Soziale Marktwirtschaft statt Mietendeckel

14. Januar 2021


Der rot-rot-grüne Senat hat im Land Berlin eine historische Dummheit begangen. Mit dem sogenannten Mietendeckel hat er die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen für fünf Jahre eingefroren und damit die Instrumente der sozialen Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt. Wer das Preissignal per Gesetz verbietet, wer massiv in Eigentumsrechte eingreift, wer auf Zwang und Plan setzt, erstickt die Freiheit, verhindert effizienten Ressourceneinsatz und sabotiert damit bezahlbares Wohnen und Bauen. Rot-Rot-Grün hat eine Rezeptur angerührt, die am Ende allen schadet: der Bau- und Immobilienwirtschaft, dem Handwerk, dem Vermieter — und auch dem Mieter selbst.

Von Kai Wegner

Eigentlich müsste Berlin, wo mehr als 100.000 Wohnungen fehlen, alles dafür tun, um den Neubau anzukurbeln und einer wachsenden Nachfrage endlich ein entsprechendes Angebot entgegenzusetzen. Dies gelingt nur im Zusammenspiel mit privaten Wohnungsunternehmen. Wichtig hierbei: Gerade bei langfristigen Investitionsentscheidungen ist das Vertrauen in stabile und faire politische Rahmenbedingungen und den Schutz des Eigentums unerlässlich. Wenn der Senat jedoch Mietpreise diktiert und sich überdies in Enteignungsphantasien ergeht, sollte sich niemand darüber wundern, wenn Investoren künftig einen großen Bogen um Berlin machen und zusätzlichen Wohnraum lieber in anderen Städten schaffen. Der Einbruch bei den Baugenehmigungen, der bereits jetzt feststellbar ist, ist ein erster empirischer Beleg für diese These.

Statt bezahlbaren Wohnraum erhalten die Berlinerinnen und Berliner wohl in immer schärferem Maße einen „Grauen Markt“ für Mietwohnungen. Denn wenn durch ein staatliches Preisdiktat die Miethöhe künstlich begrenzt wird, sich aber viele zahlungswillige Bewerber um wenige Wohnungen bemühen, werden die Preise an anderer Stelle zu zahlen sein. Die Wohnungen werden dann dem eigentlichen Markt entzogen und stattdessen unter der Hand vermietet werden — und dann zu hohen Preisen. Alternativ geht die Wohnung an den Mieter, der über die besten Verbindungen zur vermietenden Immobiliengesellschaft verfügt, womit der politischen Patronage und der Günstlingswirtschaft Tür und Tor geöffnet sind. Jeder, der innerhalb von Berlin eine neue Wohnung sucht — weil er heiratet oder ein Kind bekommt, weil er den Arbeitsplatz wechselt oder in Rente geht — hat es künftig noch schwerer.

Wenn schon kaum neue Wohnungen entstehen, können sich dann wenigstens diejenigen, die bereits eine Wohnung gefunden haben und dort auch langfristig wohnen wollen, zufrieden zurücklehnen? Weit gefehlt! Schon die Ankündigung des Mietendeckels hat eine Mieterhöhungswelle ausgelöst. Noch schwerer wiegt, dass der Mietendeckel den Berliner Wohnungsbestand dem Verfall preisgibt — und der klima- und altersgerechte Umbau des Wohnraums steht erst recht in den Sternen. Denn warum sollte ein Eigentümer umfangreiche und teure Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten in Auftrag geben, wenn es praktisch keine Aussicht gibt, dass sich seine Investitionen amortisieren können? Lissabon hat über Jahrzehnte ein abschreckendes Beispiel dafür abgegeben, wie fatal sich eine starre Mietpreisbindung auswirkt. Und auch die Erinnerung an die DDR-Wohnverhältnisse sollte gerade diesem Senat eigentlich eine Mahnung sein.

Nun will niemand bestreiten, dass es insbesondere in den Städten in der Vergangenheit zu Fehlentwicklungen auf den Mietwohnungsmärkten gekommen ist. Doch der Mietendeckel bestraft gerade diejenigen Vermieter, die sich seit Jahren zuverlässig für anständiges Wohnen zu fairen Preisen engagieren. Oft handelt es sich dabei um private Kleinvermieter. Deren Altersvorsorge ist nun gefährdet, weil Mietausfälle und Wertverlust drohen. Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft rechnen mit einem massiven Werteverfall der Immobilien von rund 40 Prozent. Das dürfte bei nicht wenigen die gesamte Planung der Altersvorsorge über den Haufen werfen oder gar den finanziellen Ruin bedeuten. Wer wollte es in dieser Situation den Immobilienbesitzern verübeln, wenn sie ihre Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln, um sich den massiven Eingriffen in ihr Eigentum zu entziehen? Die Lage für Mieter auf Wohnungssuche freilich wird das nur weiter verschärfen.

Wie weiter oben gesehen versetzt der Mietendeckel dem Neubau, aber auch der Sanierung und Modernisierung des Gebäudebestandes einen Tiefschlag. Die nächsten fast zwangsläufigen Folgen des Mietendeckels sind somit ökonomischer Natur. Konkret: Statt bezahlbaren Wohnraum aufzubauen, baut der Mietendeckel Arbeitsplätze ab: bei der Bau- und Immo-bilienwirtschaft, bei Mittelstand und Handwerk. Weniger Umsatz und entlassene Mitarbeiter bedeuten weniger Steuer- einnahmen. Hinzu kommen höhere Sozialkosten für den Staat.

Der Mietendeckel ist nicht nur in der Sache falsch und schädlich für alle Beteiligten, er ist zudem auch noch evident verfassungswidrig. Das Land Berlin ist kompetenzrechtlich gehindert, gesetzliche Vorschriften zur Mietenbegrenzung zu erlassen, weil der Bund mit der Regelung des Mietpreisrechts auf dem freien Wohnungsmarkt von seiner Regelungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat. Rot-Rot-Grün verstößt also klar gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung. Auch die Eingriffe in die Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer sind aus verfassungsrechtlicher Sicht hochproblematisch.

Dies führt wieder zurück zu den schädlichen Auswirkungen des Mietendeckels für die Mieter. Denn die Instrumente der Bundesregierung wie die Mietpreisbremse oder die Verlängerung des Betrachtungszeitraums bei den Mietspiegeln sind unter dem Mietendeckel außer Kraft gesetzt. Wenn schließlich der Mietendeckel vor Gericht fällt, wird es Jahre dauern, bis Berlin wieder einen rechtssicheren Mietspiegel erhält. Schwarze Schafe unter den Vermietern, die es wirklich darauf anlegten, könnten in dieser Zeit über Vergleichswohnungen besonders hohe Mieterhöhungen realisieren.

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, lässt Goethe den Mephisto in seinem „Faust“ sagen. Beim Mietendeckel ist mehr oder weniger das Gegenteil der Fall. Das Gesetz ist vielleicht gut gemeint, aber mit Sicherheit nicht gut gemacht. Es produziert am Ende nur Verlierer. Modernisierungsarbeiten für die 1,5 Millionen Mietwohnungen werden zurückgestellt oder gar nicht mehr in Auftrag gegeben, die Handwerksbetriebe und Bau-unternehmen entlassen Mitarbeiter, die Immobilienwirtschaft hat keine sicheren Rahmenbedingungen mehr, der Wohnungsbestand verfällt, die wenigen modernisierten Wohnungen werden unter der Hand auf einem „Grauen Markt“ vertrieben. Immobilienbesitzer verlieren ein Standbein für ihre Altersvorsorge und die Baugenehmigungen brechen auch für Neubauten ein.

Soziale Marktwirtschaft statt Mietendeckel: Was heißt das konkret in Bezug auf das Wohnen und Bauen? Miteinander statt gegeneinander! Statt die Stadt zu spalten und dem Wohn-, Wirtschafts- und Arbeitsstandort Berlin zu schaden, muss eine nachhaltige Lösung her. Denn unbestritten ist das bezahlbare Wohnen eine zentrale soziale Herausforderung. Diese Herausforderung ist nur gemeinsam mit allen Akteuren am Wohnungsmarkt zu meistern, idealerweise in einem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen in Berlin. Auf die Agenda gehören mehr Bauland und Dachgeschossausbau, schnellere Genehmigungsprozesse und weniger Bürokratie. Zudem muss die Mietpreisbremse des Bundes in Berlin wirksam durchgesetzt und kontrolliert werden. So kann es die Politik hinbekommen, auf dem Wohnungsmarkt wirtschaftliche Freiheit, Eigentumsschutz und soziale Absicherung miteinander zu verbinden.