Willkommen im „Digital Bootcamp“

5. August 2020


Digitales Bootcamp — was ist das eigentlich? Wenn man an der Corona-Pandemie überhaupt etwas Gutes finden wollte, dann hätte das sicher mit Digitalisierung zu tun. Denn uns allen wird deutlich, wie viel geht, wenn es gehen muss. Dafür ist nicht zuletzt auch der Deutsche Immobilientag 2020 ein guter Beleg. Beim digitalen Bootcamp geht es aber darum, den gerade entstandenen Digitalisierungsschwung nicht wieder zu verlieren, sondern sich regelmäßig damit auseinanderzusetzen.

Von Prof. Marco Wölfle

In dieser und den kommenden AIZ-Ausgaben sollen regelmäßig Gedanken und Konzepte aus der Digitalisierung und Geschäftsmodellentwicklung vorgestellt werden, die einfach und schnell anwendbar sind. Natürlich wird sich nicht jedes sofort umsetzen lassen, aber bestimmt ist der eine oder andere realisierbare Impuls dabei. Im ersten Teil unserer kleinen Serie geht es um drei digitale Leitgedanken. In der nächsten Ausgabe stellen wir die Customer-Journey, eine der bekanntesten Digitalisierungstechniken vor.

FOMO = Fear of missing out

Eigentlich handelt es sich um ein psychologisches Phänomen. Denn die Angst etwas zu verpassen, ist nicht zwingend auf Digitalisierung begrenzt und kommt immer wieder auf, wenn alle rund um einen herum dasselbe tun. Man fragt sich dann, warum man der einzige zu sein scheint, der diesem Trend noch nicht gefolgt ist. Dieser Wunsch, quasi „der Herde zu folgen“, kommt aber besonders stark im Rahmen der Digitalisierung auf. Durch das Wachstum der sozialen Medien könnten wir zunehmend den Eindruck gewinnen, dass alle Unternehmen und gesellschaftlichen Schichten sich immer stärker der Digitalisierung zuwenden. Wir haben das Gefühl, als einziger den Trend zu verpassen, und sorgen uns später abgehängt zu sein.

Typisch für FOMO ist, dass Unternehmen vorschnelle Entscheidungen treffen. Das sollte sie nicht dazu anreizen, gar keine Entscheidungen zu treffen und ewig in Überlegungen festzustecken oder gar nichts Neues mehr zuzulassen. Unternehmer sollten aber Entscheidungen oder Überlegungen gut darauf prüfen, ob sie ihnen helfen, ihre Ziele zu erreichen. Falls der FOMO-Druck einmal zu groß wird, gibt es auch ein traditionelles Heilmittel dagegen unter den gängigen deutschen Sprichwörtern: „Wenn alle aus dem 17ten Stock springen, springe ich mit?“ Man sollte also vernünftig abwägen und nicht jedem Trend hinterherlaufen.

Frenemy

Diese Kombination auf Friend und Enemy ist ein gängiges Denkmodell in der Digitalisierung. Positiv formuliert müssen Kooperationen nicht ewig dauern, so dass sich Unternehmen möglicherweise für eine gewisse Weile zusammentun, um Kosten zu teilen oder Wissen gemeinsam zu erarbeiten. Derartige Kooperationsformen gab es aber auch schon vor der Digitalisierung. So entwickelten die französischen Autofirmen Peugeut, Citroen und Fiat gemeinsam ihre ersten Vans.

Manche Beispiele aus der digitalen Welt sind aber weit weniger positiv belegt. Große Plattformen wie Amazon öffnen sich beispielsweise für andere Unternehmen, die sich zunächst über die Reichweite der Vermarktung über Amazon freuen und deren Vertriebsnetz nutzen können. Später kann es aber dazu kommen, dass Amazon die Kooperation mit besonders umsatzstarken Unternehmen auslaufen lässt, um dann selbst beispielsweise als Weinhändler oder Anbieter von Computerbauteilen aufzutreten.

Für jeden Unternehmer kann diese Beobachtung bedeuten, dass er seine Kooperationen auf den Prüfstand stellen sollte und bei potentiellen Risiken frühzeitig über seine Möglichkeiten nachdenken muss.

Moonshot

Dieser Begriff wird fast nur von Google verwendet und meint, dass mit echten Produktinnovationen nicht einfach nur kleine Verbesserungen gemeint sein können. Vielmehr müsse es darum gehen, das Produkt so weit zu verändern beziehungsweise zu verbessern, dass der Unterschied so sichtbar wie zwischen Erde und Mond würde. Es geht also darum, große Sprünge von kleinen zu unterscheiden.

Das Konzept ist manchmal auch als Zehnerregel oder dem falschen Faktor 10 bekannt. Denn statt einer Verbesserung um 10 Prozent wünscht man sich eine Verbesserung um das Zehnfache. Bei allen Veränderungen, die Unternehmer mit digitalen Tools vorhaben, kann dieses Denkmodell helfen, die Richtung zu prüfen. Es macht sicher für sie und ihre Mitarbeiter einen Unterschied, ob sie durch kleine Ergänzungen und „Helferlein“ nur 10 Prozent besser werden oder tatsächlich disruptiv werden wollen.

Die Erfahrung von Google zeigt aber auch, dass man sich Moonshots leisten können muss. Denn mit starker Einbindung im Tagesgeschäft und volle Auftragsbücher ist es für Mitarbeiter und Kunden nicht leicht, große Veränderungen in kurzer Zeit umzusetzen. Google musste dieser Tatsache auch ins Auge blicken und hat daher mittlerweile die Entwicklungssparte komplett vom Tagesgeschäft getrennt. Mit anderen Worten: Ein Moonshot geht nicht mal so eben nebenher, man muss ihn sich in Form von Manpower, Zeit und Kosten auch leisten können. Entscheiden müssen die Unternehmer also vor einer Digitalisierungsinitiative, ob sich der Kraftakt durchhalten lässt oder es doch eher nach dem Motto laufen sollte: „Jeden Tag ein bisschen besser.“

Hinweis:

Die Deutsche Immobilien-Akademie (DIA) bietet berufsbegleitende Weiterbildungen zum Digitalisierungsmanager an. Immobilienprofis, Entscheider oder Projektleiter erlangen in diesen Studiengängen den perfekten Durchblick in den digitalen Welten. Mehr Infos:

www.dia.de — Unter: Weiterbildung > Studiengang Digitalisierung

 

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