Was tun, wenn …

28. September 2022


… Fehler in einer Betriebskostenabrechnung vertuscht werden?

Der BGH hat mit Urteil vom 06.10.2021-XII ZR 11/20 über die Unwirksamkeit einer Klauselkombination zwischen einer Betriebspflicht und einem Konkurrenzschutzausschluss in einem Gewerberaummietvertrag entschieden. Da diese Art von Klauselkombination in Gewerberaummietverträgen durchaus üblich war, erhielt die darin enthaltene weitere Entscheidung des BGH wesentlich weniger Aufmerksamkeit. Der BGH hat sich in derselben Entscheidung mit den Rechtsfolgen von wahrheitswidrigen Angaben in einer Nebenkostenabrechnung auseinandersetzen müssen, auf die der Mieter eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gestützt hatte. Mit diesem Artikel sollen daher — ausgehend von der Vorstellung dieser Entscheidung — die Konsequenzen solcher „Vertuschungsversuche“ in Betriebskostenabrechnungen beleuchtet werden.

Von Rechtsanwältin Karen Wolbers

In einem auf zehn Jahre befristeten Gewerberaummietverhältnis legte der Vermieter in den Betriebskostenabrechnungen 2014 und 2015 unter anderem die Position „Brandwachen“ auf die Mieter um. Am 25. Juli 2015 und 25. August 2018 wurde eingewendet, dass es sich um nicht umlagefähige vorläufige Mängelbeseitigungskosten handelt. Am 10. März 2018 wurde von dem Mieter eine fristlose Kündigung gestützt auf die falsche Betriebskostenabrechnung ausgesprochen. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren zur Durchsetzung der Betriebspflicht trug der Vermieter wahrheitswidrig vor, die Kosten für die Brandwachen beruhten auf der behördlichen Auflage, zusätzliche Wachen bereitstellen zu müssen. Am 21. Januar 2019 erfolgte eine weitere fristlose Kündigung wegen dieses wahrheitswidrigen Vortrages im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Entscheidung

Das Kammergericht wies die Kündigung vom 10. März 2018 zurück, weil eine Täuschungsabsicht oder sonstige Unredlichkeit des Vermieters nicht dargelegt sei. Die Falschangaben könnten auch auf einem Versehen oder einem Rechtsirrtum beruhen. Zudem fehle es für die Kündigung vom 10. März 2018 an der erforderlichen Abmahnung. Die Kündigung vom 21. Januar 2019 sei erst neun Monate nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen worden. Von einer „Unzumutbarkeit“ der Vertragsfortsetzung könne daher nicht mehr ausgegangen werden. (BGH, Urteil vom 06.10.2021-XII ZR 11/20)

Revision

Die Revision hat im Hinblick auf die Entscheidung über eine (nicht) erforderliche Abmahnung Erfolg. Der BGH bejaht zunächst, dass Unredlichkeiten bei der Betriebskostenabrechnung einen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses darstellen können, wenn dadurch die Pflichten des Vermieters so nachhaltig verletzt werden, dass dem Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit könne sich auch daraus ergeben, dass der Vermieter nach entsprechenden Vorhalten auf seiner fehlerhaften Abrechnung in nicht mehr vertretbarer Weise beharrt.

Aus dem wahrheitswidrigen Vortrag im Prozess könne sich möglicherweise der Rückschluss auf eine Vertuschungsabsicht auch schon zum Kündigungszeitpunkt ergeben. Das Kammergericht habe dazu noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, weswegen der Rechtsstreit zur Entscheidung an das Kammergericht zurückgegeben wurde. Das Handeln mit Täuschungsabsicht könne eine Ausnahme für eine fehlende Abmahnung nach § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB darstellen. Dies auch dann, wenn sich erst durch nachträgliche Umstände feststellen lässt, dass eine Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Hinsichtlich des Kündigungsgrundes verweist der BGH auf ältere Entscheidungen des Landgerichtes Berlin (Urteil vom 24.06.2003-25 S 4 121/02; des OLG Düsseldorf Urteil vom 20.12.1990-10 O 137/90 und des Landgerichtes Gießen, Urteil vom 12.06.1996-1 S 571/95.

Zusammengefasst war es in diesen Entscheidungen zu einer verweigerten Belegeinsicht in Kombination mit einer Verschleierung der Umlage nicht erstattungsfähiger Kosten, wechselnden Erklärungen für das Verschwinden von Rechnungen, der Abrechnung nicht bezahlter Betriebskosten und nicht ausgezahlten Guthaben gekommen, nachdem zuvor jahrelang auf Erstellung der Abrechnungen geklagt werden musste.

Wichtiger Grund nach § 543 Abs.1 BGB

Bei der Kündigung aus wichtigem Grund muss eine Pflichtverletzung aus der Risikosphäre des Kündigungsgegners vorliegen durch die die Vertrauensgrundlage so zerstört ist, dass eine Vertragsfortsetzung für den Kündigenden unzumutbar wird. Die Frage der Unzumutbarkeit ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung unter Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (BGH, NZM, 2005,538,539).

Eine schematische Lösung lässt sich daher aufgrund des Bewertungsspielraums im Einzelfall nicht finden. Festzuhalten wäre allerdings, dass die Frage der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bei befristeten Mietverhältnissen eine wesentlich größere Rolle spielen dürfte als bei einem unbefristeten Wohnraummietverhältnis. Hier kann sich der Mieter ohnehin jederzeit mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten von dem Vertragsverhältnis ohne Angabe von Gründen lösen. Auch in Fallkonstellationen von betrugsähnlichen Täuschungsversuchen dürfte von einem wichtigen Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses ausgegangen werden. Die Problematik liegt hier in der Beweislast für die Täuschungsabsicht als innere Tatsache. Als Vermieter oder Verwalter könnte man sich zur Rechtsverteidigung auf ein Versehen oder einen Rechtsirrtum berufen.

Rechtsirrtum

Bei einem unverschuldeten Rechtsirrtum verlangt die verkehrsübliche Sorgfalt, dass die Rechtslage sorgfältig geprüft, die höchstrichterliche Rechtsprechung beachtet und gegebenenfalls Rechtsrat bei einem Fachmann eingeholt wird. Der Irrende muss aufgrund unzutreffender Tatsachen oder einer fehlerhaften Bewertung der Rechtslage irrig davon ausgehen, dass er zu einem bestimmten Verhalten berechtigt ist. Spätestens bei konkreten Hinweisen und Einwendungen auf Fehler in einer Betriebskostenabrechnung gilt aber eine spezielle Erkundigungspflicht. Ansonsten gilt das Festhalten oder die Geltendmachung einer unberechtigten Forderung zumindest so lange nicht als Pflichtverletzung solange der eigene Rechtsstandpunkt noch plausibel vertreten wird (BGH, Urteil vom 16.01.2009-V ZR 133/08).

Auswirkungen auf die Einwendungsfrist

Für die Wahrung der Einwendungsfrist im Wohnraummietrecht kommt es auf das Wissen des Mieters über mögliche Einwände oder den Grad des Ver-
schuldens des Vermieters für den Abrechnungsfehler oder dessen Offensichtlichkeit grundsätzlich nicht an. Der BGH hat in zahlreichen Entscheidungen auch bei gravierenden Fehlern in einer Betriebskostenabrechnung entschieden, dass die Einwendungsfrist des Mieters versäumt ist, wenn diese Fehler nicht konkret innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden. So etwa für die Erstellung einer Abrechnung trotz einer vereinbarten Pauschale (BGH, Urteil vom 18.02.2014-VIII ZR 83/13), für die Umlage nicht umlagefähige Kosten (BGH, Urteil vom 11.05.2016-VIII ZR 209/15), und für die Abrechnung trotz einer fehlenden Umlagevereinbarung im Mietvertrag (BGH, WuM 2007,694). Auch die unrichtige Angabe über die Betriebs kostenhöhe bei Vertragsabschluss soll nach der Rechtsprechung des BGH keine Pflichtverletzung darstellen, es sei denn es wurde eine ausdrückliche Zusicherung erteilt oder nachweisbar ein „Lockvogelangebot“ bei nachgewiesener Täuschungsabsicht abgegeben (BGH, Urteil vom 11.02.2004 VIII ZR 195/03).

Eine Fristversäumung des Mieters soll aber von ihm nicht zu vertreten sein, wenn er auf Nachfrage hin falsche Auskünfte erhält. Trotzdem kann sich auch aus solchen Fehlern in der Abrechnung immer dann eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung ergeben, wenn die Forderung weiterverfolgt wird, obwohl ein unverschuldeter Rechtsirrtum gerade nicht vorliegt.

Fazit

Spätestens nach Erhalt einer Abmahnung oder nach konkreten Einwendungen gegen eine Betriebskostenabrechnung sollte Rechtsrat eingeholt werden, bevor an der Forderung festgehalten wird, um einen verschuldeten Rechtsirrtum zu vermeiden und damit Schadensersatzansprüchen und Kündigungsmöglichkeiten für den Mieter vorzubeugen.

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