Urbane Gebiete – Praxis offenbart Schwachstellen

29. Mai 2018


Vor der Einführung der neuen Nutzungskategorie der „Urbanen Gebiete“ in die Baunutzungsverordnung wurde in der Fachwelt über die Chancen und Risiken dieses neuen Instruments kontrovers debattiert. Dabei sind sich nicht nur die Bürgermeister und Stadtplaner darüber einig, dass das Leitbild der funktionsgetrennten Stadt schon lange ausgedient hat. Von Michael Klotz

Stattdessen wird eine gemischte und kompakte Stadt propagiert, die durch das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten zur hohen Lebensqualität der Bewohner beitragen soll.

Mit der Nutzungskategorie der „Urbanen Gebiete“ sollte dieses Nebeneinander einfacher möglich werden, als es in den bekannten Kategorien der „Kern-“ oder Mischgebiete“ der Fall war. Die Begrenzung der unterschiedlichen Nutzungsanteile und gerade die Anforderungen an den Lärmschutz machten die Überplanung von innerstädtischen Bereichen und deren Ränder in der Praxis bisher immer wieder zur Herausforderung. Hier sollte das „Urbane Gebiet“ mehr Flexibilität bieten und sich näher an den tatsächlichen Nachfragerwünschen orientieren. Dafür wurde in dem Katalog der zulässigen Nutzungen ein breites Spektrum an Nutzungen zugelassen und eine bauliche Dichte ermöglicht, die in etwa den gründerzeitlichen Quartieren (GRZ von 0,8 und GFZ von 3,0) entspricht.

Fast ein Jahr ist die Änderung der Baunutzungsverordnung nun in Kraft, und die Kommunen hatten Zeit, sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der neuen Nutzungskategorie auseinanderzusetzen. Erste Bebauungspläne weisen inzwischen „Urbane Gebiete“ aus. In Hamburg wird zum Beispiel mit dem Bebauungsplanentwurf „Hafencity 13“ ein Quartier entwickelt, das eine Mischung aus „Kerngebiet“ und „Urbanen Gebiet“ nutzt, um einen attraktiven Mix aus Wohnungen, Büros und Einkaufsflächen zu realisieren. Hier bietet die neue Nutzungskategorie die Chance, einen höheren Anteil an Wohnnutzungen vorzusehen, als es in den „Kerngebieten“ zulässig wäre. Zudem kann durch den gezielten Ausschluss von Wohnnutzungen in relevanten Erdgeschosszonen der „Urbanen Gebiete“ die Vielfalt und Publikumswirksamkeit im Quartier sichergestellt werden.

Die Praxis zeigt somit, dass das Ziel einer stärkeren Nutzungsmischung in den Quartieren durch die Novelle der Baunutzungsverordnung durchaus gelingen kann. Das Beispiel aus Hamburg zeigt aber auch, dass die Herausforderungen beim Lärmschutz trotz der für „Urbane Gebiete“ gewählten zulässigen Lärmpegel nicht gelöst sind. So wurde zwar in der TA Lärm die Immissionsrichtwerte am Tag mit 63 dB(A) ein Wert zwischen Gewerbegebiet und Kern- bzw. Mischgebiet gewählt, aber bereits bei dem Immissionsrichtwert für die Nacht sind lediglich die aus Mischgebieten bekannten 45dB(A) übernommen worden. Man mag sich wegen des fehlenden Mutes an dieser Stelle ärgern, aber zumindest hat der Gesetzgeber hier klare Regelungen geschaffen. Bereits der Blick in die nicht weniger relevante Verkehrslärmschutzverordnung beweist, dass hier die neue Nutzungskategorie der „Urbanen Gebiete“ noch gar nicht angekommen ist.

In den Kommunen werden aber auch noch andere Probleme deutlich, die die Anwendung der „Urbanen Gebiete“ teilweise erheblich einschränken. Durch den Ausschluss von großflächigem Einzelhandel fallen viele der potentiellen Flächen von vornherein durch das Raster, da sich gerade an den Innenstadträndern oftmals Discounter angesiedelt haben. Eine städtebauliche Nachverdichtungen mit Hilfe der „Urbanen Gebiete“ ist dort von vornherein ausgeschlossen. Genauso wenig lassen sich „Urbane Gebiete“ bei schwierigen Gemengelagen in der Nähe von Industrie, Hafen- oder störenden Gewerbenutzungen realisieren. Hier setzt die TA Lärm Grenzen, indem sie die Möglichkeiten des passiven Schallschutzes noch immer nicht berücksichtigt und ausschließlich auf den Außenpegel in 0,5 m Abstand vor der Fassade abstellt. All das sind Hindernisse, die vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungsmärkte nicht akzeptiert werden sollten. Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf.