilie und der Wertfindung einer Immobilie, wo viele Faktoren eine Rolle spielen, leider nicht der Fall.

Dennoch setzen ja viele Leadportale und Leadhändler auf genau dieses Thema der schnellen Bewertung und sind auch erfolgreich damit.

Ja klar, die Eigentümer wollen relativ schnell einen Überblick darüber bekommen, was ihre Immobilie wert ist und vertrauen dem, was im Internet angeboten wird. Ich halte das als Experte allerdings für sehr zweischneidig und manchmal dann auch nicht redlich, weil, was versprochen wird, wird oft am Ende des Tages nicht eingehalten und führt zu vielen Enttäuschungen.

Wie kann man das nun lösen und beide Aspekte berücksichtigen: Den Eigentümer bedienen und auch in seiner Schnelligkeit, andererseits die Expertise zu wahren mit einer Erstinformation ein weiteres Bedürfnis auszulösen, dass der Makler vorbeikommt und eine intensive Prüfung macht?

Ich bin der Meinung, dass man beide Dinge miteinander verbinden kann. Früher war das so, dass der Mensch der Makler war, der eine Preisberatung durchgeführt hat und heute ist es das Internet. Beides sollte Hand in Hand gehen. Im Allgemeinen: man kann ihm Preisspannen anbieten, man kann Entwicklungen der letzten Jahre für bestimmte Immobilienarten nachzeichnen, dass der User ungefähr eine Orientierung hat, ohne ihm aber vorgaukeln zu müssen, dass es schon das individuelle Ergebnis der Immobilie ist. Im nächsten Schritt, wenn der Eigentümer sich informiert hat und dem Immobilienverkauf näher treten möchte, braucht er einen Experten. Das ist dann meist ein Immobilienmakler und der muss es jetzt hinbekommen, individuell die Immobilie einzuwerten, nachdem er sie selber besichtigt hat.

Ist es also so, dass wir in der Kommunikation gerade immer wieder betonen müssen, dass es sich um einen Schätzwert handelt und nur der Blick eines Vermittlers vor Ort ausschließen kann, dass man bei der Bewertung der Immobilie zu Extremdifferenzen kommt?
Ja, auf jeden Fall. Vergleichbar ist das Ganze ein bisschen mit anderen Portalen anderer Branchen, beispielsweise dem Autoverkauf. Da gibt es auch sehr viele Anbieter, die das gleiche machen und versuchen, verkaufsbereite Eigentümer zu akquirieren, indem sie im Internet Berechnungsmodelle zum Preis des Autos kalkulieren. Das böse Erwachen kommt dann, wenn ein Experte tatsächlich vor Ort ist und sich das natürlich nochmal ansieht und den Wert feststellt, der stark abweicht von dem, was im Internet angegeben wurde. Da funktioniert es auch nicht, obwohl ein Auto ja als mobiles Instrument viel einfacher einzuschätzen sein sollte als eine Immobilie.

Sie selbst haben ein interessantes Tool entwickelt, mit dem man beim Kunden tatsächlich auch Optionen hat, um auf seine meist überhöhten Vorstellungen einzugehen.

Ja, ich versuche einfach damit die Lücke zu schließen, die der Immobilienmakler hat, wenn er vor Ort ist und kurz davor ist, den Auftrag zu bekommen. Dann wird natürlich auch von ihm erwartet, einen marktgerechten Preis zu ermitteln und wenn er sich auf die Onlinetools verlässt, dann hat er keine Möglichkeit, einfach seine individuelle Marktexpertise einzubringen. Wenn er sich eine Fachsoftware anschafft, dann muss er schon wieder halb Sachverständiger sein. So habe ich ein Tool entwickelt, welches sehr kurz die Eigenschaften der Immobilie beschreibt und durch einen sehr nachvollziehbaren Mechanismus den Verkaufswert darstellt.