Reine Formsache – „Im rechten Licht“

1. März 2023


„Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ wusste schon Goethe. Aber es ist eben nicht immer nötig, einen Mietvertrag „schwarz auf weiß zu besitzen“, damit er wirksam ist.

Von Johannes Hofele

Der Abschluss eines Mietvertrages ist formlos möglich — wie das bei den allermeisten Rechtsgeschäften der Fall ist. Eine mündliche Vereinbarung reicht aus: Selbst ein Mietvertrag über ein komplettes Einkaufszentrum für 30 Jahre kann durch Handschlag, ohne jegliche schriftliche Niederlegung wirksam geschlossen werden. Nötig ist nur, dass sich die Parteien darüber einig sind, wer an wen (Vertragsparteien) was (Mietgegenstand) zeitlich begrenzt überlässt (vermietet), und klar ist, dass der Vermieter etwas dafür bekommt (Miete). Die Miete muss übrigens weder in Geld bestehen noch monatlich oder sonst wie regelmäßig geschuldet sein. Und sie muss noch nicht einmal feststehen, sondern nur bestimmbar sein.

Aber es gibt doch den § 550 BGB, der die Schriftform vorsieht?

Diese Regelung ist in der Praxis ebenso tückisch wie ihre Hintergründe im Einzelnen kompliziert zu verstehen sind. Sie soll reformiert werden, aber derzeit dümpelt das Gesetzgebungsverfahren so vor sich hin. Bevor wir darauf eingehen, treten wir einen Schritt zurück:

Wollen die Parteien die Schriftform?

Für (reine) Mietverträge gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, die eingehalten werden müssen, damit sie wirksam geschlossen werden können. Aber die Parteien können diese Voraussetzung vereinbaren, nach dem Motto: „Wir wollen uns erst dann binden, wenn wir nicht nur alles vereinbart haben, sondern auch ein schriftliches Dokument erstellt haben, in dem alles drinsteht“. Das steht in § 154 Abs. 2 BGB – eine Norm, die auch viele Juristen gerne mal übersehen. Ist also klar, dass die Urkunde nicht nur zu Beweiszwecken errichtet werden, sondern Abschlussvoraussetzung sein soll, ist der Vertrag nichtig, wenn die Urkunde nicht wirksam erstellt wird (§ 127, 154 Abs. 2, 125 S. 2 BGB – für die, die es genau wissen wollen). Aber so einfach ist es natürlich nicht: Zum einen streitet man sich gerne darum, ob das wirklich so sein sollte, und zum anderen gibt es auch davon Ausnahmen: Setzen die Parteien den Vertrag um, kann es sein, dass sie von der Schriftformvereinbarung wieder (erneut vereinbarungsgemäß) abrücken.

Und was ist jetzt mit § 550 BGB?

Eigentlich (erst mal) nicht viel. Bei einem Verstoß bleibt der Vertrag in vollem Umfang wirksam — bis auf ein winziges Detail: Der eigentlich für mehrere Jahre fest abgeschlossene Mietvertrag „gilt für unbestimmte Zeit“, er wird also kündbar. Und das gilt auch, wenn die Schriftform zwar am Anfang eingehalten wurde, die Parteien aber später mündlich oder konkludent Veränderungen am Vertrag vorgenommen haben. Und darin liegt das Tückische für die Praxis, weil dies oft erst dann zum Tragen kommt, wenn sich die Parteien ändern oder es Streit gibt.

„Redet miteinander“ — besser nicht im Geschäftsraummietrecht

§ 550 BGB gilt für Wohn- und Geschäftsraummietverträge, entfaltet sein unglückseliges Potential aber vor allem bei Letzterem. Kurioserweise sind oft genau die Vertragsverhältnisse gefährdet, bei denen sich die Parteien gut verstehen und vertrauen. Stirbt aber der gutmütige Vermieter und kommen die gierigen Erben zum Zuge, wird erst mal geschaut, ob man den Mieter, der ja seit Jahren viel zu wenig Miete zahlt, nicht loswerden kann. Oder umgekehrt: Der Mieter merkt, dass der Laden doch nicht so läuft, wie er sich das vorstellt, und versucht auf diese Weise, aus dem Vertrag auszusteigen. Beides hat oft genug Erfolg.

Warum ist das so?

Die Norm dient vorrangig dem Erwerberschutz. Sie soll sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der nach § 566 BGB auf Seiten des Vermieters in ein langfristiges Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Die Beweisfunktion (was haben wir eigentlich vereinbart?) ist nur sekundär. Ganz am Ende spielt auch die Warnfunktion eine kleine Rolle — keine Partei soll sich unbedacht langfristig binden. Der BGH hat allerdings den Erwerberschutzgedanken in den letzten Jahren bis ins Groteske festbetoniert.

Reden ist Silber — Papier Gold wert

Ich halte das Konzept für verfehlt: Warum soll ein Erwerber einem nichtsahnenden vertragstreuen Mieter kündigen können? Soll er doch eine gescheite due diligence machen und sich bei Problemen an seinen Verkäufer halten. Aber solange die Gesetzeslage so ist wie sie ist, kann man den Parteien eines Geschäftsraummietvertrages nur raten, sofort Papier und dokumententenechtes Schreibmaterial zurecht zu legen, sobald sich die Gegenseite mit irgendeinem Anliegen meldet. Lieber ein Nachtrag zu viel als einer zu wenig.

Schriftformklauseln helfen nicht

Viele Jahre lang haben Kautelarjuristen versucht, die Kündbarkeit durch verschiedenste Klauseln zu vermeiden. Auch dem hat der BGH vor ein paar Jahren ein Ende gesetzt: Alle Klauseln, die die Schriftformeinhaltung „erzwingen“ sollen, sind unwirksam – auch als Individualvereinbarung.

Warum das so ist und was (noch geht) lesen Sie beim nächsten Mal.

 

Foto: depositphotos/silvae