Was digitales Farming verspricht, hält das analoge Marketing

30. April 2019


Was genau ist eigentlich Farming? Wer bei Wikipedia nachschaut, findet ungefähr ein halbes Dutzend Begriffe, die alle etwas mit Ackerbau und Viehzucht zu tun haben. Das Farming für Immobilienmakler wird auch dort hergeleitet, denn es dient zur Unterscheidung des nomadisierenden Maklers, der regelmäßig an neuen Standorten Gelegenheiten sucht, gegenüber dem sesshaften Kollegen, der sich auf ein Gebiet oder eine eng umrissene Zielgruppe konzentriert.

Von Werner Berghaus

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Dabei ist Farming keineswegs eine neue Marketing-Spielart oder ein „neuer Trend aus den USA“, sondern die logische Konsequenz der knappen Ressourcen. Makler haben das gleiche Problem wie Ärzte oder Rechtsanwälte, denn jeder kommt grundsätzlich als Kunde, Patient oder Klient in Frage, man weiß nur nicht wann es passiert. Deshalb müssen diese Berufsgruppen kontinuierlich präsent sein, um dann wahrgenommen zu werden, wenn es darauf ankommt. Doch dies kann nur gelingen, wenn man sich regional beschränkt, und die Ressourcen auf ein Kerngebiet konzentriert.

Erfolgreiche Makler zweifeln längst nicht mehr daran, dass Farming ein mächtiges Werkzeug ist, um Vermittlungsaufträge zu akquirieren. Sie verteilen Handzettel in der Nachbarschaft eines neuen Objekts, präsentieren sich in Ladenlokalen oder entwickeln eigene Kundenmagazine. Denn es geht um die alte Marketingformel: Bekanntheit schafft Vertrauen und Vertrauen liefert die Aufträge.

In den letzten Jahren ist eine neue Spielart des Farmings aufgetaucht, die immer mehr Anhänger findet. Gemeint ist das digitale Farming. Vorgemacht haben es neue Unternehmen im Markt, so genannte „Prop-Techs“, denen es gelingt online Eigentümer zu akquirieren. Das wollen sich die analogen, etablierten Makler nicht gerne gefallen lassen und stemmen sich dagegen. Die einen kaufen „Leads“, die Adressen angeblich verkaufswilliger Eigentümer, direkt bei spezialisierten Anbietern, die anderen investieren massiv in die eigene Website und bauen sich eigene „Lead-Generatoren“ auf.

Hohe Kosten entstehen in jedem Fall, sei es durch Optimierung der Website oder gekaufte Leads. Letzteres ist vergleichbar einfach zu rechnen, denn die Leadverkäufer versprechen Maklern, dass zehn gekaufte Adressen einen neuen Auftrag ergeben. Pro Lead rechnen wir etwa 200 Euro, das ergibt dann 2.000 Euro für einen Auftrag. Hinzu kommen noch neun Fehlversuche, also mehrere Anrufe, Ortstermine und kostenlose Wertermittlungen. Das neue Objekt ist dann schnell mit 3.000 bis 4.000 Euro vorbelastet. Wie es dann um die Qualität dieses Auftrags bestellt ist, Stichwort: Innenprovision und marktfähiger Preis, bleibt fraglich.
Warum begeben sich Makler auf dieses Spielfeld, obwohl sie die digitalen Spielregeln kaum beherrschen? Nur weil es die Prop-Techs vormachen? Die sind digital erfolgreich, weil sie so aufgestellt sind und es schlicht nicht anders können. Die Prop-Techs beherrschen das Marketing in Suchmaschinen, das Akquirieren von Eigentümer-Adressen und deren Nachverfolgung. Lokal und analog wären sie hilflos. Doch vor Ort, im richtigen Leben, da schlägt die Stunde des Makler-Farmings.

Drei Beispiele zeigen, wie klassisches Farming wirkt: Eine Maklerin in Süddeutschland veröffentlicht ihr eigenes Kundenmagazin. Die Auflage beträgt 20.000 Exemplare, die Verteilung übernimmt die örtliche Tageszeitung, Konzeption und Gestaltung übernimmt eine spezialisierte Marketing-Agentur für Immobilienmakler. Erfolg: 15 Alleinaufträge innerhalb von zwei Wochen. Dabei lagen die Kosten lediglich bei 8.500 Euro, die professionellen Leadverkäufer hätten für kaum vergleichbare Ergebnisse etwa 30.000 abgerechnet. Dabei hatte die Maklerin kaum Aufwand mit der Akquise, „die kamen einfach ins Büro und haben ihre Immobilie angeboten“, berichtet sie.
Dass diese Erfolge mit den konventionellen, analogen Methoden kein Zufall sind, zeigt auch das Beispiel des badischen Maklerpaares Bianca und Mike Hauser von Easyhome in Ihringen. Ihr Magazin in 50.000er Auflage erzielte in wenigen Tagen bereits drei neue Aufträge und wirkt lange nach. Mit mehreren Eigentümern befindet man sich auch Wochen später noch in lukrativen Verhandlungen zu Projekten „über die wir ohne das Magazin nie gekommen wären“.

Ganz frisch ist das letzte Beispiel von Makler Christian Knerich, der das Contentpaket eines Redaktionsdienstes nutzt. Er veröffentlicht die regelmäßigen Beiträge dieses Services in einem lokalen Wochenblatt unter eigenem Namen als redaktionell gestaltete Anzeige. Sein Erfolg: 18 Anfragen von Eigentümern in nur vier Wochen. Auch hier darf gerne wieder gerechnet werden. Bei diesen 18 Anfragen rechnet Knerich mit mindestens sechs Aufträgen. Einen vergleichbaren Nutzen hätten Leadverkäufer mit etwa 12.000 Euro abgerechnet, doch Knerich zahlt nur 165 Euro im Monat sowie die Kosten für die Anzeigen. Vergleichbare digitale Erfolge sind bis heute nicht bekannt.
So hält analoges Farming, was die digitalen Wettbewerber versprechen. Doch soll das kein Plädoyer dafür sein, die eigene Internet-Präsenz zu vernachlässigen. Eigentümer werden sich mit hoher Sicherheit zunächst dort über den Makler informieren und Google liefert bevorzugt die Adressen lokaler Anbieter auf einschlägige Suchanfragen. Zudem gilt, dass derjenige, der analog gut dasteht auch digital „besser performt“.

Wer online Aufträge akquirieren will, sollte zunächst seine analogen Hausaufgaben erledigt haben.

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