(Keine) Entlastung bei fehlerhafter Abrechnung

19. Mai 2023


Die Entlastung des Verwalters und des Verwaltungsbeirates ist häufig Gegenstand auf Tagesordnungen von Eigentümerversammlungen. Erfahrungsgemäß werden diese Tagesordnungspunkte in der Regel routiniert und ohne viel Aufheben abgearbeitet. Aber auch insoweit kann es sich lohnen genau hinzuschauen. Zumindest in dem hier besprochenen aktuellen Fall wäre der Wohnungseigentümergemeinschaft dadurch nämlich eine rechtliche Auseinandersetzung erspart geblieben.

Von Rechtsanwalt Dr. Niki Ruge

Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sieht im Hinblick auf die Aufgabenverteilung zwischen Verwalter und Verwaltungsbeirat eindeutige Regelungen vor. Der Verwalter erstellt einen Wirtschaftsplan und die darauf aufsetzende spätere Jahresabrechnung. Dabei wird er, falls erforderlich oder gewünscht, vom Verwaltungsbeirat unterstützt. In jedem Fall soll der Verwaltungsbeirat, bevor die Eigentümer in einer Versammlung diesbezügliche Beschlüsse fassen, Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, wie durch den Verwalter vorgelegt, prüfen und mit seiner Stellungnahme versehen.

Erst danach findet die Behandlung in einer Versammlung aller Eigentümer mit Aussprache und Beschlussfassung statt. Der Verwaltungsbeirat ist an dieser Stelle also die erste Prüfungs- und Korrekturinstanz. Fehler sollten ihm auffallen, und sie sollten ebenso in einer schriftlichen Stellungnahme festgehalten werden.

Landgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 22. Dezember 2022 – 2-13 S 77/21

Allerdings bleiben Fehler manchmal unbemerkt. Die klagenden Eigentümer wenden sich gegen zwei Beschlüsse, die in einer Versammlung gefasst wurden und die Entlastung des Verwalters sowie des Verwaltungsbeirates betreffen. Sie berufen sich dabei insbesondere darauf, dass die in derselben Versammlung beschlossene Jahresabrechnung fehlerhaft gewesen sei, weil eine Differenz von rund 300 Euro bestanden habe. Angefochten wurde der diesbezügliche Beschluss jedoch nicht. Vor dem Amtsgericht haben die Kläger keinen Erfolg. In der Berufungsinstanz gibt ihnen das Landgericht jedoch recht und hebt beide Entlastungsbeschlüsse auf.

Der rechtliche Kontext

Ein Beschluss, mit dem einem Verwalter oder dem Verwaltungsbeirat Entlastung erteilt wird (Entlastungsbeschluss), enthält nach herrschender Meinung jedenfalls in der Rechtsprechung die Billigung eines bestimmten Handelns. In der Regel — und so auch vorliegend — wird dabei getrennt Beschluss gefasst, nämlich einerseits zum Verwalter und andererseits zum Verwaltungsbeirat. Dementsprechend kann das Ergebnis also unterschiedlich ausfallen.

Neben der Billigung beinhaltet ein Entlastungsbeschluss nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aber auch ein negatives Schuldanerkenntnis derart, dass einer Gemeinschaft gegen den Entlasteten keine Ansprüche mehr zustehen. Das ist durchaus im Interesse von Verwalter und Verwaltungsbeirat, weil dadurch Rechtssicherheit geschaffen wird. Allerdings muss sich ein solcher Entlastungsbeschluss an den für Beschlüsse allgemein geltenden Maßstäben messen lassen. Hält er einer solchen Prüfung nicht stand, wird er im Rahmen einer fristgemäß erhobenen Anfechtungsklage für ungültig erklärt und somit aufgehoben. Ein wichtiger Prüfungsmaßstab in diesem Zusammenhang ist der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Er besitzt viele Facetten und ist in seiner Gesamtheit nicht leicht zu überblicken. Im Hinblick auf Entlastungsbeschlüsse lässt sich aber sagen, dass sie nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn keine Anhaltspunkte für Ansprüche einer Gemeinschaft gegen den Zuentlastenden (Verwalter oder Verwaltungsbeirat) erkennbar sind.

Das war vorliegend nach Meinung des Landgerichts nicht der Fall. Denn die Abrechnung wies unstreitig eine Differenz von rund 300 Euro auf; sie war somit fehlerhaft. Deswegen bestehe zumindest ein Anspruch auf Erstellung einer korrigierten Abrechnung gegen den Verwalter. Der Verwaltungsbeirat müsse diese neue Abrechnung wiederum prüfen und mit seiner Stellungnahme versehen. Gegen ihn bestehe deswegen ebenfalls ein Anspruch.

Dass die Abrechnung tatsächlich nicht angefochten wurde, mithin bestandskräftig geworden war, blieb insoweit ohne Auswirkung. Das Landgericht stellt auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ab. Anders gewendet: Für die Beurteilung der Frage, ob ein Entlastungsbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, kommt es unter dem Aspekt des maßgeblichen Zeitpunktes auf die Versammlung und nicht auf den Eintritt der Bestandskraft an.

Schlussfolgerungen für die Verwaltungspraxis

Sicherlich kann man sich über diese Entscheidung in einzelnen Punkten weitergehende Gedanken machen. So ist der Beschluss über die Jahresabrechnung noch nach altem Recht ergangen. Nach heute geltendem Recht wird nicht mehr über eine Jahresabrechnung, sondern über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der Vorschüsse Beschluss gefasst. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

Auch ist nicht rechtlich zwingend davon auszugehen, dass eine fehlerhafte Abrechnung automatisch zu (Schadens-) Ersatzansprüchen gegenüber dem Verwaltungsbeirat führt. Darauf kommt es für eine Prüfung seiner Entlastung am Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung aber auch nicht an. Denn sie entspricht diesem Prüfungsmaßstab bereits dann nicht, wenn Ansprüche irgendeiner Art ernsthaft in Betracht kommen.

Was aber in jedem Fall Zustimmung verdient, ist die Erkenntnis, dass ein Entlastungsbeschluss – unabhängig davon, wem die Entlastung erteilt wird – nur gefasst werden sollte, wenn man sich zuvor Gewissheit darüber verschafft hat, dass gegen den Zuentlastenden keine Ansprüche mehr bestehen. Insoweit steht der Verwalter eher im Fokus als der Verwaltungsbeirat, weil sein Pflichtenkreis größer ist und damit korrespondierend die Anzahl möglicher Ansprüche. Eine Entlastung ohne diese Prüfung birgt die Gefahr einer erfolgreichen Anfechtungsklage und setzt die Gemeinschaft mithin einem finanziellen Risiko aus.

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