Lasst uns einen Plan schmieden

10. Juli 2023


Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass sich die Wohnungspolitik spiegelbildlich zur Lage im Wohnungsbau verhält: Immer weniger Baugenehmigungen, eine stagnierende Zahl fertiggestellter Wohnungen, ein Bau-Überhang von mittlerweile rund 885.000 Wohnungen. Dieser Bau-Stau ist ein Spiegelbild der fehlenden Handlungsbereitschaft der politischen Akteure: Lösungsvorschläge werden kaum umgesetzt. Das hoffnungsvoll gestartete Bündnis bezahlbarer Wohnraum tritt auf dem Fleck. Neben dem Bau-Überhang gibt es längst auch einen Entscheidungs-Überhang.

Von Dirk Wohltorf, IVD-Präsident

Während die Politik auf der Stelle tritt, dreht sich in diesem Jahr die Abwärtsspirale im Wohnungsbau munter weiter. Und der Druck auf die Mietwohnungsmärkte steigt. Denn jetzt reihen sich verhinderte Wohneigentümer in die Bewerberschlangen vor den Mietwohnungen ein.

Das gesellschaftliche Klima fürs Vermieten leidet

Während die Nachfrage nach Mietwohnraum steigt, verlieren derweil immer mehr Eigentümer die Lust aufs Vermieten. Kein Wunder! Das Mietrecht, das einen fairen Interessensausgleich zwischen Vermietern und Mietern sicherstellen soll, wurde in den vergangenen Jahren immer mehr zugunsten der Wohnungsnehmer verändert. Auch aus diesem Grund betrachte ich mit großer Sorge die jüngsten Entwicklungen bei der Energiewende im Gebäudebereich. Schon die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) löste eine große Debatte aus und verunsicherte Eigentümer wie Mieter. Was nun an europäischen Vorgaben ins Haus steht, wie die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie, fördert Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft.

Für uns beim IVD steht fest: Die Energiewende im Gebäudebereich spielt eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Aber ohne das Vertrauen und die Planungssicherheit für Eigentümer, Vermieter und Verwalter geht’s schief.

Gefahr sozialer Spannungen

Wegen der neuen staatlichen Vorschriften für die Gebäudeeffizienz steht für viele Menschen die Altersvorsorge auf dem Spiel. Dies ist nicht nur eine persönliche Tragödie für die Betroffenen, sondern birgt auch die Gefahr sozialer Spannungen. Wenn die Menschen das Vertrauen in ihre finanzielle Sicherheit verlieren, gerät unser gesamtes System ins Wanken. Wenn wir beim Klimaschutz vorankommen wollen, müssen wir einen integrativen Ansatz verfolgen und die Lasten gerecht verteilen. Das bedeutet, dass wir alle Beteiligten — Eigentümer, Makler, Verwalter, Vermieter und Mieter — ins Boot holen müssen. Doch jetzt sollen auf den Kosten des Heizungstauschs einseitig die Vermieter sitzen bleiben.

Es braucht selbstbewusste Abgeordnete

Die GEG-Novelle und die EU-Vorschriften treiben spürbar einen Keil in unsere Gesellschaft. Viele der Regelungen und die daraus erfolgenden finanziellen Belastungen wecken Widerstand. Es ist daher gut, wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hinschauen, Fragen stellen und nicht einfach akzeptieren, was aus dem Bundeskabinett oder aus Europa kommt.

Prioritäten setzen für mehr Wohnungsbau

Um den Entscheidungs-Überhang in der Wohnungspolitik abzubauen, ist mein Vorschlag: Lasst uns im Bündnis bezahlbarer Wohnraum einen echten Plan schmieden, wie der Neubau wiederbelebt und der Wohnungsbestand gestärkt werden kann. Vor wenigen Tagen haben wir dazu als IVD gemeinsam mit den anderen Verbänden in der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland BID ein Prioritätenprogramm vorlegt.

Wir konzentrieren uns dabei auf fünf Punkte: 1. Eine leichtere Finanzierung durch beispielsweise eigenkapitalersetzende Bürgschaften, 2. eine breit angelegte Förderung, die auch ordnungsrechtliche Grundstandards erfasst, 3. steuerliche Anreize wie die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen für Selbstnutzer und Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, 4. die Deregulierung kostentreibender technischer Vorschriften und 5. keine weitere Verschärfung des Mietrechts.

Foto: © Grafvision/AdobeStock