Was tun, wenn …

23. August 2022


… die Wohnungseigentümergemeinschaft das Abstellen von Elektro-autos in der Tiefgarage untersagt?

Der Gesetzgeber hat mit der WEG-Reform 2020 mit Wirkung ab dem 01.12.2020 Beschlussfassungen über die Durchführung baulicher Veränderungen am Gemeinschaftseigentum oder die Gestattung baulicher Veränderungen vereinfacht. Diese sind ab diesem Zeitpunkt mit einfacher Mehrheit möglich, ohne dass es auf die Zustimmung aller von einer Maßnahme beeinträchtigten Eigentümer ankommt. Um die Sanierung und Modernisierung von Wohnungseigentumsanlagen zu vereinfachen, hat der Gesetzgeber außerdem sogenannte privilegierte Maßnahmen geschaffen, auf die der einzelne Eigentümer einen Anspruch hat.

Von Rechtsanwältin Karen Wolbers

 

Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die:

  • dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung,
  • dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
  • dem Einbruchsschutz oder
  • dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher
    Kapazität dienen.

Der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers bezieht sich dabei auf die Frage „ob“ diese Maßnahme durchgeführt werden darf. Die Frage über die Art der Ausführung dieser baulichen Veränderung ist im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung in das Ermessen der Eigentümer gestellt. In einer aktuellen Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden (Urteil vom 04.02.2022, Az. 92 C 2541/21) hatte das Amtsgericht über eine Fallkonstellation zu entscheiden, bei der in der Eigentümerversammlung das Abstellen von Elektroautos in einer Tiefgarage mehrheitlich untersagt worden war.

Der Beschluss wurde angefochten. In diesem Artikel sollen die Entscheidung und die Konsequenzen für die Praxis daher beleuchtet werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin einer Erdgeschosswohnung, verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenstellplatz. Die Wohnung ist vermietet. Der Mieter nutzt ein Hybridfahrzeug, dass er auf dem ebenfalls angemieteten Stellplatz in der Tiefgarage abstellte. Die Wohnungseigentümer beschlossen in der Eigentümerversammlung mehrheitlich, dass das Abstellen von Elektroautos in der Tiefgarage untersagt wird. Die Klägerin wendet sich gegen diesen Beschluss und erhebt Anfechtungsklage.

Entscheidung

Das Amtsgericht gibt der Klage statt und erklärt den Beschluss für ungültig. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Beschluss zwar nicht wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig sei; es stünde den Wohnungseigentümern gemäß § 19 Abs. 1 WEG bis zur Grenze der vollständigen Aushöhlung des zugewiesenen Sondernutzungsrechtes durchaus zu, Nutzungsregelungen hinsichtlich ihres Gemeinschaftseigentums zu treffen. Diese Grenze sei nicht überschritten worden, weil nur das Abstellen bestimmter definierter Fahrzeuge untersagt werde.

Der angegriffene Beschluss verstößt aber gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Gesetzgeber hat mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) gerade jedem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch eingeräumt, wonach ihm der Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug als sogenannte privilegierte bauliche Veränderung gemäß § 20 WEG gestattet wird. Dieser Anspruch würde ins Leere laufen, wenn der einzelne Wohnungseigentümer zwar die Installation einer Lademöglichkeit erzwingen könnte, er diese Lademöglichkeit dann anschließend aber nicht nutzen dürfte, weil eine entgegenstehende Nutzungsuntersagung beschlossen wurde.

Der angegriffene Beschluss verstößt daher gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform, die die Schaffung von Ladeinfrastruktur gerade zum Ziel hatte. Dies gilt auch dann, wenn eine besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen ausgehen würde.

Verbindung zum Wohnraummietrecht

Um eine Harmonisierung zwischen Miet- und Wohnungseigentumsrecht herbeizuführen, hat der Gesetzgeber in § 15 WEG mit der Mietrechtsreform zusätzlich neu geregelt, dass Mieter von Sondereigentumseinheiten verpflichtet sind, Baumaßnahmen (Instandsetzung und Modernisierung) in einer Wohnungseigentumsanlage zu dulden, wenn diese entsprechend den mietrechtlichen Vorgaben im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ordnungsgemäß angekündigt worden sind.

Im Übrigen kann auch der Wohnraummieter verlangen, dass ihm sein Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die der Barrierereduzierung, der E-Mobilität oder dem Einbruchsschutz dienen (§ 554 BGB). Hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung sieht die WEG-Reform eine Harmonisierung dahingehend vor, dass bei vermieteten Eigentumswohnungen im Verhältnis zwischen dem vermietenden Eigentümer und dem Mieter künftig der in der WEG geltende Kostenverteilungsschlüssel maßgeblich sein soll (§ 556 Abs. 3 BGB).

Bisher war für die Betriebskostenabrechnung die Wohnfläche maßgeblich, während das WEG eine gesetzliche Kostenverteilung für die Jahresabrechnung nach Miteigentumsanteilen vorsieht.

Fazit

Die WEG kann sogenannte Gebrauchsregelungen über die Art der Nutzung des Gemeinschaftseigentums wirksam beschließen. Vollständige Nutzungsuntersagen oder Stilllegungen sind nichtig.

Der Anspruch des Wohnungseigentümers auf Durchführung der vorgenannten privilegierten Maßnahmen kann im Wege der Beschlussersetzungsklage vor den Gerichten durchgesetzt werden. In diesem Fall kann das Gericht, wenn die Voraussetzungen vorliegen, anstelle der Wohnungseigentümer den begehrten Beschluss ersetzen. Der Wohnungseigentümer kann seinen Anspruch allerdings nur geltend machen, wenn er auch berechtigt ist, das zu ladende Fahrzeug im Bereich der begehrten Lademöglichkeit abzustellen.

Sollte es sich bei diweser Stelle daher um Gemeinschaftseigentum handeln, ohne dass dem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht, wäre daher zusätzlich darauf zu achten, eine entsprechende Gebrauchsregelung für ihn beschließen zu lassen.

Mit der WEG-Reform wurde zusätzlich die Erweiterung der Sondereigentumsfähigkeit von Freiflächen, Stellplätzen und Terrassen begründet. Nach alter Rechtslage konnten hier nur Sondernutzungsrechte eingeräumt werden. Der Gesetzgeber hat dies wegen der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Flächen geändert. Abgeschlossenheitsbescheinigungen sind dafür nicht nötig. Die Raumeigenschaft wird für alle Arten von Stellplätzen fingiert. Markierungspflichten sind damit ebenfalls nicht mehr notwendig, sollten aber durch genaue Maßangaben im Aufteilungsplan ersetzt werden, um Streitigkeiten zwischen den Parteien zu vermeiden.

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