Brauchen wir im Zeitalter von Facebook, Turnschuhen und sich duzen noch eine Business-Etikette?

13. März 2019


Spricht man über Business-Etikette, ist Freiherr von Knigge, der vermeintliche Benimm-Papst, nicht weit. Sein Anliegen war es, den Menschen etwas an die Hand zu geben, damit die Verständigung über Hierarchien hinweg leichter und erfolgreicher würde. Er wollte den Menschen also Hilfsmittel an die Hand geben, damit sie es leichter hätten. Es ging ihm nicht um starre Regeln, die das Leben eng und unflexibel machen. Hintergrund dafür war seine Wachsamkeit und seine scharfe Beobachtung am Hof, wo die Bürger und Bauern häufig abgewiesen wurden, weil sie die Gepflogenheiten des Hofes nicht kannten. Und das missfiel Knigge.

Von Britta Balogh

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Nun ist es selbstverständlich, dass sich über 200 Jahre hinweg wohlgemeinte Regeln und der Umgang miteinander ändern. Infolgedessen stellt sich die oben genannte Frage. Natürlich steht es uns frei, alle Konventionen und hilfreichen „Leitplanken“ abzuschaffen. Dies hat allerdings u.a. zur Folge, dass wir uns schon morgens vor dem Kleiderschrank stehend fragen sollten:

Was liegt heute an? Wen spreche ich heute? Welche Termine habe ich? Was möchte ich übermitteln an Know-how, an meinen Werten – wofür stehe ich? Was ist die Erwartungshaltung meines Gesprächspartners?

Ein Beispiel: Haben Sie ein luxuriöses Objekt an der Hand, und ein Investor vereinbart einen Besichtigungstermin mit Ihnen, wird er irritiert sein, wenn Sie verschwitzt von Ihrem schnellen Fahrrad in Jeans, Turnschuhen und T-Shirt steigen und ihm nun Ihr tolles Objekt schmackhaft machen wollen. In dem Moment sind Sie nicht authentisch, was Ihren Anspruch an Ihren Beruf, Ihre Objekte, Ihr Können und Ihren Kundenkreis angeht. Zudem sollte Ihr Investor im hochwertigen Anzug mit Krawatte erscheinen, fühlt er sich durch Ihren Aufzug geringgeschätzt und nicht ernst genommen. Gleiches Spiel gilt, wenn Sie zum Kunden zu einem Gespräch, oder einer Geschäftsanbahnung gehen. „Gut gekleidete Menschen gelten per se als kompetent.“ Wenn wir auf die Formel 55-38-7 schauen, die besagt, dass 55% unserer Kommunikation aus unserem Auftreten und Erscheinungsbild bestehen, 38% aus der Stimme und dem möglichen Dialekt und nur 7% aus dem gesprochenen Wort – also den Inhalten, dann wird schnell klar, dass wir uns gut überlegen sollten, ob wir die 55% vernachlässigen wollen. Auch dafür können Sie sich entscheiden. Nur seien Sie gewahr, dass Sie viel mehr Anstrengungen und Zeit brauchen, um mit den 7% an Ihr Ziel zu kommen.

Und damit sind wir beim wichtigsten Thema: Seien Sie wachsam, aufmerksam und nehmen Sie wahr. Nehmen Sie sich und Ihr Gegenüber wahr! Entscheiden Sie sich bewusst für Ihren Auftritt und auch für die möglichen Konsequenzen. In der heutigen Zeit haben wir nunmehr ein Bouquet an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, mit dem wir spielen können. Die Herausforderung ohne unsere Leitplanken ist, die richtige „Blume“ zum richtigen Zeitpunkt herauszuziehen und uns damit erfolgreich zu präsentieren. Gehen Sie nicht davon aus, dass allen alles ohnehin egal ist und dass es nicht auf das äußere Erscheinungsbild ankommt.

Sie merken, wir sprechen über non-verbale Kommunikation. Dazu gehören neben einem gepflegten Erscheinungsbild und dem erwähnten Auftritt, Gestik, Mimik und der Augenkontakt. Laut Paul Watzlawick, Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Soziologe, Philosoph und Autor, können wir nicht nicht kommunizieren. Da wir immer und über alle Kanäle kommunizieren, ist unsere Wahrnehmung essentiell. Die Wahrnehmung auf uns – was tun wir, wie kleiden wir uns, wie ist unser Auftritt, wie ist unsere Körperhaltung, wie unsere Körpersprache, als auch auf unser Gegenüber. Die Qualität unserer Wahrnehmung ist der Schlüssel zur Qualität unseres Handelns. Eine verzerrte Wahrnehmung löst unweigerlich auch ein ungeeignetes Handeln aus.

Bleibt die Frage nach der Ansprache. Wie steht es nun um das so gängige „Du“? Wir sind doch alle locker, jung und sowieso eine große Familie. Wo ist also das Problem? Der lockere Umgang ist im Wesentlichen von jungen Leuten und der so oft bemühten Start-Up-Branche losgetreten worden. Sie macht es sich zu Nutze, um auf einer scheinbar persönlichen Ebene zu kommunizieren und dadurch Nähe und Vertrautheit entstehen zu lassen. Allerdings sollte man nie jemanden ungefragt duzen, denn das ist übergriffig und respektlos und bewirkt genau das Gegenteil.

Legere Umgangsformen mögen für den einen lässig und zeitgemäß sein. Das ist die eine Seite der Medaille, die für den Einzelnen ja durchaus richtig und stimmig sein mag. Die Frage ist, wie sieht es mit der anderen Seite der Medaille aus? Empfindet das mein Gegenüber genauso oder hat sie/er vielleicht eine andere Vorstellung, eine andere Erwartungshaltung und ein anderes Respektverständnis? Wir sollten immer über beide Seiten der Medaille nachdenken.

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