Was tun, wenn …

9. November 2022


… der Mieter seine Ausfälle für Betriebsschließungen in der Gastronomie aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung in Anspruch nehmen möchte?

Von Rechtsanwältin Karen Wolbers

Der BGH hat mit Urteil vom 12.01.2022, VIII ZR 8/21, entschieden, dass die durch die Covid-19 Pandemie bedingte zeitweise Schließung eines Einzelhandelsgeschäftes den Mieter nicht zu einer Mietminderung berechtigt. Dem Mieter steht aber gegebenenfalls ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage zu.

Bei der Überprüfung, ob diese Anspruchsgrundlage eingreift, käme es allerdings nicht auf eine pauschale Betrachtungsweise, sondern auf sämtliche Umstände des Einzelfalles, einschließlich der staatlichen Leistungen an den Mieter zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile an. Bei dieser vorzunehmenden Abwägung sei zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die Verluste aus der Geschäftsschließung zu vermindern. Hierzu gehören staatliche Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile und etwaige Leistungen aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung. Inzwischen liegt durch den für das Versicherungsrecht zuständigen IV. Zivilsenat des BGH auch eine Entscheidung dazu vor, ob der Mieter aus rechtlichen Gründen tatsächlich Zahlungen aus einer solchen Betriebsunterbrechungsversicherung verlangen kann. Im Folgenden soll daher die Entscheidung des BGH, Urteil vom 26.01.2022, IV ZR 144/21 vorgestellt werden.

Sachverhalt

Der Mieter eines Gastronomiebetriebes musste aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie den Betrieb mit Ausnahme eines Außer-Haus-Verkaufes während eines Lockdowns schließen. Zum Ausgleich der Ertragsausfälle nimmt der Gastronom seine Betriebsunterbrechungsversicherung auf Gewährung der Versicherungsleistung in Anspruch. In den Zusatzbedingungen zu dem im Jahr 2008 geschlossenen Versicherungsvertrag sind Schäden aufgrund behördlicher Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz bei dem Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger versichert und entsprechende Krankheiten und Krankheitserreger aufgelistet. Die in 2019 erstmalig bekanntgewordenen Coronaviren des Typs SARS-Cov-2 sind darin nicht enthalten. Der Gastronom macht geltend, dass die Versicherungsleistung auch für die nach dem Abschluss des Versicherungsvertrages erstmalig auftretenden meldepflichtigen Krankheiten zu gewähren ist.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH folgt der Auffassung des Versicherers, dass die in den Zusatzbedingungen der Betriebsunterbrechungsversicherung enthaltene Auflistung der Krankheiten abschließend ist. Der BGH berichtigt zunächst eine fehlerhafte Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, das annahm, dass nur konkrete, betriebsbezogene Maßnahmen zur Bekämpfung einer Infektionsgefahr dem Versicherungsschutz unterliegen. Die Betriebsunterbrechungsversicherung hat vielmehr auch bei Betriebsschließungen aufgrund genereller gesellschafts- und gesundheitspolitischer Maßnahmen in einer pandemischen Ausnahmesituation grundsätzlich die Versicherungsleistung zu gewähren, allerdings nur dann, wenn nach den Versicherungsbedingungen eine die Pandemie-Maßnahmen auslösende Krankheit in den Versicherungsbedingungen berücksichtigt wurde.

Aufgrund der Aufzählung konkreter Krankheiten und Krankheitserreger in den hier zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen war zu entscheiden, ob diese Aufzählung als abschließend anzusehen ist. Maßgebend ist insoweit das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Der BGH führt an, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sich vor allem an dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen orientieren wird und aufgrund der Formulierung in den Versicherungsbedingungen, dass „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind…“ erkennen kann, dass eine eigenständige Definition der versicherten Krankheiten erfolgt ist.

Es sei für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass der Versicherer nicht für Krankheiten das Versicherungsrisiko übernehmen will, die erst Jahre nach dem Vertragsschluss bekannt werden und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich ist. Die Versicherungsklauseln genügen dem sogenannten Transparenzgebot, da ein eindeutiger Wortlaut gegeben ist und der Umstand, dass die in den Zusatzbedingungen aufgezählten Krankheiten nicht vollständig identisch sind mit den Krankheiten, die im Infektionsschutzgesetz genannt sind, benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen.

Fazit

Die Entscheidung des BGH ergänzt die Rechtsprechung zu den pandemie-bedingten Betriebsstörungen. Da die durch den Lockdown ausgelösten Erlösausfälle nicht über eine Betriebs-
unterbrechungsversicherung kompensiert werden können, ist in den betroffenen Gewerberaummietverhältnissen, insbesondere in der Gastronomie, eine Anpassung der Miete vorzunehmen, soweit dem Mieter ein Festhalten an den bisherigen Vertragskonditionen nicht zumutbar ist. Vermieterseitig kann der Mieter nicht auf seine Betriebsunterbrechungsversicherung verwiesen werden.

 

Foto: Unsplash-andrew-teoh