Altersarmut ist Mieterarmut

12. November 2020


Dass in Deutschland das Risiko für Altersarmut hoch ist, ist weitgehend bekannt. Eine der wichtigsten Ursachen ist laut einem aktuellen Gutachten des Pestel-Instituts aus Hannover die hohe Mieterquote in deutschen Haushalten. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Armutsrisiko und Wohnsituation. Demnach droht Mieterhaushalten deutlich häufiger Altersarmut als Wohneigentümern.

Als einen der wichtigsten Faktoren erachtet das Pestel-Institut in seinem „Wohn-Radarzum Eigentum in Deutschland“, das im Auftrag des Verbändebündnisses Wohneigentum erstellt wurde, die Wohnkostenbelastung. Der Untersuchung zufolge beträgt die Wohnkostenbelastung bei zwei Dritteln aller Mieterhaushalte in Deutschland mehr als 30 Prozent. Im Vergleich: Entsprechend hoch ist die Wohnkostenbelastung nur bei rund zehn Prozent der Wohneigentümer – 90 Prozent der Eigentümer haben eine Wohnkostenbelastung von unter 30 Prozent. Die monatliche Belastung des Haushaltseinkommens durch Wohnkosten ist bei Eigentümern damit deutlich geringer als bei Mietern. In der Folge kommt es bei Eigentümern auch weitaus seltener zu einer Wohnkostenüberlastung, von der man ab einer monatlichen Belastung von 40 Prozent spricht.

Vor diesem Hintergrund fordern das Pestel-Institut und das Verbändebündnis Wohneigentum, dem auch der IVD angehört, eine gezielte Förderung der Wohneigentumsbildung, zumal die Entwicklung der Eigentumsquote in Deutschland in den vergangenen Jahren weiterhin negativ verlief. Lag die Eigentumsquote im Jahr 2010 noch bei 45,7 Prozent, so ist sie bis zum Jahr 2018 um 1,3 Prozent auf nun 44 Prozent gesunken. Besonders starke Rückgänge bei der Eigentumsquote sind in der Altersgruppe der 25- bis 40-Jährigen zu verzeichnen. Dort ist die Quote derer, die Wohneigentum besitzen, seit 2002 sogar um fünf Prozent gesunken. Aus demografischer Perspektive ist daher damit zu rechnen, dass die Eigentumsquote in Deutschland in den kommenden Jahren nochmals sinken wird.

Umso wichtiger ist nun laut Verbändebündnis Wohneigentum ein konzertiertes Maßnahmenpaket, um mehr Wohneigentum in Deutschland zu ermöglichen. Gerade in der Altersgruppe der 25- bis 60-Jährigen gibt es dem Gutachten zufolge 7,2 Millionen Haushalte, die mit Blick auf das Nettohaushaltseinkommen über realistische Chancen der Eigentumsbildung verfügen.

Im Einzelnen hat das Verbändebündnis folgende Forderungen formuliert.

1. Zielgruppenspezifische Wohneigentumsförderung

Die Fördermaßnahmen für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum sollte auf so genannte Nestbauer-Haushalte sowie auf Empty-Nest-Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen zugeschnitten werden durch:

Eigenkapitalbürgschaften zur Wohneigentumsbildung:
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollte ein Bürgschaftsprogramm zur Eigenkapitalergänzung aufgelegt werden.

Kreditprogramme für Schwellenhaushalte:
Zum Erwerb von „kleinem Wohneigentum“, zum Beispiel 60 bis 70 Quadratmeter für einen Zweipersonenhaushalt, mit längerfristiger Zinsbindung von 20 bis 30 Jahren und zu stabilen Zinskonditionen von 1,5 Prozent.

Sicherheitsfonds zur Wohneigentumsbildung nach niederländischem Vorbild:
Bei Zahlungsverzug übernimmt der Fonds den Kredit von der Bank und kann die Gefahr einer Zwangsversteigerung deutlich abmildern, bis der Kreditnehmer neue Konditionen verhandelt hat.

Keine zweite Grunderwerbsteuer für kleines Wohneigentum:
Die Grunderwerbsteuer sollte beim Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum unter Berücksichtigung einer Wohnflächenbegrenzung entfallen. 

2. Aktive Bodenpolitik

Durch eine gleichermaßen nachhaltige wie aktive Bodenpolitik könnten Städte und Kommunen großzügig Bauerwartungsland im Flächennutzungsplan ausweisen, es erwerben, zu Bauland entwickeln und es dann Bauträgern und -Entwicklern unter Auflagen zur Verfügung stellen (Wiener Modell). Die Wohnungsbaupotenziale auf den Dächern von Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie die Umnutzung von Nichtwohngebäuden müssen in Angriff genommen werden.

3. Stärkung der Verkehrs- und digitalen Infrastruktur

Insbesondere in Ballungszentren und deren Umfeld, aber auch in ländlichen Bereichen, ist die Entscheidung, Wohneigentum zu bilden, mit der Frage nach vorhandenen Verkehrs- und Infrastrukturanbindungen verknüpft. Die Verbesserung der Erreichbarkeit der Zentren durch eine Modernisierung aller Verkehrssysteme ist Voraussetzung für die Nutzung der in kleineren Orten vorhandenen Wohn- und Nachverdichtungsmöglichkeiten. Dieses Ziel wird auch durch eine verbesserte digitale Anbindung ländlicher Räume zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort und zur Gewährleistung von Heimarbeit erreicht.

Aus Sicht des Verbändebündnisses ließe sich durch ein kluges Zusammenspiel dieser Maßnahmen die Eigentumsquote in Deutschland in den kommenden Jahren erhöhen. Damit wiederum könne ein aktiver Beitrag zur Verhinderung von Altersarmut geleistet werden.

Dem Verbändebündnis „Wohneigentum“ gehören an: die Bundesarchitektenkammer (BAK), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), der Immobilienverband Deutschland (IVD) und der Verband Privater Bauherren (VPB). Das Verbändebündnis besteht seit 2016. (ivd)