Chris Kühn: Ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb, den kein guter Makler scheuen muss

19. November 2018


Auf den Dächern des Bundestages: Chris Kühn (Mitte) im Gespräch mit IVD-Präsident Jürgen Michael Schick und IVD-Bundesgeschäftsführerin Sun Jensch.

Bündnis 90/Die Grünen haben einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der „zur Entlastung von Verbrauchern beim Kauf und Verkauf von Wohnimmobilien“ beitragen soll. Konkret fordern die Grünen die Einführung des sogenannten Bestellerprinzips für den Immobilienkauf und eine Provisionsdeckelung von zwei Prozent. Der Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, Chris Kühn, stellte sich den Fragen der AIZ.

Interview von Heiko Senebald

Herr Kühn, warum schieben Sie die gesamte Verantwortung dafür, die Kaufnebenkosten zu senken, auf die Maklerbranche ab?
Wir schieben nichts ab. Wir haben eine ganzheitliche Betrachtung der Entwicklung der Kaufnebenkosten. Das Bestellerprinzip ist nichts, das wir uns ausgedacht haben, sondern ist in vielen europäischen Nachbarländern selbstverständlich. Warum also nicht auch in Deutschland? Es handelt sich dabei um ein grundlegendes vertragliches Prinzip: Derjenige, der die Leistung bestellt, zahlt sie am Ende auch. Damit wird ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb hergestellt, den kein guter Makler scheuen muss.

Warum setzen Sie nicht beim Staat selbst an, der mit der Grunderwerbsteuer der größte Treiber der Kaufnebenkosten ist?

Weil das Ländersache ist und ich Bundespolitiker bin. Als Bundespolitiker nehme ich die bundesrecht-
lichen Möglichkeiten in den Blick. Die Entscheidung darüber, wie hoch die Grunderwerbsteuer vor Ort ist, treffen die Landesregierungen. Außerdem liegt die Grunderwerbsteuer nirgendwo bei 7,14 Prozent. Ich würde daher nicht sagen, dass die Länder der größte Kostentreiber sind.

Ihr Heimatland Baden-Württemberg erhebt eine Grunderwerbsteuer von 5 Prozent. Damit liegt es im oberen Mittelfeld. Insgesamt hat Baden-Württemberg 2017 1,75 Milliarden Euro an Grunderwerbsteuer eingenommen. Halten Sie es für richtig, den Staatshaushalt auf Kosten derjenigen zu finanzieren, die in ein Eigenheim — und damit für ihre Altersvorsorge — investieren wollen?

Genau sie profitieren von einer intakten Kommune mit guten Schulen, Theatern und guter Infrastruktur vor der auch der Wert ihrer Immobilie profitiert. Steuern sind grundsätzlich nichts Schlechtes, sondern bilden die Basis für eine solide finanzielle Ausstattung der Länder und Gemeinden. Weil Sie Baden-Württemberg ansprechen: Dort dienen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer dem „Pakt mit den Kommunen für Familien mit Kindern“. Bezahlt werden davon unter anderem Kitaplätze, mit dem Resultat, dass Baden-Württemberg das beste Betreuungsverhältnis in ganz Deutschland hat. Die eingenommenen Steuergelder werden also für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über staatliche Leistungen wieder ausgegeben. Und nochmal: nirgendwo liegt die Grunderwerbssteuer bei 7,14 Prozent.

In Baden-Württemberg und weiteren elf Bundesländern wird die Maklerprovision in der Regel zwischen Käufer und Verkäufer geteilt. Warum halten Sie diese Regelung nicht für fair?

In meinen Augen ist fair: Wer bestellt, bezahlt. Es gibt eben aktuell keine verbindliche Regelung dafür, wer die Kosten zu tragen hat. Hier wollen wir Planbarkeit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen.
Sie kritisieren das Baukindergeld, weil es Ihrer Ansicht nach zu Preissteigerungen führe. Würde das Bestellerprinzip eingeführt und Verkäufer müssten die Maklerprovision zahlen, würden Verkäufer ihre Zusatzkosten einpreisen und die Preise würden ebenfalls steigen. Warum stört Sie beim Bestellerprinzip nicht, was Sie am Baukindergeld kritisieren?
Aus zwei Gründen. Erstens: weil das in den europäischen Nachbarländern, in denen das Bestellerprinzip eingeführt wurde, auch nicht passiert ist. Und zweitens: gerade hat ‚Die Welt‘ einen Artikel dazu veröffentlicht. Sie hat bei Interhyp nachgefragt und selbst, wenn alles auf den Kaufpreis draufgeschlagen wird, kann es a) finanziert werden, anders als jetzt und b) steigt die Bonität und fallen die Zinssätze, weil das Eigenkapital nicht durch die Maklerprovision aufgefressen wird. Ich kann Ihnen den Artikel „Kartellamt stützt Käufer“ nur empfehlen. Außerdem gehe ich nicht davon aus, dass immer nur die Verkäufer die Maklerprovision zahlen. Entscheidend ist, dass die Person die Provision zahlt, die den Makler beauftragt. Das kann der Käufer oder der Verkäufer sein.

Sie fordern mit Ihrem Gesetzentwurf ein Verbot der Doppeltätigkeit. Das würde dazu führen, dass der Makler des Verkäufers nur noch den Verkäufer, aber nicht mehr den Käufer, beraten dürfte. Glauben Sie nicht, dass Hauskäufer bei der in der Regel größten finanziellen Entscheidung ihres Lebens auf sachkundige Beratung angewiesen sind und genau aus diesem Grund doch die Teilung der fairste Weg ist?

Es gibt sicher Makler, die sich für ihre Kunden einsetzen und dem Käufer mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das bezweifle ich nicht. Wenn ich aber Werbung sehe wie „Wir verkaufen Ihre Immobilien zum bestmöglichen Preis“, dann frage ich mich ernsthaft, welchen Mehrwert der Käufer davon hat. Mit dem Bestellerprinzip hat der Käufer eindeutig den Makler auf seiner Seite, wenn er ihn beauftragt.

Sie fordern eine gesetzliche Deckelung der Maklerprovision auf zwei Prozent inklusive Steuern. Wollen Sie bewusst die Maklerbranche aufmischen? Sie würden große Teile der Maklerbranche vor allem in ländlichen Regionen gefährden, zehntausende Arbeits- und Ausbildungsplätze stünden auf dem Spiel. Die Maklerunternehmen bilden bundesweit überdurchschnittlich aus. Viele Unternehmen sehen schon jetzt ihre Existenz gefährdet und stellen deshalb keine neuen Ausbildungsplätze zur Verfügung. Das darf der Politik doch nicht gefallen?

Ich versuche, diese sehr polemische Frage sachlich zu beantworten. Wir haben mit dem IVD sehr gut in Sachen Qualifizierung und Sachkundenachweis zusammengearbeitet und werden dies auch weiterhin tun. Wir sehen aber über den Tellerrand hinaus und schauen uns auch andere europäische Länder an und dort sind die Maklerprovisionen durchaus in diesem Bereich — beispielsweise
Großbritannien und die Niederlande. Das zeigen auch Untersuchungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Gleichzeitig hätten wir gerne Signale aus der Branche gesehen, dass in Regionen, wo es besonders gut läuft und die Immobilienpreissteigerungen enorm sind, beispielsweise Berlin oder Hamburg, die Courtage aus eigenem Antrieb heraus gesenkt wird. Aber nichts ist passiert. Im Gegenteil: In Hamburg werden jetzt auch bis zu 7,14 Prozent verlangt. Ich kann nur sagen: Vorsorge ist besser als Nachsorge.

Die Regelungen in den Nachbarländern sind aber lange nicht so streng, wie das Bestellerprinzip, das 2015 in Deutschland in der Wohnungsvermittlung eingeführt wurde. Es ist so ausgestaltet, dass faktisch nur der Vermieter Besteller sein kann. Ein bloßer Vergleich der Provisionssätze führt zudem zu einer verkürzten Darstellung. Andere Länder haben andere Preise, Makler andere Aufgaben, kein so ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle oder höhere Maklerquoten. In den Niederlanden, wo es nur faktisch ein Bestellerprinzip gibt, werden beispielsweise Leistungen unabhängig vom Erfolg in Rechnung gestellt. Dort bekommt der Makler auch einen Teil der Provision, wenn der Kauf platzt. In Deutschland bekommt der Makler eine Vergütung nur, wenn er auch Erfolg hat. Müssen den weiteren Unterschieden nicht auch Rechnung getragen werden?

Das Bestellerprinzip bedeutet ja nicht, dass sie kostenlos arbeiten sollen — sie bekommen ihr Geld in Zukunft vom Besteller. Außerdem betrifft unser Gesetzentwurf nur Wohnimmobilien. Der gesamte Bereich der Gewerbeimmobilien bleibt davon unberührt. Es mag sein, dass in den von Ihnen genannten Ländern eine Vergütung unabhängig vom Erfolg vereinbart werden kann. Greifbare Vorstöße der Maklerverbände in diese Richtung mit Blick auf eine Änderung oder Öffnung des Maklervergütungsrechts sind uns allerdings nicht bekannt. Falls sie sich in Zukunft dafür einsetzen möchten, lassen Sie uns darüber reden. Wir haben jedenfalls zunächst auf das bestehende Erfolgsprinzip gewissermaßen „aufgesetzt“.

Foto: Heiko Senebald/IVD