Zwischen Kunst und Wissenschaft

5. Oktober 2022


Bei einem kurzen Blick auf Anzeigen in einschlägigen Immobilienportalen fällt auf, Immobilien sind unterschiedlich. Noch unterschiedlicher sind aber die Überschriften und Texte, die über die Immobilien geschrieben werden können. Während manche Makler in kurzen stichwortartigen Übersichten die Eigenschaften der Immobilien auflisten, dichten andere Loblieder und Superlative über durchschnittliche Immobilien und noch einmal andere versuchen möglichst lebensnah und menschlich darzustellen, wie sich der künftige Käufer oder Mieter in seiner Wohnimmobilie gerne fühlen könnte. Was ist aber richtig?

Von Prof. Dr. Marco Wölfle

Fakten, Fakten, Fakten oder menschliche Nähe oder doch wieder die eine oder andere positive Eigenschaft über die Immobilie? Wie so oft im Leben, gibt es auch hier kein Einheitsrezept, wenn man nur auf die Maßnahme sieht. Denn es muss zum Markt, zum Kunden und zum Objekt passen. Vielleicht aber zunächst ein paar allgemeine Fakten, die für jede Marktsituation passen.

Was ist für alle Exposés und Online-Inserate wichtig?

Die Überschrift könnte hier auch nach dem Buchtitel lauten: „Das ist Marketing!“ (potentielle) Kunden wollen sehen, dass sich jemand Mühe gibt und die Aufgabe nicht einfach nur hinter sich bringen will. Das heißt also, dass Fehlerfreiheit ein wichtiges Kriterium für Texte und Bilder darstellt, unabhängig von Haftungsfragen. Wie wichtig Fehlerfreiheit ist, lässt sich leicht erklären: Kunden gewinnen über die Exposés einen Eindruck über den Makler, egal ob es sich um Käufer oder Verkäufer der Immobilie handelt. Es ist hoffentlich anzunehmen, dass der Kunde weniger Fachwissen als der Makler hat. Also wird er sich an den Dingen orientieren, die er gut beurteilen kann. Tippfehler in Texten, schlechte Objektbilder oder verzerrte Grundrisse sind leicht beobachtbare Kriterien, die Menschen zu einem Urteil führen, ob ein Makler die Immobilie ins richtige Licht rückt oder nicht.

Das führt automatisch zur zweiten allgemeinen Aussage: Zuerst muss das Ziel des Exposés geklärt sein. Das letzte Jahrzehnt gab es Märkte in Ballungszentren oder auch einzelne Immobilien, die sich fast von allein und auch ohne ein gutes Exposé verkauft hätten.

Sich hier keine Mühe zu geben, macht aber nur Sinn, wenn man keine weiteren Aufträge erhalten möchte. Denn wir alle wissen, dass verkaufswillige Eigentümer zuerst einmal ins Portal sehen, um ihre Preisvorstellungen zu prüfen und dann bei der Überlegung, einen Makler zu beauftragen, schauen, wer ihnen zusagende Exposés entwickelt. Vermarktungsziele und die Rolle des Exposés darin entscheiden folglich darüber, was wie zu tun ist.

An welchen Stellen wird ein Exposé im Vermarktungsprozess wichtig?

Die Abbildung (S. 15) kann jeder im Markt nur für sich selbst deuten, zeigt aber wesentliche Möglichkeiten auf. Denn es gibt einen Unterschied zwischen Direktmarketing und Marken- oder Imageaufbau. Wer Immobilien nur nebenbei vermarktet, weil der Hauptumsatz gegebenenfalls aus anderen Geschäftsfeldern wie der Sachverständigentätigkeit kommt, wird logischerweise eher faktenorientiert handeln und sich auf wesentliche Informationen aus der Bewertung spezialisieren. Die beiden roten Pfeile, die nach links unten führen, sind ihm weniger wichtig, weil die Gewinnung weiterer Verkaufsaufträge nicht über diesen Kanal, sondern über die Sachverständigentätigkeit läuft.

Die Immobilie oder die Sache in den Vordergrund stellen?

Vorab ist uns allen klar. Übertreibungen führen nur zu Problemen und sollten davon unterschieden werden, eine Immobilie positiv und auch ein bisschen wohlwollend darzustellen. Die Grenze mag in der Praxis schwimmend sein, hat aber bei Überschreitung juristische Folgen, die vielleicht noch viel weniger relevant sind, wie der Imageschaden, der entstehen kann. Der Pfeil nach unten rechts zu den Rückfragen, weist auch darauf hin.

Manche Makler haben eine sehr klare Zielgruppe an Käufern und sich auf Marktsegmente spezialisiert. Hier helfen dann Beschreibungsmuster, in denen Textblöcke formuliert werden, die immer einem gängigen Schema folgen. Wenn diese richtig umgesetzt werden, erkennen Leser mehrere Exposés den roten Faden (gut für verkaufswillige Eigentümer) und wenn sie gut gemacht sind, sprechen sie hoffentlich auch in Märkten mit weniger Nachfrage die richtigen Interessenten an. Richtig hat hier natürlich mehrere Bedeutungen.

Selektionsfunktion

Marketing bedeutet nicht, dass möglichst viele Interessenten gewonnen werden, sondern die richtigen Personen sich melden und umgekehrt noch wichtiger, die nicht passenden Interessenten gar nicht erst Kontakt aufnehmen. Wenige Dinge sind lästiger, als nach langen Telefongesprächen mit Vorabinformationen dann doch bei der Besichtigung versetzt zu werden. Die verwendete Zeit ließe sich besser mit den richtigen Kunden investieren. Die Informationen im Exposé sollten also auch so gesteuert sein, dass sie dabei helfen, auszuwählen, wer wirklich in Frage kommt. Auch wenn sich dann andere melden, ist es zeiteffizient, auf freundliche Weise eine vorab definierte und auch mit Verkäufern oder Vermietern abgestimmte Linie zu halten.

Weitere Ansätze:
Neben den genannten Ansätzen gibt es noch viele Leitfäden. Eine mögliche Faustformel ist in der Literatur der so genannte MOOZINI-Ansatz. Damit entsteht eine hohe Nähe zum möglichen Nutzer der Immobilie. Jeder Buchstabe steht für einen Aspekt, dem man mindestens einen Satz in der Objektbeschreibung widmen soll:

  • M = Menschen,
    die hier einmal wohnen sollen.
  • O = Objekt
    über das geschrieben wird.
  • O = Ort,
    Lage, Lage, Lage ➡ aber für die oben genannten Menschen.
  • Z = Zeit
    in der die Geschichte spielt.
  • I = Interesse des Eigentümers,
    warum wird verkauft?
  • N = Nutzung,
    welche Nutzungsmöglichkeiten bietet die Immobilie?
  • I = Inspiration,
  • Vorschläge an den Käufer ➡ Nutzung/Umbau.

Vielleicht bietet dieser Ansatz ja manche Inspiration für die praktische Arbeit? Wer diesen trainieren, weitere kennenlernen und sich darüber auch mit Kollegen austauschen möchte, findet vielleicht im Web-Seminar am 16. November 2022 an der DIA die passenden Inputs!

 

Foto: © Adrian Schrödter