Wohnraumoffensive wird im Herbst mit Wohngipfel gestartet

23. Mai 2018


Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Gunther Adler als Baustaatssekretär aus dem bisherigen SPD-geführten Bundesumwelt- und Bauministerium übernommen. Adler, geboren 1963 in Sachsen, ist bereits seit April 2014 in dieser Funktion. Die AIZ sprach mit ihm über seine neuen Aufgaben.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Herr Adler, was hat die höchste Priorität für den Bundesminister beim Thema Bauen und Wohnen?

Gunther Adler: Unser Ziel ist es, den Bestand an preiswerten Wohnungen zu sichern und 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Hierfür werden wir ein Gesetzespaket erarbeiten, das alle notwendigen Instrumente bündelt. Im Herbst 2018 werden wir mit Ländern, Kommunen, Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft, des Deutschen Mieterbunds und der Gewerkschaften in einem „Wohngipfel“ Eckpunkte eines Gesetzespaketes „Wohnraumoffensive“ vereinbaren. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir die Interessen von Investoren, Mietern und selbstnutzenden Eigentümern dabei angemessen berücksichtigen müssen.

Um den Wohnungsneubau nicht zu erschweren, verzichten wir bewusst auf eine Verschärfung der aktuellen energetischen Standards der EnEV 2016. Wir möchten die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung im Gebäudebereich für die Menschen sozial verträglich und für die Eigentümer wirtschaftlich umsetzen. Das heißt: Keine Änderungen bei den energetischen Standards, Vereinfachung und Vereinheitlichung des Ordnungsrechts in einem neuen Gebäudeenergiegesetz.

1,5 Millionen neue Wohnungen sind ein ehrgeiziges Ziel. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Wir sind uns bewusst, dass der Neubau von 1,5 Millionen Wohnungen eine gewaltige Herausforderung ist. Mit einer umfassenden Wohnraumoffensive werden wir den Neubau von vermieteten und selbstgenutzten Wohnimmobilien deutlich beschleunigen und damit die Wohnungsmärkte für alle entspannen.

Wir setzen Impulse beim selbst genutzten Wohneigentum ebenso wie beim sozialen Wohnungsbau und beim freifinanzierten Wohnungsbau. Das Eigenheim, die Eigentumswohnung und der private Kleininvestor beim Mietwohnungsbau für Normalverdiener werden stärker als bisher Teil der Lösung sein. Das selbst genutzte Wohneigentum spielt eine wichtige Rolle, sowohl für bezahlbares Wohnen als auch für die Altersvorsorge. Den sozialen Wohnungsbau wollen wir mindestens auf heutigem Niveau und langfristig verstetigen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass in den Jahren 2020/2021 mindestens zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zweckgebunden bereitgestellt werden.

Für den freifinanzierten Wohnungsneubau im bezahlbaren Mietsegment setzen wir steuerliche Anreize. Dazu wollen wir eine bis Ende des Jahres 2021 befristete Sonderabschreibung einführen. Sie beträgt zusätzlich zur linearen Abschreibung über vier Jahre fünf Prozent pro Jahr. Die Sonder-Afa für den freifinanzierten Wohnungsneubau bedarf der Zustimmung des Bundesrats. Hier wird sich zeigen, ob auch die Länder bereit sind, zusammen mit dem Bund ihren Beitrag zu leisten.

Baulandmobilisierung ist ein wichtiger Baustein. Wie mobilisiert man das am besten?

Um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen, ist dringend mehr Bauland erforderlich. Wir müssen die konsequente Nutzung von Innenentwicklungspotenzialen auf Brachflächen, in Baulücken und im Rahmen der Nachverdichtung vorantreiben. Auf Bundesebene werden wir die Rahmenbedingungen für eine aktive Liegenschaftspolitik von Ländern und Gemeinden weiter verbessern. Hierfür wird die im Koalitionsvertrag vorgesehene Enquête-Kommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ des Deutschen Bundestags weitere Impulse setzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat Mitte April dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende des Jahres 2019 die Grundsteuer zu reformieren und neue Regelungen für die Bewertung zu finden. Wir werden dabei darauf achten, dass die Reform aufkommensneutral ausgestaltet wird und nicht zu einer allgemeinen Steuererhöhung oder höheren Wohnkosten führt.

Das Baukindergeld soll schnell kommen. Dazu gibt es kontroverse Diskussionen. Was denken Sie über das Baukindergeld?

Mit dem Baukindergeld sollen gezielt Familien mit Kindern beim Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum unterstützt werden. Denn Wohneigentum bietet eine sichere Wohnraumversorgung und eine gute Altersvorsorge zugleich – ob auf dem Land oder in der Stadt, ob im Eigenheim oder in der Eigentumswohnung. Durch die Berücksichtigung bei der Gesamtfinanzierung senkt das Baukindergeld die individuelle Finanzierungsbelastung und ermöglicht dadurch vielen Familien den Schritt ins Wohneigentum. Durch die Einkommensgrenze von 75.000 Euro zuzüglich 15.000 Euro pro Kind werden Spitzenverdiener, die sich Wohneigentum auch ohne Förderung leisten können, vom Baukindergeld ausgenommen.

Davon unabhängig misst die Bundesregierung dem Wohneigentum weiterhin hohe Bedeutung zu und setzt die bewährten Maßnahmen zur Wohneigentumsförderung fort. Die Mehrzahl der Förderprogramme des Bundes steht Wohneigentümern offen oder ist ausdrücklich auf Wohneigentümer zugeschnitten. Dazu zählen insbesondere die Förderprogramme der KfW-Bankengruppe zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz im Bereich des Wohnungsneubaus im Zuständigkeitsbereich des BMWi, die des Bausparens mit der Wohnungsbauprämie und der Arbeitnehmer-Sparzulage sowie die Eigenheimrente, der sog. Wohn-Riester.

Auch die Länder, die seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 für die soziale Wohnraumförderung zuständig sind, beziehen in ihre Wohnungsbauprogramme die Förderung des Wohnungseigentums mit ein. Hierbei können sie auf die  Kompensationsmittel zurückgreifen, die der Bund ihnen seit 2006 als Ausgleich für den Wegfall früherer Finanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung gewährt. Diese Kompensationsmittel, die im Jahr 2016 mehr als 1 Mrd. Euro betrugen, sind für die Jahre 2017/2018 jeweils auf über 1,5 Mrd. Euro aufgestockt worden. Vorgesehen ist darüber hinaus in den Jahren 2020/2021 mindestens zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zweckgebunden bereitzustellen.

Darüber hinaus haben viele Städte und Gemeinden eigene Programme zur Wohneigentumsförderung aufgelegt, beispielsweise über Baukostenzuschüsse oder die Bereitstellung von verbilligtem Bauland.

Sie haben sich in der letzten Legislaturperiode für Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer stark gemacht. Nun gibt es im Koalitionsvertrag lediglich einen Prüfauftrag. Glauben Sie, dass es für Ersterwerber einer selbstgenutzten Wohnung zukünftig einen Freibetrag geben wird?

Erwerbsnebenkosten wie die Grunderwerbsteuer erschweren es vielen Familien, den Traum von Eigenheim zu verwirklichen. Denn die Nebenkosten können kaum über einen Kredit finanziert werden, sie müssen aus Eigenkapital aufgebracht werden. Gerade Familien kann es aber sehr schwer fallen, neben den laufenden Ausgaben ausreichende Mittel für den Eigentumserwerb zurückzulegen. Daher ist ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer der richtige Ansatz. Allerdings ist der Bund hier auf das Einvernehmen mit den Ländern angewiesen. Denn die Grunderwerbsteuereinnahmen stehen allein den Ländern zu, Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Auch hier wird sich zeigen, ob die Länder bereit sind, ihren Beitrag zu leisten.