Widerruf von Immobilienkrediten durch Verbraucher

1. Juni 2020


Immobilienkredite können innerhalb einer Frist von 14 Tagen widerrufen werden. Dies gilt allerdings ausschließlich für Kredite, die dem privaten Zweck dienen (§§ 495, 355 BGB) und nicht für Darlehen, die für eine gewerbliche oder eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen wurden. Über dieses Widerrufsrecht muss der Verbraucher ausreichend informiert werden. Unterbleibt eine solche Belehrung oder ist sie fehlerhaft, etwa weil sie missverständlich ist, gilt eine längere Frist.

Von Hans-Joachim Beck

Mit Urteil vom 26. März 2020 (C-66/19) hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) entschieden, dass die in Deutschland häufig verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. In dem betreffenden Fall, der dem EUGH vom Landgericht Saarland vorgelegt worden war, hatte die Bank folgende Formulierung gewählt:

Die Widerrufsfrist beginnt „nach Abschluss des Vertrages, aber erst nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“. Den Beginn der Frist konnte man nur feststellen, wenn man zusätzlich zum Vertragstext noch die Vorschrift des § 492 BGB liest sowie eine weitere in Art. 247 §§ 6 bis 13 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) enthaltene Regelung. Diese Belehrung hält der EUGH für nicht ausreichend, weil es sich um eine sogenannte „Kaskadenverweisung“ handelt.

Welche Verträge sind von dem Urteil betroffen?

  • Verträge, die vor dem 1. September 2002 abgeschlossen wurden, können in der Regel nicht widerrufen werden. Für solche Verträge sah das Gesetz ein Widerrufsrecht nur vor, wenn sie in einer „Haustürsituation“ abgeschlossen wurden.
  • Verträge, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, konnten nur bis zum 21. Juni 2016 widerrufen werden. Nur wenn ausnahmsweise gar keine Widerrufsbelehrung erteilt wurde, können solche Verträge noch widerrufen werden (Art. 229 § 38 EGBGB).
  • Verträge, die zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 abgeschlossen wurden, können bei einer fehlenden oder unrichtigen Belehrung unendlich lang widerrufen werden.
  • Verträge, die ab dem 21. März 2010 abgeschlossen wurden, können bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung innerhalb von einem Jahr und 14 Tagen widerrufen werden.

Wann sollte man einen Widerruf genauer prüfen?

Der Darlehensvertrag ist zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen worden. Der Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsbelehrung, die der oben dargestellten „Kaskadenbelehrung“ entspricht.

Der Darlehensnehmer befindet sich in folgender Situation:

  • Er hat das Darlehen als Privatperson aufgenommen.
  • Er will das Darlehen tilgen, etwa weil er das Grundstück verkaufen und die von der Bank geforderte Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden will.
  • Er hat das Darlehen bereits vorzeitig getilgt und will die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern.
  • Er will das Darlehen auf einen Vertrag mit einem niedrigeren Zinssatz umschulden.

Risiken

Wenn der Darlehensnehmer den Vertrag widerruft, muss er das gesamte restliche Darlehen innerhalb von 30 Tagen zurückzahlen. Vor einem Widerruf muss daher unbedingt die Anschlussfinanzierung sichergestellt werden.

Da der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19. März 2019, Az. XI ZR 44/18 die Ansicht vertreten hat, dass die oben dargestellte „Kaskadenbelehrung“ rechtmäßig und ausreichend ist, muss man davon ausgehen, dass es zu einem Rechtsstreit mit der Bank kommen wird. Die Banken sehen sich im Recht, weil sie sich an das gesetzliche Muster gehalten haben, das in den Anlagen zum EGBGB enthalten ist, und fordern ein Eingreifen des Gesetzgebers.

Fazit

Der Darlehensnehmer sollte sich vor Erklärung des Widerrufs auf jeden Fall anwaltlich beraten lassen.

 

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