Generationenwechsel an der Ostsee

20. April 2018


An der Ostsee findet derzeit ein Generationenwechsel statt und davon profitiert auch der Immobilienmarkt. Als vor bald dreißig Jahren Deutschland wiedervereint wurde, entwickelte sich zwischen dem Priwall in Schleswig-Holstein und dem polnischen Swinemünde ein neues Urlaubsgebiet — die ostdeutsche Ostsee.

Von Sebastian Fischer

Der Boom der ersten Jahre ist einem steten und verlässlichen Wachstum gewichen. Heute teilen sich Ostdeutsche auf der einen und Westdeutsche sowie Niederländer und Skandinavier auf der anderen Seite die rund 2000 Kilometer Küstenlinie je zur Hälfte; die Anzahl der Touristen und Übernachtungen steigt kontinuierlich. Allein auf Usedom hat die Zahl der Übernachtungen zwischen den Jahren 2010 und 2017 um 22 Prozent zugenommen, Tendenz weiter aufwärts.

Ein Blick auf den Immobilienbestand an der deutschen Ostsee öffnet einem indes die Augen. Viel wurde in den Jahren nach der Wende saniert oder neu errichtet. Damals engagierten sich vor allem ansässige Hoteliers und waren über Jahre der Garant für die zunehmende Attraktivität der deutschen Ostsee. Auch manch ein Ressentiment, das in den frühen Jahren nach der Wende bestehen blieb — Stichwort „Ossi“, Stichwort „Wessi“ — konnte dank dieses Einsatzes für Gastlichkeit und Gastfreundschaft abgelegt werden. Urlauber aus ganz Deutschland zieht es nach Mecklenburg-Vorpommern, sie alle fühlen sich dort wohl.

Was aber geschieht nach nun bald dreißig Jahren mit den Hotels, Restaurants, Apartmenthäusern aus der Nachwendezeit? Zum einen kommt manch ein Hotelier und Restaurantbesitzer mittlerweile in ein Alter, in dem er sich auch den Übergang in den wohlverdienten Ruhestand gut vorstellen kann. Wer von 1990 bis 2018 hart gearbeitet und vorgesorgt hat, dem sei das auch von Herzen gegönnt. Die Frage aber stellt sich: Wer führt den Betrieb weiter? Und woher — eine nicht minder wichtige Frage — soll die nächste Generation das notwendige Kapital für Sanierung und Modernisierung nehmen?

Die meisten Gastgewerbe an der Ostsee sind in Familienhand. Die Kinder haben aber in den meisten Fällen keinerlei Immobilienerfahrung. Jetzt einen Kredit aufzunehmen, um den Familienbetrieb an den heutigen Standard anzupassen, kann sich als unkalkulierbares Risiko erweisen. Zumal sich herumgesprochen hat, dass das Gastgewerbe — um erfolgreich zu sein — zunehmend gehobene und luxuriöse Ansprüche bedienen muss. Andererseits ist klar: Wer jetzt nicht handelt, der wird den Bestand nur herunterwirtschaften, das wird dann gewiss zu einem Verlustgeschäft.

Einen guten Ausweg bietet da der kluge Verkauf. Die Preise für Bestände in Ostsee-Bestlagen haben eine hervorragende Entwicklung hinter sich. Derzeit sind — trotz fortgeschrittenem Immobilienzyklus — noch sehr gute Preise erzielbar, und die niedrigen Zinsen ermöglichen es Projektentwicklern, höhere Einkaufspreise zu zahlen.

Zeitgemäße Projektentwicklungen an der Ostsee setzen dabei zunehmend auf Teileigentum — also auf Sondereigentum an nicht Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum. Dieses Modell spricht derzeit überwiegend ostdeutsche und Berliner Käufer an, aber zunehmend auch private Anleger aus Westdeutschland. Die Möglichkeit, seine Ferienimmobilie an mehreren Wochen im Jahr selbst zu nutzen und für die restliche Zeit vermietet zu sehen, bietet die Chance, den Wunsch nach einem Urlaubsdomizil mit einer angemessenen Anlagestrategie zu verbinden. Nicht zu unterschätzen ist nämlich der steuerliche Vorteil, den Immobilien als Kapitalanlage bieten können.

Bringen wir also die beiden Gruppen an einen Tisch. Die Bevölkerung des Wendeaufbaus, die die Ostsee aus ihrem Dornröschenschlaf geholt und harte Pionierarbeit geleistet hat und die wachsende Klasse der beruflich erfolgreichen Mittelschicht mit Sehnsucht nach einer Ferienwohnung. Denn dass die Urlaubsimmobilie nach wie vor zum Lebenstraum der Deutschen gehört, hat sich auch in der nächsten Generation nicht geändert. Waren früher indes Refugien auf Mallorca und Teneriffa der Inbegriff des deutschen Zweitwohnungstraums, so heißen sie heute Rügen und Usedom.