New Economy und Immobilienbranche – Teil 2

24. Juli 2017


Fragt man die meisten Immobilienspezialisten nach der wichtigsten Entscheidungsgrundlage bei Immobilieninvestments, kommt immer dieselbe Antwort: LLL, also Lage, Lage, Lage. „Gute Lagen behalten immer ihren Wert“ bekommt man oft zu hören. Zweifelsfrei ist die Lage einer Immobilie sehr wichtig… Von Gerald B. Hörhan

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Gerald B. Hörhan Der Manager und Immobilieninvestor Gerald. B. Hörhan – alias der Investment Punk – berichtet in seiner Kolumne von seinen Erfolgsgeschichten und Einschätzungen.

Allerdings wird ein Faktor, der die Wertentwicklung einer Immobilie noch stärker beeinflussen kann als die Lage, meist grob unterschätzt: Der Einfluss der Politik auf die Immobilienmärkte: Anstelle LLL müsste es heißen „PPP“, also Politics, Policies and Procedures.

Der Londoner Immobilienmarkt, einer der größten, internationalsten und liquidesten Immobilienmärkte der Welt, bietet ein anschauliches Beispiel. In den letzten 12 Monaten sind die Immobilienpreise um bis zu 20% in lokaler Währung gefallen, für internationale Investoren durch den Pfundverfall noch deutlich stärker. Auf den ersten Blick scheint der Preisverfall leicht erklärbar: Die Brexit Entscheidung, eine völlig unerwartete und unplanbare, rein politische Entwicklung ist für diesen Preisverfall verantwortlich. Banken und andere Firmen siedeln nach Frankfurt, Dublin, Berlin oder Paris, ausländische Investoren meiden das Vereinigte Königreich, es gibt weniger Mieter und Käufer für Londoner Immobilien.

Bei genauerer Betrachtung ist diese Erklärung jedoch nur die halbe Wahrheit. Denn der Preisverfall in London war nicht gleichmäßig verteilt. Und nicht die schlechten Lagen haben am meisten an Wert verloren, sondern die BESTEN Lagen. Wie kann das sein, werden die „LLL“ Immobilienexperten fragen. Die Antwort liegt in Änderungen der englischen Steuerpolitik und Bankenregulierung.  Die englische Regierung hat nämlich für teure Immobilien ab einem Kaufpreis von 1.5 Millionen Britische Pfund eine Land Transfer Tax eingeführt, und zwar in saftiger Höhe von 12.5% des Kaufpreises, zahlbar beim Verkauf einer Immobilie. Wo gibt es viele Wohnungen mit einem Preis von mehr als 1.5 Millionen? Sicherlich öfters in den Toplagen Belgravia oder Mayfair als in Hackney oder Brixton.

Ebenso gab es eine Empfehlung der englischen Finanzmarktaufsicht an die englischen Banken, bei Immobilienkäufern, die zwar über hohes Vermögen aber ein vergleichsweise niedriges persönliches Einkommen verfügen – darunter fallen viele Unternehmer – die Finanzierung von Wohnungen zu erschweren und für derartige Kredite wesentlich mehr Eigenkapital zu verlangen. Der Brexit war folglich zu ca. 40% des Preisverfalls verantwortlich (Gesamtlondoner Markt ist um ca. 8% in lokaler Währung gefallen), der Preisverfall bei den Toplagen war primär der englischen Steuergesetzgebung geschuldet.
Wie das Londoner Beispiel eindeutig belegt, spielt Politik eine ganze wesentliche Rolle bei der Preisfindung von Immobilien, insbesondere auch von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Veränderungen der Bauordnung, der Widmungen, der Gestaltungssatzungen und anderer Regularien. Egal ob es um den Bau einer Mülldeponie oder einer Autobahn, einer Fussgängerzone oder einer U-Bahn Linie geht (alles Entscheidungen, die lokale Immobilienpreise um 20-30% verändern können), es sind politische Entscheidungen. Dasselbe gilt für Mietpreisregulierung, Immobilienbesteuerung, Mietrecht oder Bauauflagen.

Immobilien gelten als sicheres und planbares Investment, im Gegensatz zu Aktien und vielen anderen Anlagenformen. Teilweise zu Unrecht. Denn mehr als viele Anlageklassen sind Immobilienpreise extrem stark von politischen Entscheidungen abhängig. Politik war schon immer unplanbar, aber die politischen Risiken sind in den letzten Jahren wohl deutlich gestiegen. Im Taumel eines Immobilienbooms, getrieben durch Niedrigstzinsen, wird darauf gerne vergessen. Aber die nächste politische Überraschung lässt sicher nicht lange auf sich warten.
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