Der Käufermarkt als Chance

12. Januar 2023


Maklerinnen und Makler, die seit weniger als zehn Jahren in ihrem Beruf tätig sind, finden sich derzeit in einer völlig neuen,für sie unbekannten Welt wieder und reiben sich ungläubig die Augen: Objekte, bei denen man sich vor einem Jahr noch gegen etliche Mitbewerber durchsetzen und vor allem den Verkäufer vom Privatverkauf abbringen musste, werden einem jetzt von den Verkaufswilligen auf dem Tablett zur Vermarktung serviert. Häuser, die einem in 2021 trotz suboptimalem Zustand und einfacher Lage aus der Hand gerissen wurden, hängen jetzt wie Blei in den Portalen fest. Dass der Markt sich vom Verkäufer- zu Käufermarkt dreht, ist nicht zu leugnen. Dies zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse einer Marktumfrage, die der IVD im November unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat und die auf den folgenden Seiten auszugsweise präsentiert werden: die Nachfrage sinkt, das Angebot steigt, die Vermarktungsdauer nimmt zu, die Preise fallen. Stellt diese Gemengelage für Makler zwangsläufig eine negative Entwicklung dar? Das wollte das AIZ-Immobilienmagazin von den Maklerinnen und Maklern wissen, die im IVD-Bundesfachausschuss Makler regelmäßig Handlungsempfehlungen für ihre Kollegen erarbeiten. Heraus kamen zehn ganz unterschiedliche Antworten auf eine Krise, die durchaus ihre Chancen bereit hält. Schließlich ist die Sternstunde des Intermediärs stets die Phase der Marktveränderung und der Verunsicherung: Dann ist derjenige, der den Markt versteht und erklären kann, besonders wichtig.

 

EINS

Qualität statt Quantität

Achim Amann, BLP Investments GmbH, Berlin:

Der Markt befindet sich im Wandel. Weg vom Verkäufer- hin zum Käufermarkt. Das heißt, viele Makler werden umdenken müssen. Klarer Fokus auf die Verkäufer- und die Käuferberatung. Erwartungsmanagement, Konflikte lösen zwischen den beiden Parteien. Ab sofort zählt noch mehr die Qualität des Maklers und nicht die Quantität. Was kann es Besseres geben? Unser Verband steht für Qualität wie kein anderer.  Der IVD setzt gezielt auf Qualität und Transparenz. Die Mitgliedschaft bietet vielen gerade kleinen Maklerunternehmen die Chance auf Selbständigkeit und Erfolg. Ein Fokus wird besonders das Gemeinschaftsgeschäft und die Einhaltung der klaren Standesregeln sein. Wir als Makler haben die Aufgabe, Menschen ins Eigentum zu bringen. In den kommenden Monaten und Jahren kommt es auf die Kommunikatoren und Mediatoren an. Wir werden kurzfristig weniger Transaktionen beobachten. Das bedeutet für uns alle mehr Arbeit bei niedrigerem Einkommen. In dieser Phase werden aber auch viele Marktteilnehmer den Markt verlassen, so dass für die anderen, die Qualität abliefern und konsequent mit Charakter die Krise bewältigen, genügend Geschäft übrigbleiben wird. Schwer wird es in Zukunft für die Marktteilnehmer, die auf Masse setzen, wie zum Beispiel die Leadverkäufer, die Discountmakler oder die sogenannten Hybridmakler, wenn nicht auch diese sich hin zur Qualität verändern. Die Phantasie vom ewigen Wachstum ist vorbei. Wir werden während der Krise viele neue Disruptoren erleben, die wir heute noch gar nicht auf dem Schirm haben. Das sorgt für Spannung und wird uns insgesamt als Berufsgruppe weiterbringen, ganz im Sinne meines Lieblingszitats von Victor Hugo: „Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

 

ZWEI

Den Markt erklären und Ängste nehmen

Arno Kupec, KP-International Immobilien, Hofheim am Taunus:

Was vor zehn Jahren für Immobilienmakler, Finanzierer, Käufer und Verkäufer normal war, ist für viele heute undenkbar. Vor zehn Jahren waren fünf Prozent und vor 20 Jahren neun Prozent Zinsen völlig normal. Ein Prozent Zinsen gab es in den letzten 50 Jahren nicht. Die letzten drei Jahre waren also, was Finanzierungen betrifft, die außergewöhnlichsten Zinsen seit dem zweiten Weltkrieg. Für diejenigen, die aber erst seit drei oder vier Jahren Immobilien suchen und finanzieren, war die aktuelle Situation gefühlt normal. Umso größer ist derzeit der Schreck für viele, gehen doch die Zinsen auf ein „normales“ Maß wieder zurück.

Unsere Aufgabe als Makler ist es, damit richtig umzugehen. Die aktuelle Situation, inklusive der steigenden Kosten erfordert, dass Makler sich auf ihr Können und Wissen als Dienstleister gegenüber Käufern und Verkäufern konzentrieren. Halten Sie als Makler Ihr Wissen und Ihr Können im Vordergrund. Zeigen Sie, was Sie können, denn der Kunde muss erkennen, warum er gerade Sie für eine Vermittlung, ob Vermietung oder Verkauf, beauftragen soll. Gleichwohl sollen Käufer und Verkäufer ein gutes Gefühl haben, bei Ihnen zu kaufen und zu mieten. Bilden Sie sich daher in ihrer Dienstleistung immer weiter aus, bleiben Sie nicht in Ihrem Wissen stehen und bieten Sie Ihrem Kunden Ihre „Unique Selling Proposition“ an. Bleiben Sie mit Ihrem Kunden im ständigen Kontakt, denn die Ungewissheit des Marktes bedrängt auch Ihren Kunden. Nehmen Sie ihm die Angst und helfen Sie ihm zum Erfolg.

 

DREI

Der Bestand als Chance

Dirk Wohltorf, Wohltorf Immobilien, Berlin:

Privatangebote gehen in den Portalen deutlich zurück. War es Privatverkäufern im Verkäufermarkt häufig möglich, ihre Immobilien ohne die Beauftragung eines professionellen Maklers zu verkaufen, scheint jetzt die Zeit der Profis gekommen zu sein. Die Herausforderungen sind andere als vor einem Jahr: Drei bis vier Fotos sowie eine kurze Beschreibung über die Immobilie zu machen, eine Online-Bewertung zu erstellen, hier dann noch mal 20 Prozent draufzuschlagen, das Ganze dann in den großen Portalen zu inserieren, dutzende Anfragen zu erhalten und schließlich mit einem Kaufinteressenten zum Notar zu gehen. Das war einmal — diese Zeit ist vorbei. Jetzt muss verkauft und nicht mehr verteilt werden. Insbesondere im Bestand haben Makler jetzt große Chancen und Vorteile gegenüber Privatverkäufern oder „0/8/15“-Maklern. EPBD — Energy Performance of Buildings — bei uns bekannt als EU-Gebäuderichtlinie fordert professionelles Know-How. Viele Marktteilnehmer haben die Herausforderungen noch nicht ansatzweise verstanden. Jetzt kommt die Zeit der Profis, der IVD Makler! Ich bin sicher, dass sich damit die Maklerquote bei den Verkäufen erhöhen wird.

 

VIER

Die Preisfindung als Dreh- und Angelpunkt

Wieland Münch, Limbach Immobilien, Bonn:

In den vergangenen Jahren hat die Nachfrage nach Immobilien zum Kauf das verfügbare Angebot um ein Vielfaches übertroffen, was insbesondere durch die historisch niedrigen Finanzierungszinsen noch erheblich begünstigt wurde. Vereinzelt kam es daher zu der Situation, dass Käufer bereit waren, mehr als den geforderten Kaufpreis zu bezahlen. Dies führte vermehrt dazu, dass immer mehr Maklerkollegen aufgrund des geringen Objektbestandes die vorhandenen
Immobilienangebote zu den Wunschpreisen der Verkäufer am Markt platziert haben oder Mindestpreise herauslegten, die im Bieterverfahren von den Kaufinteressenten überboten werden mussten. Hierbei blieb vielfach die notwendige Fachberatung und professionelle Kaufpreiseinwertung auf der Strecke und die Immobilien wurden eher verteilt als verkauft. Durch die steigenden Finanzierungskosten sind viele Käufer nicht mehr bereit und wirtschaftlich auch nicht mehr in der Lage, erhöhte Kaufpreise zu bezahlen, die vor einigen Monaten durch das günstige Zinsumfeld gegebenenfalls erzielbar waren. Daher ist es nun wichtiger denn je, Immobilienangebote mit einem realistischen und marktgerechten Kaufpreis am Markt zu platzieren und sich nicht nur an den Angebotspreisen im Internet zu orientieren. Darüber hinaus sollte die Beratung des Verkäufers und auch des Käufers ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt in der Vermittlung sein. Schließlich werden wir im Erfolgsfall, was grundsätzlich das Ziel sein sollte, entsprechend von beiden Seiten honoriert.

Es sollte immer das Ziel eines jeden Makler sein, jede Immobilie, die er im Auftrag hat, auch tatsächlich zu dem von ihm professionell eingewerteten Kaufpreis zu veräußern. Am Ende einer erfolgreichen Vermarktung sollte es daher immer drei zufriedene Parteien geben — den Verkäufer, den Käufer und natürlich den professionellen IVD-Makler.

 

FÜNF

Klare Vermittlungsstrategie bei Auftragserteilung

Peter Schürrer, Schürrer & Fleischer Immobilien, Bruchsal:

Aktuell legen wir unseren Fokus auf das Coachen des gesamten Teams. Dazu schulen wir in Teambesprechungen und begleiten unsere Makler im Außendienst direkt beim Kunden. Die Coaches sind Makler aus unserem Hause, die diesen Markt selbst vor rund 20 Jahren bereits erlebt haben. Jetzt sind wieder Immobilienmaklerinnen und Makler gefragt, die sich fachlich und preislich auskennen und verhandeln und überzeugen können. Jetzt ist es wieder „Arbeit“, Kaufinteressent und Verkäufer erfolgreich zum Notar zu bringen. In der Akquise legen wir den Schwerpunkt auf Vermittlungsaufträge, bei denen auch ein tatsächlicher Verkaufsgrund vorliegt. Bereits bei der Auftragserteilung legen wir mit unserem Auftraggeber eine gemeinsame Vermittlungsstrategie fest: Wenn keine oder zu wenige Besichtigungen resultieren und keine Angebote abgegeben werden, sollte der Angebotspreis nach vier bis sechs Wochen um mindestens zehn Prozent reduziert werden. Unser Bestprice-Anspruch bleibt dabei natürlich bestehen.

 

SECHS

Vertriebsintelligente Maklerexpertise

Alexandra Richter, DKB Grund GmbH, Berlin:

Der Wandel am Immobilienmarkt eröffnet uns Maklern eine Chance, wenn wir uns wieder auf unsere originären Kompetenzen konzentrieren. Mit dem Ende des Nachfrageüberhangs am Immobilienmarkt sammeln wir als Immobilienprofis wieder Argumente für unsere Beauftragung. Fundierte Marktkenntnisse, rechtliches Know-how und Expertise rund um eine exzellente Immobilienvermarktung sind gefragt, wenn Immobilien sich nicht mehr problemlos am Markt platzieren lassen und die Bonität von Käufern wieder eine größere Rolle spielt. Fachliche und vertriebliche Kompetenzen werden wichtiger, um in der Zukunft Käufer und Verkäufer gezielt zusammenzubringen.

Wenn es uns gelingt unsere Maklerexpertise vertriebsintelligent zu platzieren, ist es eine große Chance, wieder mehr als Immobilienspezialist am Markt wahrgenommen zu werden.

 

SIEBEN

Anpassung der Vertragslaufzeiten

Stephan Vollmer, Alfred Vollmer Immobilien KG, Wuppertal:

Es ist wieder Zeit für die klassische Vermittlung von Immobilien. Dazu gehört insbesondere eine gute Verkäuferbetreuung, beginnend mit einem qualifizierten Einkaufsgespräch, gefolgt von einem ständigen Reporting für den Verkäufer bis hin zu der Anpassung der Vertragslaufzeiten an die aktuelle Marktsituation von mindestens vier bis sechs Monaten. Zur klassischen Vermittlung zähle ich auch die Wiederbelebung von in Vergessenheit geratenen Verkaufsinstrumenten zur Finanzierungshilfe des Käufers, wie zum Beispiel die Verkäufergrundschuld.

 

ACHT

Gesuchs-Marketing

Sven Keussen, Rohrer Immobilien, München

In Zeiten rückläufiger Nachfrage ist sind Suchaufträge und das „Gesuchs-Marketing“ ein guter Anker für die Auftragsakquise. Gemeinschaftsgeschäfte und klassisches Absatzmarketing sowie eine intensive Begleitung und professionelle Auftragskommunikation sind immer schon und insbesondere aufgrund der veränderten Marktsituation unabdingbar und grundlegende Erfolgsfaktoren.

 

NEUN

Expansion des Leistungsangebots

Dr. Guido Stracke, KSK Immobilien GmbH, Köln:

Gerade für jüngere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in den letzten Jahren nur Märkte mit hoher Nachfrage und steigenden Preisen kennengelernt haben,
ist die aktuelle Marktsituation neu und löst Verunsicherung aus. Als Arbeitgeber ist es wichtig, diesen qualifizierten Mitarbeitern ihre Sorgen vor erheblichen und anhaltenden Einkommensrückgängen zu nehmen und ihnen Wege zu zeigen, auch in diesem Marktumfeld weiterhin erfolgreich zu sein. Hierbei geht es nicht nur darum, wie man jetzt in einem Käufermarkt erfolgreich verkauft, sondern insbesondere auch darum, wie man marktgerecht einkauft. War es in den letzten Jahren oftmals eine Frage, wer den höchsten Verkaufspreis verspricht, treten jetzt wieder Verkaufsargumente, wie beispielsweise eine große Gesuchsdatenbank in den Vordergrund.

Der Sorge vor einem Zusammenbruch der Immobilienmärkte sollte mit einer verstärkten Aufklärung über die Preisbildung und Preisentwicklung bei Immobilien begegnet werden. Der Einfluss der Zinsen auf die massive Preisdynamik der letzten Jahre muss dabei genauso transparent gemacht werden wie die stabilisierende Wirkung des weiterhin anhaltenden Angebotsmangels in Folge von zu wenig Neubautätigkeiten.

Die aktuelle Marktsituation macht auch noch einmal deutlich, wie sinnvoll es ist, Geschäftsprozesse rund um den Immobilienverkauf ganzheitlich zu denken. Vermietungsleistungen, Modernisierungsberatung, Gutachtenerstellung, et cetera. sind Dienstleistungen, die nicht nur bei der Vermittlung helfen, sondern auch zusätzliche Ertragsquellen sein können.

 

ZEHN

Selektive Auftragsakquise

Jan Mettenbrink, Maison Immobilien, Buchholz:

Wir Makler sollten bei der veränderten Marktsituation wieder den Mut haben, Aufträge abzulehnen und nur noch Aufträge annehmen, die zu einem realistischen Preis angeboten werden können. Wird die Immobilie zum überhöhten Preis angeboten, gibt es eh keine Resonanz — es werden also nur Kosten
produziert. Wird zum realistischen Preis angeboten, dann gibt es Resonanz und dann auch einen Kaufabschluss.Ich empfehle jedem Makler, sich nicht mehr auf die zum Teil überzogenen Preisvorstellungen der Eigentümer einzulassen. Seien Sie professionell, wenn es um die Preisgestaltung geht, und zeigen Sie Rückgrat. Dann sind Sie auch in dem veränderten Marktumfeld erfolgreich und werden als professionelle Immobilienfachkraft wahrgenommen.

 

ELF

Zeit für Weiterqualifizierung

Dirk Radde, Radde Immobilien, Halle (Saale)

Ein Großteil der IVD-Unternehmer sind keine schwerfälligen Tanker, sondern wendige Schnellboote, die in der Lage sind, auf veränderte Marktsituationen flexibel zu reagieren. In den Zeiten, in denen Verkäufe nicht in der gewohnten Anzahl stattfinden, könnten sich die kleinen und mittelständischen Immobilienunternehmen unter anderem verstärkt auf das Vermietungsgeschäft und kostenpflichtige Marktwertanalysen konzentrieren.

Damit die Schnellboote auch immer gut aufgetankt sind, könnte die Zeit auch für zusätzliche Weiterbildung/Qualifikation/ Zertifikate genutzt werden. Das Besinnen auf die eigene Stärke und das Hervorheben der Mitgliedschaft im IVD als qualifiziertes Unternehmen wird den Unterschied ausmachen zu den Unternehmen, welche diese Zeiten möglicherweise nicht überstehen werden.