Vom Video über die Immobilienbranche zum Glück

29. Dezember 2021


Meine Leidenschaft für die Immobilienbranche begann 2009 mit einem Kaltakquise-Anruf. Die Agentur war noch kein Jahr alt und wir belieferten Berliner Radiosender mit Videos. Das war lausig bezahlt und ich überlegte, wo uns mehr Wertschätzung zuteilwerden könnte.

Von Jan Kricheldorf

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Immobilienscout war damals schon ziemlich etabliert am Markt und eine digitale Erfolgsgeschichte. Es war ein bisschen naiv von mir zu glauben, ich könnte einfach bei der Hotline anrufen und unsere Dienstleistungen anbieten. Aber genau das tat ich 2009. Es mag Zufall gewesen sein oder meine Dreistheit wurde belohnt, als ich sagte: „Ihr braucht Videos“ und die Callcenter-Agentin antwortete: „Stimmt.“

Sie stellte mich direkt ins Marketing durch. Es kam zu einem Meeting, ich war ziemlich beeindruckt, wie ein digitales Unternehmen analog funktioniert. Jung, innovativ, kreativ,
flache Hierarchien, hohe Identifikation der Mitarbeiter mit der Marke. Wow.

Videos für Makler

Der damalige Marketing-Chef Volker Wohlfarth fragte mich, was ich von YouTube halte. Die Plattform war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal vier Jahre alt und gehörte noch nicht zu Google. Das iPhone 3GS hatte gerade neue Maßstäbe gesetzt mit der integrierten Kamera. Laienvideos poppten massenhaft auf. Videos lagen schwer im Trend, auch weil sie nach Erfindung der H265-Komprimierung im Internet ruckelfrei und in HD abgespielt werden konnten. Wir begeisterten uns an diesen Entwicklungen, und Volker Wohlfarth erzählte mir von seiner Idee, für Makler einen Videokanal zu schaffen und über herausragende Maklerbüros zu berichten. Dabei lag der Fokus noch nicht einmal auf digitalen Maklerbüros, das kam erst später.

Der erste Videobeitrag, den wir drehten, beleuchtete die Akquise-Marketingmethode „Farming“. Wir flogen nach München und interviewten Professor Stephan Kippes. Aus heutiger Sicht schwer vorstellbar: Die Akquise-Tätigkeiten von Maklern reduzierten sich noch überwiegend auf Zeitungswerbung. Das Verteilen von Farmingkarten — wie in den USA üblich — war vor zwölf Jahren in vielen Maklerbüros noch ein Novum. Es war gar nicht nötig, die eigene Dienstleistung so stark in der eigenen Nachbarschaft zu kommunizieren, weil es noch genügend Aufträge gab. In vielen Regionen war der Verkauf zu diesem Zeitpunkt der größere Schmerzpunkt.

Neue Trends und neue Selbstverständlichkeiten

Ich identifizierte mich immer mehr mit den Themen und Sorgen der Immobilienvermittler und war, nein, bin bis heute fasziniert davon, wie ein vergleichsweise einfacher Vorgang wie der Wechsel einer Immobilie von einem Eigentümer zu einem anderen im Detail so komplex sein kann. So konnte ich gar nicht anders, als gegen die stereotypischen Bilder der Branche anzukämpfen und ein anderes Bild zu vermitteln.

Es lief gut. Wir hatten einen Trend getroffen und waren nahezu allein als Anbieter. Nur eine Sache beunruhigte mich: Wenn uns Kunden anriefen und fragten, ob man das Video, das wir in HD-Qualität ausgeliefert hatten von 150 MB auf 3 MB herunterkomprimieren könne. Es sei zu groß für den Versand per Mail. Ich musste erkennen, dass die digitalen Selbstverständlichkeiten, von denen wir ausgingen, ganz und gar nicht selbstverständlich waren. In Leidenschaft steckt eben auch Leiden. Der digitale Wandel stellte die Maklerunternehmen neben dem politischen Druck noch einmal vor gewaltige Herausforderungen.

Lösungen für Kleinunternehmen und einen diversen Markt

Ich nahm mir Zeit, schaute mir die Webseiten unserer Kunden genauer an. Eine ernüchternde Erfahrung in mehrfacher Hinsicht. Denn die Seiten waren nicht nur ungeeignet,
um darin Videos sinnvoll zu platzieren, sondern kamen über den Anspruch einer Visitenkarte selten hinaus. Das war 2014 und fiel in eine Zeit, als in den Metropolen die Auftrags-
gewinnung schon schwerer fiel und die ersten Leadhändler wie Homeday auf der Bildfläche erschienen. Es reizte mich sehr, Lösungen zu finden für Kleinunternehmen und mich dafür einzusetzen, den Markt divers zu halten. Ich suchte nach Partnern, mit denen wir Webseiten so bauen konnten, dass Videos zielgruppengerecht eingesetzt werden könnten. Überhaupt wollten wir die Webauftritte konzeptionell überarbeiten und inhaltlich optimieren. So kam es zu einer ersten Kooperation mit einem kleinen Webseiten-Büro, die, wie gewünscht, Seiten für unsere Kunden umsetzen konnten. Wir waren Greenhorns, verließen unsere Komfortzone und machten Fehler. Aber loslassen wollte ich auch nicht mehr.

Leiden für die Leidenschaft

Seitdem hat sich viel getan, die Neuerungen und Veränderungen laufen rasend schnell. Heute reden wir über digitales Farming, über dynamische Webseiten und API-gesteuerte Immobilienvermarktung. Wir sind in der Lage, Maklerunternehmen digital zu ertüchtigen und professionelle Infrastrukturen zu schaffen, die digital nachhaltig sind. Wir reden
heute über digitale Kommunikation in der Immobilienbranche, über die Vor- und Nachteile von Aktiv- und Passiv-Marketing, Content- und Suchmaschinen-Marketing. Wir differenzieren, tracken, messen, steuern nach, verändern, justieren. Das alles bereitet mir große Freude, auch wenn ich zwischendurch viel leiden muss. Es ist eben meine Leidenschaft. Und genau deswegen kann ich mit Gewissheit sagen, dass das auch für die kommenden Jahre gelten wird.

 

Illustration: Wordliner GmbH, alexkladoff/istock.com/alphaspirit/Depositphotos.com