Verzettelung im Digitalzeitalter

4. April 2019


#AIZ-PopUp: Haben Sie eine Strategie? Oder taumeln Sie auch durch den digitalen Wandel?

„Alles glänzt so schön neu, wenn’s dir nicht gefällt, mach neu“, sang Peter Fox und meinte damit gar nicht einmal den digitalen Wandel, sondern den zyklisch immer wieder aufflammenden Drang nach Veränderung. Was heute neu ist, ist morgen alt. Und so rennen wir oft auch bei der Digitalisierung vielen Innovationen hinterher, um sie morgen schon wieder zu verwerfen. Was meist fehlt: eine klare Strategie.

Von Jan Kricheldorf

Dass ständig etwas Neues kommt, sorgt bei vielen Unternehmern nicht gerade für strategisch sinnvolles Handeln. Es wird ausprobiert, was das Zeug hält. Wer will schon abgehängt werden? Doch nicht allen digitalen Trends lohnt es sich, blind hinterherzulaufen. Das Taumeln durch die digitale Transformation verursacht Rauscherlebnisse und einigen Schwindel, vor allem viel Orientierungslosigkeit. Der leidgeplagte Kleinunternehmer frustriert sich am Durchprobieren. Was fehlt sind ein System und die dazugehörige Strategie.

Immer wieder treffe ich in meiner täglichen Praxis auf Unternehmer, die zwar eine hohe Bereitschaft haben, sich mit der digitalen Markenbildung auseinanderzusetzen, sich dabei aber heillos verzetteln. Die Digitalisierung ist zu komplex, als dass man sie sich auf Basis von ein paar „Buzzwords“, die durch die Branche fliegen, zusammenklicken könnte. So werden digitale Werkzeuge und Software oft gebucht, aufgrund von Marketing-Aussagen, ohne dass das Prinzip dahinter eigentlich richtig verstanden wird. Ein Beispiel gefällig? Landingpages.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass man mit eigens für Immobilien hergestellten Seiten bei der Vermarktung einen Mehrwert erzielen kann und die Hochwertigkeit der Immobilie gegenüber dem Eigentümer betont wird. Alles schön und gut, nur haben wir derzeit in den meisten Regionen Deutschlands den Engpass nicht gerade bei der Vermarktung. Und ob der Eigentümer tatsächlich genau in der Immobilien-Landingpage das Alleinstellungsmerkmal erkennt, das ihn daran hindert, die Immobilien privat in einem Portal einzustellen, darf bezweifelt werden. Wer strategisch handelt, wird hingegen erkannt haben, dass die Stärke darin liegt, Zielgruppe auf die eigenen Seiten zu ziehen und nicht Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen, die dann auch jeweils noch extra gepflegt werden wollen.

Wer Immobilien vermarktet, ist das, was wir in der Agentur-Sprache als „Content-Owner“ bezeichnen. Er besitzt einen wichtigen oder wertvollen Inhalt und sitzt damit gegenüber allen anderen am längeren Hebel. Denn der Content-Owner entscheidet, wer, wo und wie dieser wertvolle Inhalt verwertet wird. Aus diesem Grund sollten die Informationen über Immobilien auf Portalen immer rudimentär bleiben, damit die hohe Nachfrage von dort auf die eigene Webseite geroutet werden kann. Denn wer eine Immobilie sucht, will sich über die wenigen Angebote, die es derzeit an den Märkten gibt, umfassend informieren können. Also bitte immer zuerst auf meiner Seite und nicht den Seiten anderer. Über API-gesteuerte Immobilienübertragung ist das jetzt möglich und wird über kurz oder lang dafür sorgen, dass die Immobilien-Landingpage abgelöst wird.

Die API (Application Programming Interface) ist nichts kompliziertes. Es ist eine Schnittstelle, die Direktkommunikation ermöglicht und dadurch verschiedene Anwendungen miteinander verbinden kann. Im dargestellten Fall des Immobilienmarketings ermöglicht die API anders als der weit verbreitete OpenImmo-Standard den Direktzugriff auf die CRM-Software. Das bedeutet, dass Webseite und CRM miteinander sprechen können. Wird auf der Webseite der Haken beim Widerrufsrecht gesetzt, geschieht das auch zeitgleich in der Maklersoftware. Dadurch können Anfragen aus dem Immobilienportal über die CRM direkt auf die eigene Webseite weitergeleitet werden. Dort erzeugen die Nachfrager hohe Verweildauern und viele Seitenaufrufe. Ein super Gewinn für die Relevanz von sonst besucherarmen Internet-Dependancen von Immobilienunternehmen. Dasselbe gilt übrigens auch für die Darstellung von Neubau-Projekten. Warum auf eine externe Seite verweisen, wenn ich von dem Traffic, der durch die Nachfrager ausgelöst wird, direkt profitieren kann? Noch einmal: Alle Marketingaktivitäten – egal ob Verkauf oder Einkauf müssen für die eigene digitale Markenbildung genutzt werden. Alles andere ist Verzettelung und schafft Abhängigkeiten, die Sie nicht wollen.

Vergessen Sie bitte auch die Zergliederung in tausend Unterseiten, Mehrsprachigkeit sowie nutzlose Pixelschieberei und Keyword-Blasen wenn es um Ihre Webseite geht. Auch das zählt zu den digitalen Verzettelungen, die unfassbar viel Zeit binden, aber kaum Mehrwerte bringen.

In Ihrem Markenkern hat sich trotz des digitalen Wandels nichts verändert: Es geht immer noch um Menschen mit menschlichen Problem und Nöten, die Sie kommunikativ erreichen müssen. Immer noch geht es um Empfehlungen und lokale Expertise. Ihre analoge Strategie, die sich in Vergangenheit bewährt hat, muss lediglich übersetzt und in eine Digitalstrategie überführt werden. Nur so werden Sie in den Wirren des digitalen Wandels Übersicht und Ruhe bewahren und gleichzeitig am Puls der Zeit bleiben können.

Illustration: BrianAJackson /Depositphotos.com / Wordliner GmbH