Politisches Wort: Lieber den leichten Weg

10. Januar 2019


Wieder ist ein Jahr vorbei, und wenn wir nun einmal kurz Bilanz ziehen, muss man konstatieren, dass die wohnungspolitische Debatte selten so umfassend und intensiv geführt wurde wie im Jahr 2018.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Das ist erst einmal erfreulich: Wir haben in Deutschland über Wohnungsbau diskutiert, darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, damit mehr und günstigerer Wohnraum errichtet werden kann. So etwas hat es ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gegeben. Das liegt natürlich einerseits daran, dass selbst der hartgesottenste Mietrechtspolitiker die Realität irgendwann nicht mehr ignorieren kann, und in der Realität fehlen nun einmal Wohnungen. Andererseits aber ist es auch der Beharrlichkeit der Immobilienbranche zu verdanken, dass sich die Wohnungspolitik in Deutschland endlich um ein Stück erweitert hat.

Nun fragt man sich, warum viele Branchenvertreter trotzdem eher mit gemischten Gefühlen auf die Weihnachtsferien zusteuern. Das liegt wohl daran, dass sich die Politik, wenn die Umsetzung eines Projektes mit Schwierigkeiten verbunden ist und wenig öffentliches Prestige verspricht, häufig lieber auf Dinge fokussiert, die zwar nichts bringen, aber erstens simpler und zweitens besser verkäuflich sind. In diesem Jahr haben wir das mehrfach erlebt, zum Beispiel bei den Themen Mietrecht und das sogenannte Bestellerprinzip.

Die Große Koalition möchte gerne die Bildung von Wohneigentum unterstützen, was gut ist und überfällig. Sie hat deshalb mit dem Baukindergeld eine vom IVD geforderte Eigenkapitalunterstützung auf den Weg gebracht. Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag außerdem vorgenommen, Freibeträge für die Grunderwerbsteuer zu prüfen. Das wäre sehr sinnvoll und eine hocheffiziente Maßnahme zur Eigentumsförderung, doch ist die Umsetzung ungleich schwieriger. Denn erstens ist die Grunderwerbsteuer eine Ländersteuer und zweitens ist sie eben eine Steuer. Das heißt: Die Bundesländer sind an dem Prozess beteiligt, und Steuerkürzungen sind gleichbedeutend mit geringeren Staatseinnahmen. Beides — föderale Verhandlungen und das Zurechtfinden mit geringeren Einnahmen — meiden Politiker wie der Teufel das Weihwasser.

Deshalb wird dieses sinnvolle Projekt einfach verzögert und stattdessen etwas anderes in den Vordergrund gestellt, das gar nicht im Koalitionsvertrag steht: das sogenannte Bestellerprinzip. Der politische Prozess ist viel simpler, es kostet den Staat kein Geld und doch kann sich die Politik als vermeintliche Förderin der Wohneigentümer auf die Schultern klopfen lassen. Dass es Wohnungskäufern nichts bringt, dafür aber einem ganzen Wirtschaftszweig schadet, wird billigend in Kauf genommen.

Die von der Bundesregierung geplante Mietrechtsanpassung ist ein ähnliches Beispiel. Mit langfristiger und gut argumentierter Überzeugungsarbeit ist es der Immobilienwirtschaft gelungen, Gehör in der Bundespolitik zu finden und den Wohnungsbau auf die Agenda zu setzen. Ein Ziel von 1,5 MillionenWohnungen, eine Reihe von Maßnahmen, ein Wohngipfel — das ist beachtlich und ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Die baupolitischen Maßnahmen, die auf dem — übrigens vom IVD vorgeschlagenen — Wohngipfel in Abstimmung mit Immobilien- und Bauwirtschaft beschlossen wurden, sind sinnvoll und absolut zweckdienlich. Erst einmal umgesetzt, führen sie zu einer höheren Baulandausweisung, zu schnelleren Genehmigungsverfahren und geringeren Baukosten. Doch die Umsetzung ist schwierig, denn im Bauordnungsrecht geht ähnlich wie bei der Grunderwerbsteuer nichts ohne die Bundesländer. Hinzu kommt, dass beispielsweise die Angleichung der Bauordnungen trotz aller Notwendigkeit nicht besonders medienwirksam erscheint. Deshalb hat es die Politik auch nicht eilig — für viele der beschlossenen Maßnahmen ist nicht einmal ein Zeitplan festgelegt worden.

Viel rascher durchgewinkt wird dagegen das Mietrechtsanpassungsgesetz. Mietpreisbremse verschärfen, Modernisierungsumlage verkürzen, vielleicht sogar den Mietspiegel manipulieren — ändert alles nichts am Grundproblem Wohnraummangel, geht aber einfach und klingt auch noch gut.

Diese Unart der Politik, die sinnvollen, aber schwierigen Dinge auf die lange Bank zu schieben, um stattdessen zum Beispiel mit immer neuen unnötigen Regulierungen kurzfristige Schein-Erfolge zu feiern, ist mehr als ärgerlich. Sie macht viel zunichte. Im kommenden Jahr wartet wieder viel Überzeugungsarbeit auf uns.

Foto: © Jens Johnson