Die wichtigsten Fragen zu baulichen Veränderungen innerhalb von Wohnungseigentumsanlagen (Teil 1)

30. Dezember 2021


In Folge 8 der AIZ-Serie zur WEG-Reform geht es um die Neuordnung der Regelungen zu den baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Vorschriften wurden im Rahmen der WEG-Reform einschneidend reformiert. Mit der Neufassung der Vorschriften verfolgte der Gesetzgeber drei Ziele: Erstens sollten Beschlüsse über bauliche Veränderungen einfacher gefasst werden können, zweitens sollte es jedem Wohnungseigentümer ermöglicht werden, bauliche Veränderungen durchzusetzen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz und dem Glasfaseranschluss dienen, und drittens sollten die Vorschriften klarer als bislang gefasst werden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.

Von Rechtsanwalt Dr. Marco Tyarks

Hierdurch sollen insbesondere Sanierungs- und sonstige energetische Maßnahmen gerade im Hinblick auf die Klimaschutzziele leichter möglich werden. Die geltende Rechtslage führte nach Ansicht des Gesetzgebers dazu, dass der bauliche Zustand der Wohnungseigentumsanlage „versteinert“ werde. Die baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums werden nun in §§ 20, 21 WEG geregelt. § 20 WEG befasst sich mit den Voraussetzungen an eine bauliche Veränderung, § 21 WEG regelt hingegen die Frage, wer die Kosten der baulichen Veränderung zu tragen hat und die Nutzungen ziehen kann.

Welche unterschiedlichen Möglichkeiten der baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums sieht das Gesetz nun vor?

Die Vorschrift des § 20 WEG gliedert sich in vier Absätze. § 20 Abs. 1 WEG weist die Beschlusskompetenz für bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums wie bisher den Wohnungseigentümern zu.

Für eine Beschlussfassung über eine bauliche Veränderung ist nun eine einfache Stimmenmehrheit ausreichend.

Nach § 20 Abs. 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz und dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen. Nach § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer darüber hinaus verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer einverstanden sind, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung über eine bauliche Veränderung soll lediglich unter den Voraussetzungen der sogenannten Veränderungssperre des § 20 Abs. 4 WEG entfallen.

Können die Wohnungseigentümer nun jedwede bauliche Veränderung mit einfacher Mehrheit beschließen?

Die Wohnungseigentümer können mit einfacher Mehrheit eine bauliche Veränderung beschließen, sofern diese nicht unter die Veränderungssperre nach § 20 Abs. 4 WEG fällt. Hierbei kommt es nicht mehr darauf an, dass einzelnen Wohnungseigentümern über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen werden.

Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage wird vornehmlich bei erheblichen Neubau- oder Abrissarbeiten des Bestandes in Betracht kommen, wobei Bezugspunkt die Anlage als Ganzes ist. Beispiele hierfür können im konkreten Einzelfall Aufstockungen von Gebäuden und Errichtungen neuer Gebäude sein. In seiner zweiten Alternative greift die Veränderungssperre des § 20 Abs. 4 WEG, wenn die baulichen Veränderungen einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt.

Sofern eine bauliche Veränderung beschlossen wird, die unter die Veränderungssperre fällt, ist der Beschluss nicht etwa nichtig, sondern nur anfechtbar. Wird der Beschluss folglich nicht angefochten, erwächst dieser in Bestandskraft und einzelne Wohnungseigentümer können sich hiergegen grundsätzlich nicht mehr zur Wehr setzen.

Bedarf es einer Beschlussfassung, wenn der Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung verlangen kann?

Ist ein Wohnungseigentümer berechtigt, eine bauliche Veränderung zu verlangen, hat er einen Anspruch, dass die anderen Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung beschließen.

Auch für den Fall, dass ein Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung verlangen kann, ist eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die bauliche Veränderung erforderlich.

Die Beschlussfassung erfolgt ebenso mit einfacher Mehrheit. Lehnen die Wohnungseigentümer den Beschluss über die bauliche Veränderung ab, muss der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung verlangt, sein Recht im Rahmen einer Beschlussersetzungsklage durchsetzen.

Kann der Wohnungseigentümer, der eine bauliche Veränderung verlangt, selbst bestimmen, wie er diese umsetzt?

Verlangt ein Wohnungseigentümer nach § 20 Abs. 2 WEG eine bauliche Veränderung, die dem Gebrauch durch
Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz und dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen, können die anderen Wohnungseigentümer im Rahmen ihres Ermessensspielraums detaillierte Vorgaben für die bauliche Durchführung machen, die der Wohnungseigentümer zu berücksichtigen hat. Die anderen Wohnungseigentümer können aber auch beschließen, dass die Bauausführung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Kosten des bauwilligen Wohnungseigentümers erfolgt. Verlangt der Wohnungseigentümer hingegen die Gestattung einer baulichen Veränderung nach § 20 Abs. 3 WEG, bei der alle Wohnungseigentümer einverstanden sind, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben
unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, besteht kein Recht der Wohnungseigentümer auf die Art und Weise der baulichen Maßnahme Einfluss zu nehmen oder diese selbst durchzuführen.

 

Die wichtigsten Fragen zu baulichen Veränderungen (Teil 2) — Nutzungen und Kosten

Das WEMoG und die damit verbundene Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) haben gerade bei den baulichen Veränderungen zu großen Änderungen geführt. Tatsächlich handelt es sich sogar um eines der Herzstücke der Reform. In der Praxis sind bauliche Veränderungen häufig Gegenstand der Erörterungen mit Wohnungseigentümern und dann auch von Beschlussfassungen. Dementsprechend wichtig ist es für Verwalterinnen und Verwalter, die geltenden Regelungen zu kennen und zielsicher anwenden zu können.

Von Rechtsanwalt Dr. Niki Ruge

Leitend war für den Gesetzgeber des WEMoG bei den baulichen Veränderungen insgesamt die Absicht,
klarere Regelungen zu schaffen und Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. Die neue gesetzliche Systematik sieht wie folgt aus: § 20 WEG regelt die Grundlagen, also beispielsweise was eine bauliche Veränderung ist und unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf hat. Demgegenüber befasst sich § 21 WEG mit den Nutzungen und Kosten einer baulichen Veränderung, also der Folgenseite. Kosten in diesem Sinne meint den finanziellen Herstellungsaufwand (Bau-
kosten) einschließlich der Folgekosten.

Wie sieht die neue gesetzliche Konzeption aus?

Grundsätzlich will der Gesetzgebereinen Gleichlauf von Kosten und Nutzungen. Wer für eine bauliche Veränderung bezahlt, soll in den Genuss der aus ihr resultierenden Vorteile kommen. Dieser Grundsatz findet sich in § 21 Abs. 1 WEG wieder. Gemeint ist insoweit derjenige Wohnungseigentümer, der die konkrete bauliche Veränderung veranlasst hat. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass alle Wohnungseigentümer eine Maßnahme zu bezahlen haben. Das gilt dann, wenn sie im Gesamtinteresse liegt und mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen sowie der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde (und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist), oder sich die Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren (§ 21 Abs. 2 WEG).

In diesem Fall steht auch allen Eigentümern ein Anteil an den Nutzungen zu. Weitere Differenzierungen ergeben sich dann aus den beiden folgenden Absätzen. Eine von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen können die Wohnungseigentümer durchaus beschließen. Sie dürfen dabei einem Wohnungseigentümer, der nach den gesetzlichen Regelungen von Kosten frei bleibt, aber keine Kosten auferlegen (§ 21 Abs. 5 WEG).

Welche weiteren Differenzierungen gibt es?

Sie ergeben sich aus § 21 Abs. 3 und Abs. 4 WEG. Ist weder Abs. 1 noch Abs. 2 einschlägig, sind die Kosten einer baulichen Veränderung nur von denjenigen Eigentümern zu tragen, die den Beschluss über ihre Durchführung gefasst haben, insoweit also mit „ja“ gestimmt haben. Nur ihnen gebühren dann die Nutzungen. Ferner erlaubt § 21 Abs. 4 WEG einem Wohnungseigentümer, der einer baulichen Veränderung zunächst nicht zugestimmt hat, seine Meinung nachträglich zu ändern.

Er kann verlangen, dass ihm die Nutzung doch noch gestattet wird. Allerdings muss er sich in diesem Fall auch an den Kosten beteiligen. Das stellt den vom Gesetzgeber gewollten Gleichlauf zwischen Kosten und Nutzung her. Insgesamt ergibt sich auf diese Weise ein recht ausgefeilter Mechanismus mit mehreren Differenzierungen.

Was bedeutet das in der Praxis? Ein Beispiel

Stellen wir uns vor, eine Wohnungseigentümerin im fortgeschrittenen Alter kann ihre Wohnung nur noch mit Schwierigkeiten erreichen. Der Weg durch das Treppenhaus ist für sie sehr beschwerlich geworden. Sie hat aber in Erfahrung gebracht, dass die Installation eines Treppenliftes technisch möglich und für sie hilfreich wäre.

Damit geht es um eine bauliche Veränderung im Individualinteresse der betroffenen Eigentümerin. Über diese bauliche Veränderung ist eine Beschlussfassung herbeizuführen, und zwar derart, dass entweder der Eigentümerin die Durchführung gestattet wird oder dass die Gemeinschaft sie für die Eigentümerin durchführt.

In letzterem Fall werden die Kosten, die zunächst die Gemeinschaft trägt, an die Eigentümerin weiterbelastet. Allerdings darf auch nur sie den Treppenlift nutzen. Kosten sind insoweit vor allem die Kosten der Herstellung der baulichen Veränderung. Zu den relevanten Kosten zählen darüber hinaus die Kosten des Gebrauchs und der Erhaltung der Anlage sowie ferner die mit ihrem späteren Rückbau verbundenen Kosten.

Was hat es damit auf sich, wenn eine bauliche Veränderung mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wird?

Bei einer baulichen Veränderung, die im Gesamtinteresse (und nicht im Individualinteresse, siehe vorstehendes Beispiel) liegt, sind die Kosten in diesem Fall von allen Wohnungseigentümern zu tragen, unabhängig davon, ob sie zugestimmt haben oder nicht.

Es handelt sich um eine doppelt-qualifizierte Mehrheit. Sie erfordert mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und zusätzlich das Überschreiten der Hälfte der Miteigentumsanteile. Deshalb muss in der Versammlung ermittelt werden, wieviele Miteigentumsanteile auf die Ja-Stimmen entfallen. Führt die bauliche Veränderung jedoch zu unverhältnismäßigen Kosten, scheidet eine Kostenbeteiligung der überstimmten Eigentümer wiederum aus.

Maßgeblich sind nicht nur die zu erwartenden Baukosten, sondern auch die zukünftigen Folgekosten. Wann Kosten in diesem Sinne unverhältnismäßig sind, wird die Rechtsprechung sicherlich in den kommenden Jahren von Fall zu Fall klären müssen. Dem Erreichen der doppelt-qualifizierten Mehrheit gleich gestellt ist übrigens der Fall, dass die Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.

Was muss ein Eigentümer unternehmen, um sich nachträglich in eine bauliche Veränderung „einzukaufen“?

Manche Eigentümer werden einer baulichen Veränderung zunächst skeptisch gegenüber stehen. Ursache dafür können gerade bei größeren Maßnahmen die mitunter nicht unbeträchtlichen Kosten sein. Wer in diesem Fall gegen die Veränderung stimmt, wird jedenfalls im Grundsatz nicht mit Kosten belastet. Er darf dann aber auch nicht an dem Nutzen teilhaben. Dabei ist es durchaus denkbar, dass der von der Nutzung ausgeschlossene Eigentümer im Laufe der Zeit seine Meinung ändert und doch teilhaben möchte.

Diese Möglichkeit räumt ihm das Gesetz ein; er kann verlangen, dass ihm die Nutzung nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Dasselbe gilt für Sondernachfolger, also den Erwerber. Der angemessene Ausgleich ist in dem Gestattungsbeschluss festzusetzen. Ganz regelmäßig wird es sich um einen finanziellen Ausgleich, einen Geldbetrag handeln. Ausgangspunkt für seine Bemessung sind die bislang angefallenen Kosten. Der Anspruch auf Gestattung besteht jedoch nur unter der Voraussetzung, dass eine nachträgliche Teilhabe an der Nutzung billigem Ermessen entspricht.

Umstände des Einzelfalls können den Anspruch unter diesem Aspekt also durchaus ausschließen. Der angemessene Ausgleich und die Schranke des billigen Ermessens werden die Rechtsprechung sicherlich noch intensiv beschäftigen. Insoweit sind „Leitplanken“ durchaus wünschenswert, und die Entwicklung sollte beobachtet werden.

Was gilt es noch zu bedenken?

Die Wohnungseigentümer können eine von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen aber einem Wohnungseigentümer, der nach den gesetzlichen Regelungen frei von Kosten bleiben soll, keine Kosten auferlegt werden. Insoweit besteht also eine Grenze für die Gestaltungsfreiheit. Im Übrigen aber ist Spielraum vorhanden, um den jeweiligen Verhältnissen und Besonderheiten in einer Gemeinschaft beziehungsweise in der sie bildenden Eigentümerschaft Rechnung zu tragen. Auch die Art der beabsichtigten baulichen Veränderung mag insoweit eine Rolle spielen. Verwalterinnen und Verwalter sollten diesen Spielraum sinnvoll nutzen.

 

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