Politik ist kein Spiel

16. November 2018


SPD und Grüne drängen weiter auf die Ausweitung des Bestellerprinzips und auf die gesetzliche Deckelung der Maklerprovisionen. Die Forderung ist reines politisches Kalkül unter Missachtung der gravierenden Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Anfang Oktober sackte die Aktie der Scout 24 AG, dem Unternehmen hinter Immobilienscout24, innerhalb eines Tages um sechs Prozent ab. Warum? Ein Analyst hatte auf mögliche Gesetzesänderungen hingewiesen – auf das Bestellerprinzip und auf eine Deckelung der Maklerprovision auf zwei Prozent, wie die Grünen sie fordern. Der Analyst schrieb, die Pläne der Politik könnten zu einem Ausstieg vieler Makler führen, was sich dementsprechend auf Abo-Zahlen und Anzeigen von Immoscout auswirken würde. Zwar liegt mir nichts ferner, als an dieser Stelle über die Aktienentwicklung eines Unternehmens zu philosophieren. Aber: Der Kurssturz bietet einen kleinen Ausblick auf die schweren wirtschaftlichen Schäden, die Bestellerprinzip und Provisionsdeckelung nach sich ziehen würden.

Unter Börsianern erzählt man sich gerne flotte Sprüche und Weisheiten, „Politische Börsen haben kurze Beine“ ist so eine. Das mag für den Finanzmarkt gelten, ändert aber nichts daran, dass Entscheidungen der Politik in der konkreten, realen Geschäftswelt gravierende Auswirkungen auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer, kurz: auf wirtschaftliche Existenzen, haben können. Politik ist kein Spiel und findet nicht im luftleeren Raum statt. Forderungen dürfen nicht einfach aufgestellt werden, nur weil man glaubt, sie würden von der Öffentlichkeit oder einer speziellen Zielgruppe goutiert.

Gewiss, die Welt wandelt sich, die Politik muss dem genau wie die Wirtschaft Rechnung tragen und sich weiterentwickeln. Das wissen die Makler nur zu gut: Digitalisierung und hybride Makler verändern die Branche. Bestellerprinzip und Provisionsdeckelung haben damit aber nichts zu tun; weder besteht für diesen Eingriff Notwendigkeit noch wird dadurch eine Verbesserung erreicht. Die Forderung, die Makler zu beschneiden, ist aus reinem politischen Kalkül entstanden. Und das ist unverantwortlich.

Denn es sind Zehntausende Arbeits- und Ausbildungsplätze, die dieser Forderung zum Opfer fallen könnten. Die Frage ist: Wozu? Wozu werden so viele Arbeitsplätze geopfert – etwa, wie behauptet wird, um Wohnungskäufer zu unterstützen?

Als sei ausgerechnet die Politik die große Förderin der Wohneigentümer, als kämpfe sie heroisch gegen alle Widerstände, um die Eigentumsbildung in Deutschland anzukurbeln – was für eine Scheinheiligkeit. Es ist doch der IVD, der seit zig Jahren darauf hinweist, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland gefährlich niedrig ist. Dass eine höhere Eigentümerquote nicht nur den Mietmarkt entlasten, sondern ganz entscheidend Altersarmut bekämpfen und den Lebensabend zahlreicher Bürger sichern würde. Und dass die Politik mit ihrem dogmatischen Fokus auf Mieterinteressen die Eigentumsbildung in Deutschland viele Jahre lang nicht nur nicht gefördert, sondern aktiv verhindert hat.

Die Politik selbst ist dafür verantwortlich, dass die größte Hürde beim Immobilienkauf, der Eigenkapitalanteil, stetig höher wird, weil die Grunderwerbsteuer einfach immer weiter ansteigt. Hat die Politik bei früheren Grunderwerbsteuer-
reformen noch darauf geachtet, dass Hauskäufer durch die Steuer nicht vom Hauskauf abgehalten werden, sind seit 2006 alle Dämme gebrochen. Die Bundesländer dürfen seither selbst über die Höhe des Steuersatzes bestimmen, und weil die Einnahmen mit steigenden Immobilienpreisen immer stärker sprudeln, will man auf diese so profitable wie aufwandslose Einnahmequelle keinesfalls verzichten. Den Steuersatz absenken, Freibeträge einführen? Kein Interesse, das macht die Politik bei jeder Gelegenheit deutlich.

Und wenn man das eigentlich Nötige nicht tun will, aber in der Öffentlichkeit dennoch als Macher dastehen möchte, wie löst man dann dieses Dilemma? Richtig: Man schiebt die Verantwortung einfach ab, auch wenn damit niemandem geholfen ist. Doch will man wirklich den möglichen Verlust Hunderter Unternehmen und Zehntausender Arbeitsplätze in Kauf nehmen, nur um den Schein zu bewahren? Darüber sollte die Politik zweimal oder besser noch drei- oder viermal nachdenken.