Alter Güterbahnhof wird aus Dornröschen-Schlaf erweckt

12. Juli 2019


Auf dem alten Güterbahnhof im Lübecker Stadtteil St. Lorenz plant DIE WOHNKOMPANIE Nord GmbH ein neues, grünes Quartier als moderne Ergänzung zur historischen Innenstadt. Bis 2024 sollen hier mehr als 300 Wohnungen, Büros und Gastronomie entstehen. Geschäftsführerin Nicole Müller erzählt im AIZ-­Interview von den besonderen Herausforderungen und Chancen bei der Konversion einer Industriefläche und der Planung mit Bestand.

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AIZ: Bis in die 90er Jahre rollten auf dem ca. 80.000 Quadratmeter großen Gelände noch Güterzüge. Seitdem ist der Güterbahnhof eine Brache mit verrosteten Gleisen, fast zerfallenen Hallen und einem verrotteten Wasserturm. Was erwartet uns dort in Zukunft?

Nicole Müller: Den größten Teil der Neubebauung machen sehr unterschiedliche Formen von Wohnungen aus: geförderte und frei finanzierte Mietwohnungen, Eigentumswohnungen, Stadthäuser mit Gärten, Senioren- und eventuell auch Studentenappartements. Ergänzt wird das Quartier voraussichtlich durch gewerbliche Nutzung wie zum Beispiel ein Hotel, Büros und Coworking Spaces, eine Kita, aber vor allem durch einen öffentlich zugäng­lichen Stadtpark als grüne Mitte. Eine bunte multi­funktionale Mischung also, in der sich ganz unterschiedliche Menschen in diversen Lebenslagen wiederfinden können — sozusagen ein Viertel für alle.

Welche Bedeutung hat das Quartier für Lübeck?

Das Areal ist zentral und liegt in direkter Nähe zur Innenstadt und zum Hauptbahnhof. Es fügt sich dadurch ideal in den Leitspruch Lübecks als „Stadt der kurzen Wege“ ein. Das Quartier stärkt das Wohnungsangebot im sehr dicht besiedelten Stadtteil St. Lorenz Süd. Dort gibt es seitens der Bürger den großen Wunsch nach Freizeitflächen bzw. öffentlichen Grünflächen. Der Stadtteilpark, der sich von Ost nach West durch das gesamte Quartier ziehen wird, ist daher ein wichtiger Bestandteil unserer Quartiersentwicklung.

Welche zukunftsweisenden Ideen verfolgen Sie mit diesem Projekt?

Die Entwicklung von Mischquartieren ist definitiv ein Trend, den wir beobachten können. Wohnen, Freizeit und Arbeiten an einem Ort zu vereinen und die Quartiersentwicklung nachhaltig auch in Bezug auf Flächeneffizienz zu überdenken wird immer wichtiger. Quartiere müssen sich öffnen, nicht nur ihren Bewohnern, sondern auch ihren Nachbarn. Wir gehen weg von abgeschotteten Inseln und lassen die Menschen durch öffentliche Flächen und Angebote Teil des Quartiers werden.

Was sind die besonderen Herausforderungen des Grundstückes?

Das Areal am alten Güterbahnhof ist sehr lang und schmal geschnitten. Alle Nutzungen zu integrieren, ohne sich gegenseitig zu stören, ist deshalb eine zentrale Aufgabe. Umso mehr, weil es gilt, kurze Wege zu schaffen. Alt-Bestand ist immer eine Herausforderung. Landmark des Geländes ist ein denkmalgeschützter Wasserturm.

Neben den Herausforderungen, worin liegen die Chancen von Alt-Bestand?

Alt-Bestand gibt einem Areal eine Grundstruktur – das macht das Projekt spannend. Durch die Kombination mit neuen Elementen ergeben sich oft ganz neue Räume. Mir persönlich liegt vor allem der ganz besondere Charme der alten Gebäude am Herzen. Das ist immer eine gewisse Gradwanderung, denn diese Gebäude entsprechen natürlich nicht den heutigen Ansprüchen und Anforderungen. Diesen gerecht zu werden und gleichzeitig den Charakter der Immobilie zu schützen ist eine extrem interessante und herausfordernde Aufgabe.

Wie integrieren Sie mehr als hundert Jahre alte Gebäude in das moderne Quartier?

Das kommt immer auf das Gebäude an. Der denkmalgeschützte Wasserturm auf unserem Gelände hat zum Beispiel nicht die nötige Größe, um eine effektive Nutzung einzubringen. Er kann zum Beispiel in das Konzept eines anderen Gebäudes integriert werden oder mit Sondernutzungen bespielt werden wie Kunstausstellungen oder kleinen Events. Wichtig ist es, dass der Charakter erhalten bleibt.

Was begeistert Sie am Projekt Güterbahnhof?

Wir haben es hier mit einer ungenutzten Industriefläche zu tun, die sich sozusagen in einer Art Dornröschen-Schlaf befindet. Dieses Potenzial aufzuwecken, mit Leben zu füllen und den Menschen aus dem gesamten Stadtteil wieder zur Verfügung zu stellen, ist eine sehr große Motivation für mich. Für mich gibt es keine „nutzlosen“ Flächen, sie müssen nur der richtigen Nutzung zugeführt werden beziehungsweise eine geschickte und nachgedachte Planung erfahren. Wir haben hier die Chance, ein Konzept zu entwickeln, das die historische Altstadt Lübecks modern ergänzen könnte.

Zum Abschluss, wie sieht der Zeitplan des Projektes aus?

Den nächsten wichtigen Meilenstein erreichen wir voraussichtlich im zweiten Quartal 2020, wenn der B-Plan rechtskräftig wird. Wir möchten so früh wie möglich mit der Erschließung beginnen. Für Ende 2020 ist der Baustart des gewerblichen Nordteils des Quartiers angedacht. Der Wohnungsbau könnte dann 2021 beginnen und die Gesamtfertigstellung streben wir für spätestens 2024 an. (hs)

Foto: © Wohnkompanie Nord