Büro als Campus Gemeinsam anstatt einsam

19. Oktober 2022


Bei größeren Büroneubauten sowie umfangreichen Refurbishments werden oft zusätzliche Nutzungen wie Kitas, Hotels und Supermärkte eingeplant. Man spricht dann von einem Büro-Campus. Warum die Pandemie diesen Konzepten Auftrieb gibt und was Makler bei der Vermittlung dieser Flächen bedenken müssen.

Von Stefan Frey

Nicht nur Konzerne wie Google und Adidas setzen auf den Campus-Gedanken, bei dem ihre Angestellten auf dem Firmengelände nicht nur arbeiten, sondern auch Kollegen treffen, einkaufen, essen und Sport treiben. In Deutschland wird dieser Campus-Gedanke seit wenigen Jahren auch bei größeren Neubauvorhaben und Refurbishments von Bürogebäuden realisiert. Dabei handelt es sich nicht um Unternehmensimmobilien, sondern Büroflächen, die am freien Markt angeboten werden. Ziel ist, dass sich die Beschäftigten unterschiedlicher Firmen gegenseitig befruchten, indem sie sich bei Veranstaltungen oder auf der Dachterrasse kennen lernen, gegenseitig Projekte vermitteln oder für solche temporär zusammenarbeiten. Außerdem sollen sich die Mitarbeiter wohler fühlen, wenn sie in der Mittagspause oder nach Büroschluss auf dem Areal einkaufen oder joggen gehen können.

Büroflächen den aktuellen Bedürfnissen anpassen

Die Mixkonzepte erleben hierzulande einen Boom, weil vernetztes Arbeiten wichtiger wird. Firmen, die diese Anforderungen an modernes Arbeiten erfüllen, gelingt es außerdem eher, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Die Erfahrungen mit mobilem Arbeiten seit Ausbruch der Pandemie zeigen, dass manche Angestellten auch künftig nur an einzelnen Tagen ins Büro gehen möchten für Meetings, den kreativen Austausch oder Projektarbeiten, bei denen eine persönliche Abstimmung erforderlich ist. Moderne Büroflächen müssen diese Anforderungen aufgreifen, Begegnungsflächen, offene Grundrisse, Gesprächsecken und Meetingräume müssen geschaffen werden. Die Anforderungen erfüllt ein Campus.

Allerdings ist der Campus-Begriff nicht geschützt. Daher muss man genau hinschauen, was sich hinter dem Etikett verbirgt. Bei manchen Sanierungen, die danach mit einem Campus-Namen angeboten werden, sind lediglich die Flächen zwischen den Gebäuden begrünt und bestuhlt und in der Kantine wird eine Espressobar eingerichtet.

Bei Projekten, die dem Namen gerecht werden, wird die Vernetzung durch zahlreiche Maßnahmen weitergedacht. Neben der Schaffung von Außenflächen — auch für das mobile Arbeiten — werden in den Gebäude-Ensembles beispielsweise Konferenz- und Fitnessräume angeboten, die alle Mieter nutzen können. Beim Projekt „Square 1“ in Berlin werden zudem eine Kita, ein Restaurant, ein Hotel und ein kleines Lebensmittelgeschäft angesiedelt. Es gibt überdachte Stellplätze für Fahrräder und einen Fitness-Parcours.

Vertikaler Campus

Der Campus-Stil wird im Grunde auch bei einem Hochhaus-Projekt in Frankfurt am Main realisiert. Am Rande des Europaviertels sind zwei Türme mit 157 beziehungsweise 280 Meter Höhe geplant. Knapp die Hälfte der 178.000 Quadratmeter Nutzfläche soll als Büros genutzt werden. Darüber hinaus ist ein Hotel geplant sowie eine Kita, zudem Gastronomie- und Wohnflächen, die teils öffentlich gefördert sind. Der Dachbereich (Skyhall) soll öffentlich zugänglich sein. Campus-Projekte funktionieren natürlich nur, wenn das Büroprojekt eine gewisse Größe hat und möglichst unterschiedliche Nutzer anzieht. Zu bedenken ist, dass die Mieter für diese zusätzlichen Angebote, für größere Freiflächen etc. eine höhere Miete bezahlen müssen. Hierbei tut sich oft ein Widerspruch auf: Einerseits sollen Kreativfirmen und Startups anmieten. Als junge und oft kleine Unternehmen können sie aber nur eine begrenzte Miete zahlen. Etablierten Unternehmen, die eine höhere Miete stemmen und größere Flächen mieten können, fehlt oft der Spirit und das Interesse, sich mit Kleinunternehmen zu vernetzen: Die einzelnen Branchen und Büromieter sollten Anknüpfungspunkte haben und sich nicht vornehmlich als Konkurrenten wahrnehmen. Auch das sind Fragen, die Eigentümer und Makler bei der Flächenvermittlung berücksichtigen müssen.

Ein weiterer Aspekt, der im Vorfeld zu klären ist, ist der nach der Offenheit des Areals. Dürfen sich auch Externe wie Nachbarn einen Espresso kaufen und Coworking-Flächen nutzen und das Gelände einfach betreten? Oder gibt es Einschränkungen wie Sicherheitsschranken, die nur berechtigte Personen, die im Gebäuden arbeiten, passieren dürfen?

 

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