Unzulässige Untersagung des Abstellens eines E-Autos in der Tiefgarage durch die Eigentümerversammlung

26. Mai 2022


Die zwölfte Folge der Serie zur WEG-Reform mit neuer Rechtsprechung dient der Besprechung des Urteils des AG Wiesbaden vom 4. Februar 2022 – 92 C 2541/21. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob die Wohnungseigentümerversammlung einen Beschluss fassen kann, der das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt.

Von Rechtsanwalt Dr. jur. Marco Tyarks

Auf einer Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Hiergegen wendete sich die Klägerin, die Eigentümerin des Sondereigentums an einer Erdgeschosswohnung verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenstellpatz ist, mit einer Beschlussanfechtungsklage. Die Wohnung nebst Tiefgaragenstellplatz der Klägerin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vermietet. Der Mieter nutzte ein Hybrid-Fahrzeug, das er auf dem angemieteten Stellplatz in der Tiefgarage abstellte.

Sachverhalt und Entscheidung des Gerichts

Die Wohnungseigentümergemeinschaft führte zur Rechtfertigung der Beschlussfassung unter anderem an, es bestünde die Gefahr, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit denen Elektrofahrzeuge betrieben werden, entzünden. Komme es zu einem Brand, sei die Dauer des Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand.

Hinzu komme, dass ein Brand einer solchen Batterie — im Gegensatz zu einem Benzinbrand — nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne. Ein Elektrofahrzeug müsse im Brandfall durch die Feuerwehr in einen Con-tainer gezogen werden, um dort auszubrennen. Das Hineinfahren mit einem solchen Container sei in der Tiefgarage des Anwesens nicht möglich. Somit müsste in einem Brandfall das Elektroauto in der Tiefgarage ausbrennen, was eine nicht hinzunehmende Gefahr für das Gemeinschaftseigentum darstelle.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und erklärte die Beschlussfassung für ungültig. Der angegriffene Beschluss sei zwar nicht nichtig, verstoße aber gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, da er den gesetzlichen Anspruch eines jeden Wohnungseigentümers konterkariere, bauliche Maßnahmen zu verlangen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge diene (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG).

Denn — so das Gericht — es mache keinen Sinn, wenn der Eigentümer zwar vorgenannten Anspruch hätte, die Ladeinfrastruktur dann aber tatsächlich nicht nutzen könne, weil er das Elektroauto nicht in der Tiefgarage parken könne. Ob tatsächlich eine besondere Brandgefahr bestehe, könne nach Ansicht des Gerichts dahinstehen.

Rechtlicher Kontext und Bewertung der Entscheidung

Eines der gesetzgeberischen Ziele der WEG-Reform 2021 war die Förderung der Elektromobilität, die durch den Aufbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur innerhalb von Wohnungseigentumsgemeinschaften bewerkstelligt werden sollte.

Realisiert wurde dies durch die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen (des gemeinschaftlichen Eigentums) verlangen kann, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Dazu zählt insbesondere die Installation einer Ladestation. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber einen Anspruch des Mieters geschaffen, der (ebenso) verlangen kann, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen (§ 554 Abs. 1 BGB).

Die Wohnungseigentümer können zwar Benutzungsregelungen auch in Bezug auf die Benutzung einer Tiefgarage treffen, so dass grundsätzlich eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer besteht. Diese Benutzungsregelung muss indes ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. In der Tat konterkariert dabei eine Benutzungsregelung, die dem Wohnungseigentümer untersagt, die Tiefgarage mit einem E-Auto zu nutzen, eines der gesetzgeberischen Ziele der WEG-Reform, nämlich der Förderung der Elektromobilität.

Über die rechtlichen Folgen lässt sich jedoch streiten, unter anderem darüber ob ein solcher Benutzungsbeschluss

  • bereits nichtig ist, weil er eine ganze Fahrzeuggattung von der Benutzung der Tiefgarage ausschließt und hierdurch gegebenenfalls das Sondernutzungsrecht oder das Teileigentum an einem Tiefgaragenparkplatz aushöhlt,
  • der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf angemessene bauliche Veränderungen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen,
    zwingend entgegensteht, selbst wenn der anfechtende Wohnungseigentümer diesen Anspruch gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft noch gar nicht geltend gemacht hat, selbst dann keiner ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, wenn eine besondere Brandgefahr und etwaige bauliche Besonderheiten vorliegen, die einen Löscheinsatz erheblich erschweren würden,
  • nach Bestandskraft wieder durch einen Wohnungseigentümer beseitigt werden könnte, indem man ihm unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf einen entsprechenden (aufhebenden) Zweitbeschluss gewährt.

Insoweit wird erst die Zukunft Klarheit schaffen; gegebenenfalls ist hierzu eine klärende Entscheidung des Bundesgerichtshofs nötig.

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Eule

 

Auswirkungen auf die Praxis

Eine Vielzahl von Fragen rund um die Elektromobilität innerhalb von Wohnungseigentumsanlagen wird die Gerichte in Zukunft noch häufiger beschäftigen. Und auch, ob die Rechtsauffassung des AG Wiesbaden sich in Gänze auf Dauer durchsetzen wird, muss sich erst noch zeigen.

 

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