Versteuerung nicht eingegangener Gewerbemieten

30. Juni 2020


Aufgrund der Corona-Krise zahlen viele Mieter ihre Miete nicht vertragsgemäß. Dies gilt insbesondere für Gewerbemieter im Einzelhandel, der Gastronomie und im Beherbergungsgewerbe. Steuerlich stellt sich für die Vermieter die Frage, ob sie der Besteuerung die vertraglich geschuldete Miete unterwerfen müssen, auch wenn sie diese nicht bekommen. Hier ein Überblick über die Sachlage.

Von Hans-Joachim Beck

Umsatzsteuer

Von besonderer Bedeutung ist dies, wenn der Vermieter auf die Umsatzsteuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet hat. Denn wenn er in seiner Umsatzsteuervoranmeldung auch die Mieten erklären muss, die er nicht erhalten hat, kommt er schnell in Liquiditätsprobleme.

Das Prinzip der Sollversteuerung

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG gilt im Umsatzsteuerrecht der Grundsatz der Sollversteuerung. Danach entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde (Abschn. 13.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Dabei ist unter Leistung nicht die Zahlung der Miete, sondern die Überlassung der gemieteten Räume durch den Vermieter zu verstehen. Nach diesem Prinzip muss der Vermieter in seiner Umsatzsteuervoranmeldung die vertraglich geschuldete Miete angeben. Die darauf entfallende Umsatzsteuer muss er auch dann zahlen, wenn der Mieter seine Miete nicht gezahlt hat.

Zwar kennt das Umsatzsteuerrecht auch die sogenannte Istbesteuerung. Danach sind die Entgelte der Umsatzsteuer nur insoweit zu unterwerfen sind, wie sie tatsächlich vereinnahmt worden sind. Die Istversteuerung kann aber gemäß § 20 UStG auf Antrag nur gestattet werden, wenn der Gesamtumsatz im vergangenen Jahr nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat oder soweit es sich um Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt. Überschreitet ein Vermieter die Umsatzgrenze von 500.000 Euro, ist daher für ihn zwingend die Sollversteuerung anzuwenden.

Kürzung der Sollmiete gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG

Meines Erachtens ist der Vermieter jedoch berechtigt, in seiner Umsatzsteuervoranmeldung die — eigentlich anzugebende — vertraglich vereinbarte Miete (Sollmiete) um den Betrag zu kürzen, den der Mieter nicht gezahlt hat. Voraussetzung ist, dass er seinen Anspruch auf diese Miete aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auf absehbare Zeit voraussichtlich nicht durchsetzen kann. Rechtsgrundlage hierfür ist die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Die Vorschrift ist eigentlich für den Fall gedacht, dass eine Forderung nachträglich uneinbringlich wird. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Forderung uneinbringlich wird (UStAE § 17.1 Abs. 2 Satz 1). Dies ist normalerweise ein späterer Zeitraum, in dem sich herausstellt, dass die Forderung uneinbringlich ist. Mit Urteil vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) hat der BFH jedoch entschieden, dass eine Steuerberichtigung nach § 17 UStG bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen muss, dass er zumindest für einen längeren Zeitraum seine Forderung nicht durchsetzen kann. Eine Berichtigung nach § 17 UStG ist außerdem insoweit möglich, wie der Schuldner das Bestehen und die Höhe des Anspruchs substantiiert bestreitet (BFH, Urteil vom 31.5.2001, V R 71/99; vgl. UStAE § 17.1 Abs. 5 Satz 4).

Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Gewerbemieter seine Miete wegen der Corona-Krise nur teilweise oder gar nicht zahlt. Denn zum einen muss der Vermieter befürchten, dass der Gewerbemieter zahlungsunfähig wird und seine Forderung deshalb aus tatsächlichen Gründen uneinbringlich wird. Zum anderen muss er damit rechnen, dass der Mieter sich auf die Vorschrift des § 313 BGB beruft und verlangt, dass das wirtschaftliche Risiko der Corona-Krise wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage zwischen dem Mieter und dem Vermieter fair aufgeteilt wird. Zwar ist die Rechtslage insofern noch nicht geklärt. Wahrscheinlich hat der Mieter nur einen Anspruch auf Anpassung der Miethöhe, wenn ihm der Betrieb seines Geschäfts durch behördliche Anordnung untersagt ist. Für die Anwendung des § 17 UStG ist diese rechtliche Situation meines Erachtens aber ausreichend, weil der Vermieter damit rechnen muss, dass der Mieter die einbehaltene Miete nicht freiwillig nachzahlt, sondern seinen Rechtsanspruch bestreiten wird. Wie der BFH entschieden hat, ist ein Unternehmer nicht verpflichtet, die Umsatzsteuer für einen längeren Zeitraum vorzufinanzieren.

Im Ergebnis ist der Vermieter deshalb berechtigt, in seiner Umsatzsteuervoranmeldung lediglich die Gewerbemieten anzugeben, die von den Mietern tatsächlich gezahlt worden sind. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte er die Berechnung allerdings offenlegen.

Ertragsteuern

Überschussrechnung

Ein ähnliches Problem stellt sich bei den Ertragsteuern. Allerdings wird das Problem hier letztlich erst bei Ermittlung des Gewinns und Aufstellung der Steuererklärung nach Ablauf des Jahres 2020 aktuell.

Wenn der Vermieter seine Einkünfte aus der Vermietung durch eine Überschussrechnung ermittelt, etwa weil sie der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind, ist die Rechtslage einfach. Denn in diesem Fall gilt die Regelung des § 11 Abs. 1 EStG, nach der nur die Einnahmen steuerlich zu erfassen sind, die dem Vermieter tatsächlich zugeflossen sind. Dies entspricht der Istversteuerung im Umsatzsteuerrecht.

Der bilanzierende Kaufmann

Wenn der Vermieter die Vermietungseinkünfte dagegen durch Aufstellung einer Bilanz ermittelt, sind grundsätzlich sämtliche Forderungen zu erfassen, auch wenn sie nicht bezahlt worden sind. Bei dieser Form der Gewinnermittlung kommt es also — wie bei der Sollversteuerung — nicht darauf an, ob der Mieter seine Miete bezahlt hat. Allerdings dürfen nach den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen Forderungen nicht aktiviert werden, soweit sie bestritten werden. Ob der Gewerbemieter, dem durch behördlicher Anordnung die Öffnung seines Geschäftslokals untersagt ist, gemäß § 313 BGB Anspruch darauf hat, dass der Vermieter einer Herabsetzung der Miete wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage zustimmt, ist bisher noch ungeklärt. Die Zweifel an dem Bestehen des Anspruchs reichen meines Erachtens aber dafür aus, dass der Vermieter die Mietforderungen insofern nicht aktivieren muss.

 

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