„Unsere Kunden mussten noch nie in einen Kaktus greifen!“

28. Februar 2022


Spiering Immobilien ist eines der ältesten Immobilienunternehmen in Deutschland. Es wurde 1886 in Kiel gegründet. Die AIZ sprach mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter und IVD-Vizepräsidenten Björn Petersen über Traditionen, Unternehmertum, Familie und Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Wie fühlt es sich an, ein 135 Jahre altes Traditionsunternehmen zu führen?

Björn Petersen: Das Gefühl lässt sich wohl am besten mit Stolz und Demut beschreiben. Stolz, ein Teil dieser langen Erfolgsgeschichte sein zu dürfen, und Demut in dem Wissen, ja nur einen vergleichsweise kleinen Teil begleitet zu haben. Außerdem wäre es der größte Fehler, sich auf dem Erreichten ausruhen zu wollen. Das gesamte Team ringt jeden Tag darum, Prozesse zu verbessern und sinnvolle Innovationen einzuführen. Erfolg muss man sich eben immer noch verdienen.

Das Familienunternehmen wurde von Generation zu Generation weitergeführt. Wie schwer wiegt die Verantwortung, dass die Unternehmensgeschichte auch über weitere Generationen fortgesetzt werden soll?

Ich bin dankbar, dass ich mir die Herausforderungen einer Gründungsphase ersparen durfte. Viele Türen standen mir von Anfang an offen. Ich habe auch viel von der Vorgeneration gelernt und hatte die Chance, meine generalistische Ausbildung nach der Entscheidung für das Unternehmen noch Richtung Immobilienbranche zu qualifizieren. Was meine Kinder mal machen, ist noch nicht absehbar. Ich werde die Entscheidung auch nicht beeinflussen. Wenn ich wegen einer Nachfolge von eins meiner Kinder gefragt werde, würde ich mich sicher sehr freuen.

Es spricht für sich, wenn sich ein Unternehmen mehr als ein Jahrhundert auf dem Markt behauptet. Aber wie schwierig ist es derzeit, auf dem Markt zu bestehen? Hat ein Traditionshaus noch den Stellenwert, den es früher hatte?

Das kommt drauf an. Als Inhaber eines gut eingeführten Unternehmens hat man natürlich ein Netzwerk, welches auch heute noch einen Teil des Erfolges absichert. Die Reputation und Empfehlungen stehen aber neben diversen Marketingkanälen, die es bei meiner Einstellung noch nicht einmal als Idee gab. Schade dabei ist, dass es heute scheinbar immer mehr darauf ankommt, was man dem Kunden erfolgreich suggeriert. Früher zählten mehr die Realtäten, die dann in Weiter-
empfehlungen mündeten.

Die Makelei hat sich über viele Jahrzehnte natürlich verändert. Was war damals besser als heute und umgekehrt?

Früher gab es in Kiel vielleicht zehn Maklerhäuser. Da war es die Kunst, für die unzähligen Immobilienangebote die Käufer zu finden. Die Angebote wurden noch eifrig in den Zeitungen inseriert, hauptsächlich aber wäschekörbeweise an Karteikunden verschickt. Teilweise hatten wir über 30 Mehrfamilienhäuser im Bestand. Die wollte damals keiner haben. Ich habe einmal einen Brief meines Opas an den hiesigen Pastor gefunden, indem er ihm zehn Villen in Düsternbrook — beste Lage in Kiel — zum Kauf anbot. Die Auswahl sieht heute leider etwas anders aus.

Heute haben wir in Kiel dutzende Makler und die Immobilienabteilungen der Banken. Dazu kommen überregionale Player, die mit viel Geld ausgestattet bisher lediglich Wachstumsziele verfolgen und mit teils — vornehm gesagt — schwierigen werblichen Aussagen Akquise um jeden Preis betreiben. Dem Kunden die fachlich belegten, mitunter weniger strahlenden, aber dafür ehrlichen Realitäten zu verkaufen, wird dadurch herausfordernder, bringt aber auch mehr Spaß. Meine Kunden mussten bisher noch nie in einen Kaktus greifen, weil jemand die gleiche Leistung wirklich billiger angeboten hätte.

Super finde ich, dass sich der Immobilienberuf und seine Ausbildung so stark positiv gewandelt haben.

Als ich als Diplom-Betriebswirt, Fachrichtung Immobilienwirtschaft, anfing und dann den Diplom-Sachverständigen draufsetzte, war ich ein absoluter Exot. Es gab zwar schon einige gut ausgebildete Makler und Hausverwalter. Das waren aber eher Juristen oder ähnliches. Heute gibt es eine große Fülle an Möglichkeiten, sich spezialisiert zu qualifizieren und weiterzubilden. Das tut dem Ansehen des Berufes so gut. Außerdem schaffen gute Immobilienprofis Mehrwerte, die unsere Kunden selbst nicht leisten können.

Immobilien können online besichtigt werden, was eine perfekte Vorselektion der Nachfrage ermöglicht. Jeder Käufer bekommt heute ein Rund-um-Sorglos-Paket mit perfekten Unterlagen für die Finanzierung an die Hand. So gute Transparenz über das Objekt der Begierde gab es früher fast nie. Der Herausforderung schlechter Unterlagen und falscher Angaben muss man sich heute eigentlich nur noch beim Kauf von Privat stellen.

Allerdings sind heute im Gegensatz zu damals die Angebote eher rar und die Zeit für eine Entscheidung wird durch andere Interessenten stark verkürzt.

Sie sehen: jede Zeit hat ihr Gutes und weniger Gutes. Schade ist, dass die Knappheit an Vermarktungsmöglichkeiten gerade Mitbewerber, die eher weniger fachlich begabt sind, zu teilweise unredlichen Verhalten animiert. Hier vermisse ich manchmal die Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns, denen man sich gerade als Makler verpflichtet fühlen sollte.

Nun soll endlich der Sachkundenachweis für Makler und Verwalter kommen. Er steht im Koalitionsvertrag und könnte wohl zügig auf den Weg gebracht werden. Was sagen Sie dazu?

Endlich kommt er! Der IVD und seine Vorgängerverbände setzen sich seit Jahrzehnten dafür ein. Ein Sach- und Fachkundenachweis ist auch dringend nötig. Mit den Jahren sind die Anforderungen an die Makler und Verwalter, aber auch an die Verbraucher gestiegen. Es stellen sich bei einem Immobilienverkauf oder -kauf jede Menge komplexe Fragen. Verbraucher sind einfach darauf angewiesen, dass sie bei ihrer meist größten Investition in ihrem Leben professionell und fachkundig beraten werden. Es geht um enorme Vermögenswerte. Die sollte man nicht in die Hände eines engagierten Laien geben.

Makler mit Eigentümern zusammenbringen!

Mit unserem Warmakquise Content Paket bekommst du Akquise-Werkzeuge an die Hand, um neue Aufträge zu generieren.

Eule

Wird die Branche damit professioneller?

Auf jeden Fall. Auch wenn ein Mitglied im IVD schon längst einen Fach- und Sachkundenachweis in Form einer Prüfung ablegen muss, um im Verband überhaupt aufgenommen zu werden. Das wünschen wir uns ja seit jeher als Berufszulassungsregelung für alle. Im Sommer 2017 hatte die Politik statt des echten Sachkundenachweises lediglich eine Fortbildungsverpflichtung für Makler- und Verwalter beschlossen. Das war quasi der erste Schritt zum echten Sachkundenachweis und hat natürlich auch schon zu mehr Professionalisierung beigetragen. Eine Weiterbildungsverpflichtung ist aber eben kein Sachkundenachweis.

Vor mehr als einem Jahr ist das neue Gesetz zur Verteilung der Maklerkosten in Kraft getreten. Wie kommt die Regelung in Ihrer Region an?

Nach einem Jahr Erfahrung mit der Neuregelung der Maklerprovision kann ich berichten, dass diese von den Verkäufern und Käufern in unserer Region auf große Akzeptanz stößt. Wir waren aber in Schleswig-Holstein ohnehin schon auf diesem Pfad. Die Teilung der Maklerkosten ist fair und wird auch von den Marktteilnehmern als gerecht betrachtet. Ich muss nicht mehr erklären, warum die Maklerkosten so oder so hoch sind, vielmehr kann ich jetzt meine Dienstleistung erklären. Ich bin ja grundsätzlich nicht für gesetzlich vorgeschriebene Beschränkungen, aber bei dem Maklergesetz und dem geplanten Sachkundenachweis bin ich ausnahmsweise einmal dafür.

Sie sind seit ziemlich genau 30 Jahren im Unternehmen. Wollten Sie eigentlich schon immer Immobilienmakler werden?

Nein, ganz sicher nicht. Ich hatte die gleichen Vorurteile gegen „Maklerfuzzies“ wie viele, die es nicht besser wissen oder die Falschen kennen. Ich hatte ein ganz ordentliches Abi und wollte nach dem Studium in die große weite Welt hinaus. Erst die Arbeit als Betriebsstudent hat mich langsam, dann aber sicher davon überzeugt, dass Immobilienunternehmer der schönste Beruf der Welt ist.

Was war Ihr größtes Glück — privat und beruflich?

Beides Mal meine Frau. Privat, da ich seit über dreißig Jahren eine verständnisvolle und kluge Partnerin habe, die mir die notwendigen Freiräume gibt, um mich frei entfalten zu können. Beruflich, weil sie in meinem Unternehmen mit die wichtigste Rolle spielt. Als ausgebildete Verwaltungsfachangestellte und Volljuristin hatte sie verständlicher Weise eigene Pläne. Trotzdem hat sie mich schon vor, aber auch nach der Geburt unserer Kinder im Finanzcontrolling und Personalwesen unterstützt.

Heute ist sie zusätzlich Diplom-Sachverständige und hat sich ohne Zögern zur WEG-Verwalterin weitergebildet, um personelle Engpässe auszugleichen und die Firma weiterzuentwickeln. Sie ist sich dabei für keine Aufgabe zu schade, die gerade ansteht, wenn sonst niemand zuständig ist. Außerdem ist sie die gute Seele der Firma mit viel Empathie für die Sorgen und Belange unseres tollen Teams. Frauen sind wahrscheinlich die besseren Chefs — und ich bin ein Glückspilz.

Sie sind auch stark ehrenamtlich engagiert. Neben Ihren Ämtern beim IVD-Bundesverband, beim IVD Nord und vormals RDM sind Sie Vizepräsident der IHK zu Kiel, Vorsitzender des IHK-Regionalbeirates für Kiel und den Kreis Plön, Sie sind IHK-Prüfer, Handelsrichter und Mitglied im Gutachterausschuss und der Mietspiegelkommission. Sie waren auch in jungen Jahren schon Sprecher der Wirtschaftsjunioren. Wie bekommen Sie Unternehmen und Ehrenamt unter einen Hut?

Das ist eine Frage der Organisation. Und ich habe gute Mitarbeiter, die es mir auch ermöglichen, mal woanders zu sein. Ich bin gern im Ehrenamt tätig. Ich lerne immer wieder interessante Persönlichkeiten kennen, die ebenso engagiert sind. Und genau solche Menschen sind es auch, mit denen ich mich gern austausche. Das bereichert mein Leben fachlich und menschlich ungemein.

Haben Sie neben all diesem Engagement noch Zeit für Hobbys?

Familie und Freunde — das sind meine Hobbys. Außerdem bin ich noch im Herren-Kochclub „leider lecker“. In der Vor-Corona-Zeit haben wir — 20 Männer — uns viermal im Jahr getroffen und unter fachlicher Anleitung Menüs für unsere Runde gezaubert. Einmal im Jahr kochen wir auf unserem Charity-Event für rund 200 Personen, die je 100 Euro für unsere kulinarischen Leckerbissen zu zahlen bereit sind. Das Geld kommt dann hauptsächlich Kinder-Hilfsprojekten in unserer Region zugute.

Warum der Zusatz „leider“?

Weil das Vorurteil, was dabei schon rauskommen soll, wenn anfangs zum Teil durchaus eher teilbegabte Männer kochen, mit dem Kommentar „leider (doch) lecker“ revidiert werden musste. Die Marke ist übrigens eingetragen. Es gibt schon „leider-lecker Wein“ und Gin, die sich in der Region sehr gut verkaufen. Kaufmann bleibt eben Kaufmann.

Was kochen Sie am liebsten? Stehen Sie sonntags in der Küche?

Meine Kinder mögen am liebsten Pulled Pork und Filet Wellington. Da beschäftige ich mich — gern mit Kochwein — stundenlang in der Küche. Zugegebenermaßen hat meine Frau recht, dass die Schlagzahl durchaus noch ausbaufähig wäre.