„Wir lassen sozusagen die Hosen runter.“

31. August 2020


Digitale Makler-Startups haben auch in der Schweiz Einzug gehalten. Gelockt wird mit günstigeren Konditionen, niedrigen Provisionen und schnelleren Prozessen. Christine Hegglin ist geschäftsführende Inhaberin einer Immobilienvermittlungsfirma in Zug und erklärt im AIZ-Interview, wie sie damit umgeht und nach welchem Provisionsmodell sie Immobilien verkauft.

Interview von Sandra Borchert

AIZ: Frau Hegglin, in Deutschland kann man sich als Makler bald nur noch zwischen der Innenprovision und der Provisionsteilung entscheiden. Wie ist das in der Schweiz?

Christine Hegglin: In der Schweiz wird — soweit mir bekannt ist — fast immer für den Eigentümer gearbeitet und der Makler wird von diesem provisioniert. Von Gesetzes wegen ist es nicht erlaubt, von beiden Seiten Provision zu nehmen, so wie das in Deutschland üblich ist. Entweder arbeite ich für den Käufer oder dann Verkäufer, beides zusammen geht nicht. Also in unserem Marktgebiet ist es einfach so üblich. Der Käufer ist (noch) nicht bereit, eine Provision zu zahlen.

Wie erklären Sie Ihren Kunden die Innenprovision?

Es braucht keinen Erklärungsbedarf, da die Außenprovision bei uns nicht üblich ist. Derjenige, der die Leistung in Auftrag gibt, zahlt auch dafür.

Warum entscheiden sich Eigentümer, ihre Immobilien von Ihnen verkaufen zu lassen?

Man kennt und vertraut uns. Mein Vater hat vor 40 Jahren als junger Architekt angefangen und inzwischen sind wir ein beachtliches Familienunternehmen geworden. Neben der klassischen Maklertätigkeit bieten wir architektonische Anpassungen an der neuen Immobilie an — seien dies Planänderungen, Fassaden-Neugestaltungen, Aufstockungen, 3D-Visualisierungen, sodass sich ein Käufer besser vorstellen kann, wie sein neues Zuhause danach aussehen könnte — was die Verkäuflichkeit massiv steigert. Ein Beispiel: Einer Käuferschaft gefällt die Küchen/Wohnzimmereinteilung nicht, die Zwischenwand muss raus, das kann alles gezeichnet werden. Und bei Immobilien, die den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechen, stellen wir bereits im Vorfeld eruierte Kostenzusammenstellungen einer allfälligen Sanierung/Umgestaltung auf und geben diese ab.

Es gibt auch kaum ein Unternehmen in unserem Marktgebiet, das so präsent ist, wie wir. Das heißt wir stehen an unseren Ständen im Einkaufszentrum und beraten potenzielle neue Kunden. Wir haben regelmäßig Vorträge über den Immobilienkauf und -verkauf und bieten Workshops an, bei denen wir älteren Menschen aufzeigen, wie sie von der Frage „Was mache ich mit meiner Immobilie?“ zum Resultat kommen. Außerdem sind wir bei allen wichtigen Messen vertreten. Wir haben eine sehr große Kaufinteressenten-Datenbank, die ständig aktualisiert wird. Wir wissen dadurch mit welcher Art Käufer wir es zu tun haben. Wir wollen die Immobilien nicht bekannt machen, sondern verkaufen. So können wir ganz konkret auf passende Kaufinteressenten zugehen und nicht selten unter der Hand verkaufen.

Schlussendlich kommt es beim Verkäufer auf sein Bauchgefühl an. Er muss überzeugt sein, dass wir seine Immobilie verkaufen, als wäre es unsere. Dass wir Kundenbedürfnisse erkennen und die Verhandlungsstärke besitzen, um für alle Parteien die beste Lösung zu finden. Weil eine Immobilie zu inserieren und dann lediglich die Türe zur Immobilie zu öffnen — ist nicht schwer.

Wie überzeugen Sie die potenziellen Kunden von Ihren Leistungen?

Im persönlichen Gespräch. Zum Beispiel bieten wir Vorträge an. Da kommen die Eigentümer, die sich noch nicht trauen den Makler anzurufen, um sich zu informieren. Die setzten sich dann einfach mal rein und hören zu. Das ist insofern ganz spannend, als dass sie immer entspannter und offener werden, je länger man mit ihnen spricht. Ganz viele Aufträge erhalten wir eben durch diese Vorträge, weil wir den Eigentümern wirklich zeigen, worauf es ankommt. Wir lassen sozusagen die Hosen runter. Am Ende des Vortrages weiß der Eigentümer, was wir wann und wo machen.

Wie ist die aktuelle Wettbewerbssituation unter Maklern in der Schweiz?

Ich denke, das ist ähnlich wie in Deutschland. Dadurch, dass der Maklerberuf In der Schweiz nicht geschützt ist, ist es jedem erlaubt, als Makler tätig zu sein. Wir haben also sehr viele Konkurrenten. Darunter sind sehr viele, die keine Erfahrung haben und dementsprechend auch ganz schnell wieder vom Markt verschwinden. Man sagt, dass circa 85 Prozent aller neuen Makler innerhalb von drei Jahren wieder in den Konkurs gehen. Das ist so ein bisschen wie bei Ebbe und Flut, wenn man das beobachtet.

Gerade in unserer Region haben wir wirklich viele Konkurrenten. Allerdings sind nur einige davon wirklich große Firmen. Die anderen sind eher kleine Firmen, Ein-Mann- oder Ein-Frau-Betriebe, die das ein bisschen nebenbei machen. Inzwischen haben auch die Banken begonnen zu makeln. Wir schwimmen in einem richtigen Haifischbecken.

Nun sind auch digitale Anbieter wie Neho in der Schweiz aufgetreten. Diese Unternehmen bieten praktisch den Immobilienverkauf zum Festpreis an. Wie gehen Sie mit diesen neuen Wettbewerbern um?

Wir registrieren, dass sie kommen und den Markt aufwirbeln. Andererseits ist Wettbewerb natürlich auch gut für das Unternehmen. Nur so verbessert man sich täglich. Die digitalen Makler werben damit, dass sie die Prozesse vereinfachen und nützliche Technologien entwickeln. Das machen wir auch. Wir sind sozusagen Pioniere, wenn es darum geht, neue Tools einzurichten. Wir haben zum Beispiel schon von Anfang an die virtuelle Tour verwendet.

In unserem Marktgebiet waren wir mit die ersten, die angefangen haben mit Drohnen zu arbeiten. Wir waren auch mit die ersten, die die Möglichkeit eingeführt haben, dass unsere Eigentümer 24 Stunden, sieben Tage die Woche Zugang zu unserer Datenbank haben, damit die Eigentümer wirklich ganz transparent informiert werden. Das sind alles Dinge, die wir, im Gegensatz zu anderen Maklern, schon lange anbieten. Wir richten uns danach, wann unser Kunde Zeit hat. Bei vielen Maklern ist zum Beispiel ab 17 Uhr und am Wochenende niemand da. Bei uns ist das anders. Wir gehen mit unserer Dienstleistung in Vorleistung. Wir begleiten den Kunden bis zum Notartermin und beziehen unser Honorar erst nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages.

Viele andere machen das nicht. Da wird schon mal für ein Exposee eine bestimmte Summe verlangt und dann eine weitere Summe für jede einzelne Besichtigung. Da frage ich mich dann immer: „Wie motiviert ist jemand, wenn er sein Honorar schon im Vorfeld bekommt?“ Dadurch, dass wir das Honorar erst im Nachhinein bekommen, sind wir hoch motiviert, das Geschäft bestmöglich abzuschließen. Wir kümmern uns um die benötigten Unterlagen. Jede Immobilie hat nur eine Chance und die muss wirklich genutzt werden. Das wichtigste ist aber der richtige Verkaufspreis, denn man verliert, wenn man zu hoch auf den Markt geht. Da braucht es oft Aufklärungsarbeit bei den Eigentümern.

Es sieht zwar interessant aus, wenn man andere Makler sieht, die vordergründig günstig sind. Aber das bringt ja dem Eigentümer auch nichts, wenn er am Ende die Immobilie gar nicht oder zu einem viel zu niedrigen Preis verkauft. Da lohnt es sich darüber nachzudenken, wer der richtige Makler ist. Und schlussendlich sollte man sich überlegen: Viele kleine Beträge summieren sich am Ende auch zu einem anständigen Honorar.

Wie nehmen die Kunden die im Vergleich zu digitalen Anbietern höhere Maklerprovision bei Ihnen an?

Auf den ersten Blick sind die vermeintlich günstigeren Konditionen attraktiver. Aber eben nur auf den ersten Blick. Die Schwierigkeit ist tatsächlich, dass sich Menschen grundsätzlich durch günstige Angebote täuschen lassen. Hier ist Aufklärungsarbeit notwendig.

Ich nehme mir lieber einen renommierten Makler, der mir meine Immobilie verkauft, als wäre es seine eigene. Der nur dann provisioniert wird, wenn das Geschäft zur Zufriedenheit aller abgeschlossen wurde.  Der selbst am bestmöglichen Verkaufspreis interessiert ist und der für mich die beste Lösung sucht. Der nur mit wirklich interessierten und kaufwilligen Interessenten besichtigt. Der meine Immobilie verkauft und nicht nur bekannt machen will. Es kommt nicht darauf an, wie hoch die Provisionen sind, sondern, was der Eigentümer am Ende für einen Nettoerlös erzielt. Wenn ich durch einen Profi einen höheren Preis erzielen kann, weil er weiß, wie er eine Immobilie verkaufen muss und dies auch kann, dann bin ich bereit als Kunde auch den entsprechenden Service zu zahlen.