Was die Immobilienwirtschaft zu erwarten hat

3. Juni 2020


Die derzeitige Corona-Krise hat schon jetzt massive Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Viele Firmen durchleben eine existenzielle Krise. Auch die Immobilienwirtschaft ist davon betroffen. Obwohl sie sich bis jetzt noch relativ robust zeigt. Aber vermutlich wird das nicht so bleiben.

Von Prof. Dr. Heinz Rehkugler

Es ist mutig — oder ehrlicher gesagt: vermessen, heute schon halbwegs verlässlich beurteilen zu wollen, welche Folgen die Corona-Pandemie für die Immobilienwirtschaft haben wird. Denn noch sind — nach einer sehr kurzen viermonatigen Historie seit dem erstmaligen Auftreten der Krankheit — das mögliche Ausmaß des Krankheitsverlaufs, der Verbreitungsdauer, der Zahl der sich Infizierenden und daran Sterbenden und, als erhoffter spätester Endpunkt, die baldige Verfügbarkeit von Impfstoff weder national noch weltweit auch nur im Ansatz absehbar. Damit bewegen sich aber auch Einschätzungen zum Umfang und der Dauer der von den Staaten für notwendig erachteten Maßnahmen zur Reduzierung der Kontakt- und Ansteckungsmöglichkeiten und — daraus folgend — deren Störungswirkung auf die Funktionsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsprozesses und die durch die Globalisierung zunehmend vernetzten Wertschöpfungsketten weitgehend im spekulativen Bereich. Heutige Positionen und Informationen mögen schon bis zum Erscheinen dieses Heftes, erst recht nach einigen Monaten Makulatur, sein.

Zwei Fraktionen

Offenbar bilden sich unter den Fachleuten — und wer will hierzu keiner sein — zwei Fraktionen heraus:

  • Die Optimisten sehen die Pandemie medizinisch wie ökonomisch als einen sehr kurzen „Spuk“, der schon in Bälde eingehegt sei und der daher auch nur einen zwar kräftigen, aber recht kurzen Einschnitt in die Wirtschaftsleistung der Staaten verursache, der schnell wieder aufgeholt sei und längerfristig weitgehend folgenlos bleibe (die V-Variante).
  • Die Skeptiker (oder Realisten?) orientieren sich an der „westlichen“ Variante des Umgangs der Staaten mit der Krise, die — mit hoher Dominanz auf die begrenzte Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme — durch das Social Distancing die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen versucht. Dies wird erkauft durch eine Streckung des Ausbreitungsprozesses, die bis weit in den Herbst des Jahres oder gar das nächste Jahr hineinreichen könnte. Das wird dann wohl kaum ohne begleitende beschränkende Maßnahmen funktionieren. Die doppelte negative Wirkung des gleichzeitigen Angebots- und Nachfrageschocks auf die Wirtschaftsleistung wird damit vermutlich deutlich länger anhalten. Daher leiten sich hieraus Schätzungen des BIP-Rückgangs für Deutschland und andere betroffene Länder zwischen 5 und 20 Prozent ab, der mindestens so heftig wie durch die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise ausfällt, damit nicht auf 2020 begrenzt ist, sondern mit zögerlichem Anstieg erst in späteren Jahren wieder zu einer Erholung der Wirtschaftskraft führen könnte (die U-Variante).

Kurz: Die möglichen Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft sind unmittelbar daran geknüpft, welche dieser Varianten für plausibler gehalten wird. Auch hier streuen die Positionen in Institutsanalysen und Branchenumfragen von „uns wird das kaum treffen“ bis „schwere und längerfristige Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt“ und differenzieren stark nach Teilbranchen. Die schnellste direkte Auswirkung wird, das ist jetzt schon evident, bei vielen transaktionsbezogenen Aktivitäten zu spüren sein. Krisensituationen lösen Neubewertungen von anstehenden Entscheidungen und von Risiken aus. Dies führt zu einem Hinausschieben von Kauf-, Verkauf- und Anmietentscheidungen. Das werden Makler, aber auch Projektentwickler im Wohnungs- wie im Gewerbebereich, in ihren Umsätzen signifikant spüren. Immobilieneigentümer werden auch schnell die indirekte Wirkung durch Miet- und Pachtausfälle zu erleiden haben, wenn ihre privaten und gewerblichen Nutzer, weil deren Einkommen durch die Kontaktsperremaßnahmen weggebrochen ist, ihrerseits in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Der Gesetzgeber hat hier mit erheblich reduzierten Sanktionsmöglichkeiten bei Verzug einen erheblichen Teil dieses Risikos den Immobilieneigentümern zugeschoben. Je nach Marktmacht wird der Druck der Mieter auf ein Entgegenkommen die Vermieter noch zu darüberhinausgehenden Zugeständnissen drängen. Auch hier wird die Dauer der Krise (der Krankheitsverläufe und der staatlichen Begrenzungsmaßnahmen) wesentlich die daraus entstehende Gesamtbelastung bestimmen.

Auf längere Frist wird entscheidend sein, wie ein zu erwartender Einbruch der Wirtschaftsleistung mit steigenden Arbeitslosen und Insolvenzzahlen und gedämpfter Einkommensentwicklung auf die Nutzernachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen durchschlagen wird. In den Segmenten des Non Food-Einzelhandels und des Hotel- und Gaststättengewerbes wären Rückgänge in Flächen und Mietpreisen nicht überraschend. Die Nachfrage nach Büroflächen wird auch durch die während der Kontaktsperremaßnahmen von den Unternehmen gemachten Erfahrungen mit der Nutzung von Home-Office geprägt werden. Beim Bereich Wohnen könnte eher eine aufgrund der Einkommensentwicklung gebremste Zahlungsbereitschaft die Nachfrage in höheren Preissegmenten drücken.

Am Investmentmarkt könnten zwei gegenläufige Kräfte wirksam werden. Zum einen wird, sollten längerfristig die Erwartungen für Mietsteigerungen reduziert sein, eine entsprechende Neubewertung der dann angemessenen Preise zu erwarten sein. Zwar wird der Basiszins der EZB auf absehbare Zeit nicht steigen, aber die Finanziers/Investoren dürften höhere Risikoprämien fordern. Die Nachfrage der privaten Investoren dürfte insgesamt eher zurückgehen. Diesem negativen Preiseinfluss steht zum andern gegenüber, dass die großen institutionellen Investoren möglicherweise die Immobilie nun erst recht als die gegenüber anderen Assetklassen in der Stabilität überlegene Anlagevariante einstufen. Das käme insbesondere Core-Immobilien zugute.

Die Zukunft wird zeigen, wie vermessen dieser Versuch war, die möglichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Immobilienwirtschaft auch nur in der groben Tendenz abzuschätzen.

 

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