Verkauf selbstgenutzter Wohnungen in bestimmten Fällen steuerfrei

30. Dezember 2019


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 3. September 2019 (Az. IX R 10/19) die Rechtsprechung geändert und damit den Verkauf von Eigentumswohnungen erleichtert.

Von Hans-Joachim Beck

Die Veräußerung einer Immobilie des Privatvermögens ist normalerweise steuerpflichtig, wenn der Verkauf innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung stattfindet. Maßgeblich für die Berechnung der Frist sind die beiden notariellen Kaufverträge, nicht der Lastenwechsel und auch nicht die Umschreibung im Grundbuch.

Eine Ausnahme gilt gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn es sich bei der Immobilie um die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung handelt. Hier gibt es zwei Alternativen, in denen der Gewinn steuerfrei bleibt.

Alternative 1

Der Veräußerungsgewinn ist steuerfrei, wenn die Wohnung zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Dies ist der Fall, wenn die Wohnung niemals vermietet war. In diesem Fall kommt es auf die Haltedauer nicht an. Der Gewinn ist auch dann steuerfrei, wenn die Wohnung nach kurzer Zeit wieder verkauft wird.

Beispiel: A kauft im Mai 2019 eine leerstehende Eigentumswohnung. Er zieht mit seiner Familie in die Wohnung ein. Am 6. November 2019 verkauft er die Wohnung wieder. Lösung: Da A die Wohnung zu keiner Zeit vermietet hat, sondern sie die gesamte Zeit ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, ist der Veräußerungsgewinn steuerfrei.

Alternative 2

Außerdem ist der Veräußerungsgewinn auch dann steuerfrei, wenn die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. In der Praxis handelt es sich um Wohnungen, die bei dem Erwerb zunächst vermietet waren.
Die Auslegung dieser Formulierung macht Schwierigkeiten. Die Finanzverwaltung hat diese Regelung in ihrem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 5. Oktober 2000 in Rz. 25 dahingehend ausgelegt, dass es sich dabei zwar nicht um volle Jahre handeln muss, dass aber die Selbstnutzung bis zur Veräußerung ununterbrochen angedauert haben muss. Nur im mittleren Jahr müsse die Wohnung während des gesamten Jahres selbstgenutzt werden. Bei dem Erstjahr genüge es, wenn die Wohnung am letzten Tag des Jahre zu eigenen Wohnzwecken selbstgenutzt werde; in dem dritten Jahr müsse die Selbstnutzung aber bis zum Verkauf andauern, da nur dann eine ununterbrochene Selbstnutzung vorliege. Wurde die Wohnung vor der Veräußerung noch vermietet, so war dies nach Ansicht der Finanzverwaltung schädlich und führte zur Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns. Hiervon ist der BFH mit seinem Urteil vom 3. September 2019 zugunsten der Steuerpflichtigen abgerückt. Nach dieser Entscheidung ist es unschädlich, wenn die Wohnung vor der Veräußerung vermietet wurde.

Beispiel: A hat die Wohnung im Jahre 2017 gekauft. Sie war zunächst noch vermietet. Nach Auszug der Mieter zieht A mit seiner Familie am 10. Dezember 2017 in die Wohnung ein. Zum 1. Februar 2019 zieht er aus und vermietet die Wohnung wieder. Mit Vertrag vom 20. August 2019 verkauft er die Wohnung.

Lösung: Nach Ansicht der Finanzverwaltung hätte die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns vorausgesetzt, dass A die Wohnung bis zur Veräußerung selbst nutzt. Zwar müsse die Selbstnutzung nicht drei volle Jahre dauern, sie müsse aber bis zum Verkauf ununterbrochen angedauert haben, so dass eine Vermietung vor dem Verkauf zur Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns führe. Dieser Ansicht ist der BFH nicht gefolgt. Nach seiner Ansicht setzt die Steuerfreiheit der Veräußerung lediglich voraus, dass „ein zusammenhängender Zeitraum der Selbstnutzung vorliegt, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt. Lediglich in dem mittleren Jahr muss die Selbstnutzung während des gesamten Jahres angedauert haben. Im zweiten Jahr vor der Veräußerung muss die Wohnung nur am letzten Tag zu eigenen Wohnzwecken selbstgenutzt worden sein und im Jahr der Veräußerung nur an dem ersten Tag.
Ergebnis: Der Veräußerungsgewinn ist steuerfrei, obwohl A die Wohnung innerhalb der „Spekulationsfrist“ des § 23 EStG verkauft hat, weil er die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken selbstgenutzt hat. Dass er die Wohnung vor dem Verkauf vermietet hat, ist unschädlich.

 

 

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