„Aufgrund von betrieblichen Umstrukturierungen sehen wir uns leider gezwungen…“

27. Januar 2023


Während sich andere Branchen mit akutem Personalmangel und Problemen beim Recruiting herumschlagen müssen, geht es in der Immobilienbranche quasi andersherum: seit dem Sommer werden vermehrt Mitarbeiter entlassen, Unternehmen werden hoffungsvoll umstrukturiert, teilweise musste bereits Insolvenz angemeldet werden. Was sind die Gründe?

Von Mira Schnittger

Egal ob Hybrid- oder Gewerbemakler, Projektentwickler, Vermarktungsplattform oder Investmentmentmanager — was hat dazu geführt, dass die Erfolgskurve der zuletzt so erfolgreichen Unternehmen nun flach bleibt? Im Sommer 2022 musste der Hybridmakler Homeday die ersten Kündigungen von fast einem Fünftel der Belegschaft verkünden, im Oktober packten 56 weitere Mitarbeiter ihre Kisten. Auch bei der bekannten Immobilienplattform McMakler wurde 100 Beschäftigten betriebsbedingt gekündigt. Das war erst der Anfang, denn die Nachrichten von Entlassungen, Umstrukturierungen und Insolvenzen bei Immobilienunternehmen ebbten in der Folge nicht ab.

Der Erfolg der letzten Zahlen

So etwa bei der Berliner Ziegert Group: 2021 noch lag das Verkaufsvolumen bei 635 Millionen Euro, nun trennte man sich im Rahmen einer Neugestaltung der Unternehmensstrategie und der Strukturen „von einer Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ wie das Unternehmen durch eine Pressemitteilung verlauten ließ.

Auch bei McMakler ging es in letzter Zeit nur in eine Richtung: nach oben. 1000 Mitarbeiter sorgten für einen Umsatz von 92 Millionen Euro, zudem wurde das Unternehmen mit 800 Millionen Euro bewertet, war also auf dem Weg, ein Start-up mit Milliardenwert — ein sogenanntes Unicorn — zu werden. Bei Homeday dürfte es ebenfalls bis zuletzt sehr gut gegangen sein: 2021 schloss man mit 44 Prozent mehr an Vermittlungsaufträgen ab, das Transaktionsvolumen stieg auf über 1,5 Milliarden an.

Insolvenzen, um die Neustrukturierung anzustoßen

Bei anderen Unternehmen ging gleich ganz das Licht aus: etwa beim Projektentwickler Terragon, einst auf Projekte für das Wohnen im Alter spezialisiert. Woanders hofft man mit dem Insolvenzantrag, Neustrukturierungen anzukurbeln, so erhofft vom Bauunternehmen Harfid. Auch die Immobilienplattform Realbest, einst als erfolgsversprechendes Prop-Tech zur Vermittlung von Wohnimmobilien glücklich an den Start gegangen, stellte im Sommer den Insolvenzantrag. Im September folgte die Insolvenz beim Gewerbemakler Comfort. Dort war man in Deutschland in der Vermittlung von einzelhandelsgenutzten Immobilien führend geworden.

Krisen, die zur Krise führen

Wie Anfang Dezember bekannt wurde, wird auch die Patrizia SE Mitarbeitende entlassen. Der Investmentmanager bestätigte, dass noch zum Ende des Jahres Stellen „im mittleren einstelligen Prozentbereich in ausgewählten Funktionen an Patrizias internationalen Standorten“ gestrichen werden müssen. Schuld sei die weltumfassende Schwäche der Konjunktur, die zu einem Rückgang der Performance und der Transaktionsgebühren geführt habe.

Corona, Energie, Kaufzurückhaltung, steigende Zinsen, erhöhte Lebenshaltungskosten, steigende Baupreise — aus der aktuellen Lage resultiert eine große Unsicherheit, das merken wir auf allen Ebenen. Aber sind es „nur“ die Krisen, die zu Kündigungswellen und Geschäftsaufgaben führen? Wie das Onlineportal Gründungsszene berichtete, schaut eine Sprecherin von McMakler auf das „gesamtwirtschaftliche Umfeld“, dessen „verändernde Situation“ der Grund für die Kündigungen sei. Auch müsse man vor diesem Hintergrund auf die Kostenkontrolle achten. So dürfte es anderen Wachstumsunternehmen auch gegangen sein. Auf die in den letzten drei Jahren entstandenen Krisen schien man — verständlicherweise — nicht ausreichend vorbereitet, der Fokus lag vor allem bei den ehemaligen Start-ups vielleicht zu sehr auf dem Ausbau der Marke.

Und so hart es auch klingen mag: Bei dem einen ist der Weggang von zahlreichen Mitarbeitern wahrlich kein Grund zur Freude — schließlich bedeutet er auch den Verlust von Umsatz, Erfolg und Reputation — für den anderen aber ist es eine große Chance. Schließlich kommt damit gut ausgebildetes Fachpersonal auf den Markt, das dringend einen neuen Job sucht.

 

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