Steigt bald die Grundsteuer?

28. Januar 2019


Der Bundesminister für Finanzen, Olaf Scholz, hat inzwischen die Überlegungen seines Ministeriums zur Reform der Grundsteuer vorgestellt. Danach bevorzugt das BMF eine wertabhängige Bemessungsgrundlage, bei der es vor allem auf die Mieten ankommen soll. Für selbstgenutzte Wohnungen soll der Eigentümer die ortsübliche Miete anhand statistischer Daten selbst ermitteln.

Von Hans-Joachim Beck

Der IVD ist weiterhin der Auffassung, dass eine wertabhängige Bemessungsgrundlage ungeeignet ist, weil sie zu einem starken Anstieg der Grundsteuer führen würde, der sogar zu einem Crash in der Immobilienwirtschaft führen kann und den Neubau von Wohnungen unattraktiv machen würde.

Das Ministerium hat zwar versprochen, dass die Reform aufkommensneutral gestaltet und daher die Belastung insgesamt nicht steigen wird. Die höhere Steuer für Grundstücke in den prosperierenden Gegenden soll durch eine Absenkung der Steuer in den strukturschwächeren Gebieten ausgeglichen werden. Dies wird jedoch nicht funktionieren, weil gerade die Gemeinden in den strukturschwachen Gebieten auf die Grundsteuer angewiesen sind und ein Sinken ihrer Steuereinnahmen nicht hinnehmen können. Sie werden daher gezwungen sein, die Verminderung der Bemessungsgrundlagen durch eine Anhebung ihrer Hebesätze auszugleichen. Ein Anstieg der Grundsteuer könnte nur verhindert werden, indem man das Hebesatzrecht der Gemeinden abschafft und der Bund etwaige Steuermindereinnahmen der Gemeinden ausgleicht.

Um dies zu verstehen, muss man sich den Mechanismus der Grundsteuer vor Augen halten. Nach dem gelten Recht stellen die Finanzämter die Einheitswerte für die Grundstücke fest. Diese Werte multiplizieren sie mit einer durch das Grundsteuergesetz bundeseinheitlich festgelegten Steuermesszahl, die derzeit für Wohnungen in der Regel 3,5 /000 beträgt. Der sich daraus ergebende Steuermessbetrag wird der Gemeinde übermittelt, die sie zur Festsetzung der Grundsteuer mit dem Hebesatz multiplizieren, den sie selbst festgelegt hat.

Damit die Grundsteuerreform aufkommensneutral ist, will soll nach der Ermittlung sämtlicher neuen Werte eine neue – niedrigere – Steuermesszahl ermittelt werden. Dadurch wird aber lediglich erreicht, dass die Summe aller Steuermessbeträge in Deutschland gleich bleibt. Durch die neue – niedrigere Steuermesszahl werden sich in den strukturschwächeren Gebieten niedrigere Steuermessbeträge ergeben. Damit ihr Steueraufkommen nicht sinkt, müssen die Gemeinden ihre Hebesätze entsprechend anheben. Ob die Gemeinden, in denen die Steuermessbeträge steigen, ihre Hebesätze absenken, dürfte fraglich sein.

Beispiel

Die Gemeinden A und B haben beide einen Hebesatz von 400 Prozent. In Gemeinde A liegt die Grundstücksgruppe G1, in der Gemeinde B die Grundstücksgruppe G2. Weitere Grundstücke sollen in den Gemeinden nicht vorhanden sein. Beide Grundstücksgruppen haben vor der Reform einen Einheitswert von 100.000. Bei Anwendung der Steuermesszahl von 3,5/1.000 ergibt sich eine Steuermesszahl für jede von jeweils 350, für beide Grundstücksgruppen insgesamt von 700. Die Grundsteuer beträgt in jeder Gemeinde (350 x 400 % =) 1.400.

Nach der Reform hat die Grundstücksgruppe G1 weiterhin einen Wert von 100.000. Die Grundstücksgruppe G2 hat nunmehr einen Wert von 400.000. Die Summe beider Werte beträgt 500.000. Da die Summe aller Steuermessbeträge gleich bleiben soll, wird die bundeseinheitliche Steuermesszahl von 3,5/1.000 auf (700 : 500.000 =) 1,4/1.000 herabgesetzt. Damit ergibt sich wieder ein gesamter Steuermessbetrag für beide Grundstücksgruppen von (500.000 x 1,4/1.000 =) 700.

Für die Grundstücksgruppe G1 ergibt sich damit ein Steuermessbetrag von (100.000 x 1,4/1.000 =) 140, multipliziert mit dem Hebesatz von 400 % eine Steuer von 560.Da die Gemeinde A, in der die Grundstücksgruppe G1 liegt, ein Absinken ihres Steueraufkommens nicht verkraften kann, sieht sie sich gezwungen, zum Ausgleich ihren Hebesatz auf das (140.000 : 56.000 =) 2,5 zu erhöhen, so dass ihr Hebesatz 1.000 % beträgt. Die für G1 zu zahlende Grundsteuer bleibt also nach der Reform unverändert (140 x 1.000 % =) 1.400. Für die Gemeinde B ergäbe sich ein Steuermessbetrag von (400.000 X 1,4/1.000 =) 560. Multipliziert mit dem Hebesatz von 400 ergäbe sich eine Grundsteuer von (560 x 400 % =) 2.240. Die Gemeinde, in der die Grundstücksgruppe G2 liegt, könnte ihren Hebesatz ohne einen Verlust an Steueraufkommen auf das (1.400 : 2.240 =) 0,625 fache und damit auf (400 x 0,625 =) 250 herabsetzen. Würde sie das tun, würde sich durch die Reform im Ergebnis nichts ändern.

Dieser Effekt kann auch nicht dadurch verhindert werden, dass die Länder das Recht erhalten, für ihr Gebiet selbständige Steuermesszahlen festzulegen, die von der Bundesweiten Steuermesszahl abweichen. Dadurch können zwar Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg, die zugleich Land und Gemeinde sind, erreichen, dass trotz gestiegener Mieten die Gesamtsumme der Steuermessbeträge nicht steigt. Da die Grundsteuern des Landes „in einem Topf“ landen, werden.

Die Bundespolitiker weisen die Verantwortung für diese Szenario zurück, da sie für die Festsetzung der Hebesätze nicht zuständig sind und mit Festsetzung der neuen Steuermesszahl alles getan haben, um die Reform aufkommensneutral zu halten.

Aus Sicht der betroffenen Mieter und Eigentümer kann es darauf aber nicht ankommen. Die Einführung einer wertabhängigen Bemessungsgrundlage wird dazu führen, dass die Grundsteuer gerade in den begehrten Wohnlagen steigen wird. Da die Grundsteuer als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt wird, werden gerade da, wo die Mieten in den letzten Jahren stark gestiegen sind, auch die Nebenkosten stark steigen. Alle Bemühungen der Bundesregierung, den Anstieg der Wohnkosten durch die Mietpreisbremse und die Reduzierung der Kappungsgrenze zu verlangsamen, werden konterkariert. In einigen Gebieten könnte sogar die Errichtung neuer Wohnungen unattraktiv werden. Soweit es sich nicht gerade um die „hot spots“ handelt, wird es in einigen Jahren wegen der steigenden Baukosten ohnehin schwierig werden, eine Miete zur erzielen, die eine auskömmliche Rendite ermöglicht. Wenn die neue Grundsteuer auf die hohen Neubaumieten aufsetzt, müssen alle Neubauprojekte auf ihre Rentabilität hin überprüft werden.

Um zu verhindern, dass die Grundsteuerreform zu einem Anstieg der Wohnkosten führt, wird bereits jetzt gefordert, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer abzuschaffen. Dies würde die Rentabilität vieler Immobilien in Frage stellen. Denn eine entsprechende Anhebung der Mieten ist im Bestand nicht möglich. Auch bei einer Neuvermietung wäre die Vereinbarung einer entsprechend höheren Miete wegen der Mietpreisbremse nicht möglich. Damit könnte die Grundsteuerreform zu einem „Crash“ in der Immobilienwirtschaft führen.

Nur eine wertunabhängige Bemessungsgrundlage kann verhindern, dass sich das Wohnen in den guten Lagen verteuert. Hierzu bietet es sich an, die Fläche des Bodens und die Nutzfläche des Gebäudes als Maßstab heranzuziehen. Dies wäre verfassungsgemäß, da das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. April 2018 ausdrücklich festgestellt hat, dass eine wertabhängige Bemessungsgrundlage verfassungsrechtlich nicht geboten ist, sondern auch jeder andere Maßstab zulässig ist, sofern er in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erhebungsgrund der Grundsteuer steht. Dies ist bei dem Flächenmaßstab der Fall, weil die Grundsteuer ihrem Sinn und Zweck nach einen Ausgleich für die Inanspruchnahme der gemeindlichen Infrastruktur durch die Nutzer des Grundstücks sein soll. Die Flächen des Bodens und des Gebäudes stellen aber einen geeigneten Indikator dafür dar, in welchem Ausmaß die Infrastruktur der Gemeinde durch die Nutzer des Grundstücks in Anspruch genommen wird. Die Grundsteuer ist keine spezielle Vermögensteuer durch die der Wert des Grundstücks erfasst werden soll. Denn anderenfalls müssten die Fremdmittel, mit denen das Grundstück und das Gebäude finanziert worden sind, von dem Wert des Grundstücks abgezogen werden.

Gegen das vorgeschlagene Modell bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, weil die Möglichkeit, länderspezifische, unterschiedliche Steuermesszahlen einzuführen, gegen das Prinzip der Folgerichtigkeit verstößt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG muss der Gesetzgeber seine einmal getroffen Entscheidung über die Art des Steuergegenstandes folgerichtig und konsequent umsetzen. Die Möglichkeit der Länder, eigenständige Steuermesszahlen festzusetzen, verstößt gegen dieses Prinzip, weil sich die Einführung länderspezifischer Steuermesszahlen gerade dazu dienen soll, die Wirkung der neu ermittelten Werte zu verhindern. Das Flächenmodell ist daher das einzige Modell, das verfassungsrechtlich unbedenklich ist.

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