Wenn Politik auf Realwirtschaft trifft

14. Oktober 2022


Sieben Hallen, 1.887 Aussteller und knapp 40.000 Teilnehmer — mit diesen Zahlen knüpft die Expo Real 2022 nahezu an das Niveau der Vor-Corona-Zeit an. Geht man nach der Politiker-Präsenz, übertrifft sie sogar alles vorher Dagewesene: So viel Bundesbauministerium wie in diesem Jahr war selten. Bundesbauministerin Klara Geywitz absolvierte einen eng getakteten ersten Messetag, im Schlepptau hatte sie zwei Staatssekretäre und zahlreiche Mitarbeiter ihres Ministeriums. Und auch einige Landesbauminister und Bundestagsabgeordnete waren dem Messegelände unterwegs.

Los ging es am großen Messestand der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland BID, den die Ministerin zusammen mit Jürgen Michael Schick als amtierender BID Vorsitzender offiziell eröffnete. Es schloss sich eine spannende Diskussion mit den BID-Präsidenten an, bei der es insbesondere um das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ging. Dieses sei nicht als Krisenreaktions-Instrument gegründet worden, sondern als dauerhaftes Arbeitsgremium. Es gehe darum, „die Rahmenbedingungen zu schaffen, um in Deutschland rentabel bauen zu können und gleichzeitig die Kapazitäten auszuweiten“, so Geywitz. „Dazu müssen wir die Produktivität steigern, mehr in die Vorfertigung gehen, die gesamte Kette von Bauplanung, -antrag und -ausführung digitalisieren und den sozialen Wohnungsbau fördern“.

Die Quadratur des Dreiecks

„Wir haben es mit nichts Geringerem als der Quadratur des Dreiecks zu tun: Qualität hoch, Kosten runter, Zeit runter“, entgegnete IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. „Um die Kosten zu senken und die Realisierungszeiten zu verkürzen, liegt der Schlüssel in der Nutzung von Leerstand, der Aufstockung und Nachverdichtung, generell im Umbau des Bestandes. Hinsichtlich der Erhöhung der energetischen Qualität hin zu klimaneutralen Gebäuden liegt die Lösung in einem Mix von energetischer Optimierung des Gebäudes und der Nutzung erneuerbarer Energien. Gebäudevorgaben müssen am eigentlichen Ziel, nämlich die Treibhausgas-Emissionen zu minimieren, ausgerichtet werden.“

Schmerz- und Triggerpunkte

Nach der Eröffnung des BID-Standes begaben sich die Ministerin und der IVD-Präsident durch die dann schon dicht gefüllten Hallen direkt zum Expo Real Forum, wo sie bereits von einem großen Publikum erwartet wurden. Jeder Stuhl war besetzt, ging es doch in hochkarätig besetzter Runde um den „Weg zu 1,6 Millionen zusätzlichen Wohnungen“. Neben Klara Geywitz saßen Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Thomas Kollmann, Leiter Grundstücksmanagement, Erzbischöfliche Finanzkammer München, Jacopo Mingazzini, Vorstand, The Grounds Real Estate Development AG, Nicole Razavi MdL, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen in Baden-Württemberg und Marc Ullrich, Vorstandsvorsitzender Bauverein Breisgau eG auf dem Podium. Moderiert von Jürgen Michael Schick ging es in einer themen- und meinungsreichen Stunde um Schmerz- und Triggerpunkte wie Erbbaurecht, Wohngemeinnützigkeit, Höchstpreis- und Konzeptvergabe, Klimaneutralität, Flächenneuinanspruchnahme und Barrierefreiheit. In manchen Bereichen lagen die Positionen der Diskussionen deutlich näher beieinander als erwartet: Beim Thema Erbbaurecht wurde klar, dass es sich mitnichten um ein Allheilmittel handelt, sondern allenfalls in Einzelfällen individuell zugeschnitten die bessere Alternative sein kann.

Beim EH40-Standard zeigte sich die Bundesbauministerin kompromissbereit, da es nicht ausschließlich um die Energieeffizienz im Verbrauch gehen dürfe, sondern um die CO2 Emissionen in der Gesamtlebenszyklus-Betrachtung. Sekundiert wurde ihr von der Vorsitzenden der Bauministerkonferenz, der Baden-Württembergischen Bauministerin Nicole Razavi, die im Dreiklang aus Förderanreizen, Entlastung, Entbürokratisierung die zentrale Möglichkeit sieht, den Sand aus dem Baugenehmigungs-und Fertigstellungsgetriebe zu fegen.

Der Bitte-Nicht-Wunschzettel

Auf die Frage, was sich die Panel-Teilnehmer auf keinen Fall von der Politik wünschen, bekam Moderator Schick ganz unterschiedliche No-Go‘s angeboten: Während Jacopo Mingazzini sich wünscht, dass die Politik die Finger von immer weiteren Verschärfungen des Mietrechts lässt, träumt Thomas Kollmann von einer Politik, die niemals wieder Fakten schafft, ohne vorher den Rat von Experten eingeholt zu haben. Und Marc Ullrich hofft, dass es nie wieder zu einem abrupten Förder-Aus kommt wie am 24. Januar 2022 — ein Tag, der der
Immobilienwirtschaft noch immer in den Knochen steckt.

Die IVD-Company-Corner

Lebhaften Austausch gab es auch auf dem IVD-Gemeinschaftsstand in Halle C.2. Das bewährte Konzept der Company Corner ging auch in der neuen Halle, mit neuen Nachbarn, neuen
Partnern und mit neuem Stand-Look auf. Die Mitaussteller eBay Kleinanzeigen, City Jung Immobilien, R.B. Makler, Schick Immobilien, FIO, onOffice und die Deutsche Immobilien Akademie konnten sich über mangelnde Resonanz nicht beklagen und freuten sich über den regen Besucherstrom von morgens 9 Uhr bis weit über das offizielle abendliche Messeende hinaus.

 

Foto: © IVD