Das Trüffelschwein 2.0

19. Februar 2020


Makler sind wie Trüffelschweine: Ihr Anspruch ist, den richtigen Käufer für das richtige Objekt des richtigen Verkäufers finden zu können und das zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Preis. Dafür recherchieren sie, sammeln Daten und berechnen potenzielle Wertsteigerungen, Vermietungsmöglichkeiten, optionale bis notwendige Investitionsmaßnahmen; sie prüfen und beraten – und werden bei Erfolg honoriert.

Von Gabriel Khodzitski

Soweit die historische Theorie, auf der sich manch ein Marktteilnehmer auch weiterhin gern ausruhen würde. Denn die rein betriebswirtschaftliche Herangehensweise an Investitionen am Immobilienmarkt hat ihre positiven Seiten — viele Faktoren sind in Deutschland verlässlich berechenbar, viele Kennzahlen zudem nicht öffentlich zugänglich, sondern ausschließlich von einzelnen Berufsgruppen einsehbar. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass die häufig geforderte „Transparenz“ am Immobilienmarkt als ein zweischneidiges Schwert angesehen wird: Auf der einen Seite würde Transparenz das Geschäft klarer und übersichtlicher machen, auf der anderen Seite würden sich manche Kollegen genötigt sehen, zumindest einen Teil ihres Wissensvorsprungs aufzugeben. Genau das hat Transparenz zur Folge: Informationen werden sichtbar, sie werden für mehr Menschen nachvollziehbar.

Das Internet bietet Millionen alternative Daten

Das Attraktive an disruptiven Elementen ist, dass sie sich unerwartet und kaum voraussehbar Bahn brechen, angestammte Praktiken aber sogleich im Nu überholen und mittelfristig obsolet machen. Am deutschen Immobilienmarkt, einem der konservativsten mir bekannten Pflaster, hat dieser Prozess lange Zeit geruht. Viele berufen sich auch im Jahr 2020 auf das althergebrachte „People’s business“ — ohne Menschenkenntnis und persönliche Netzwerke laufe das Geschäft nicht, das könne auch keine KI ersetzen. Stimmt, und doch gibt es da ein gewisses Aber: Betrifft die Sonderkonstellation des Immobilienmarkts auch das Identifizieren und Zusammentragen relevanter Daten und Informationen?

Für mich steht fest: Mittlerweile sind sehr viele „alternative Daten“ verfügbar, auf die neben der klassisch-betriebswirtschaftlichen Berechnung von Investitionen nicht nur alle Zugriff haben, die eine Internetverbindung ihr Eigen nennen, sondern die auch ganz klare Auswirkungen auf die Kennzahlen von Immobilienprojekten haben. So sind für die Überprüfung eines Immobilienstandortes die wirtschaftlichen Daten der vor Ort angesiedelten Unternehmen von großer Bedeutung. Dafür bedarf es bei Weitem nicht der Unternehmenszahlen, die ehedem häufig schwierig einzusehen sind. Ein präziser Blick auf die lokalen Stellenangebote kann mitunter weitaus aussagekräftiger sein: Wachsen die Unternehmen und suchen verstärkt nach Personal, dann ist das ein gutes Indiz für mittelfristige Standortsicherheit — sowohl für Gewerbeflächen als auch für Wohnraum.

Nachhaltigkeit und Bürgerinitiativen sind Kauffaktoren

Wer ein Bauvorhaben in einer deutschen Stadt realisieren oder vermitteln will, kommt allerdings auch nicht umhin, sich mit Fragen der Nachhaltigkeit, der Bürgerinitiativen und der gesellschaftlichen Akzeptanz auseinanderzusetzen.

Ein Beispiel: Eine leer stehende Unternehmensimmobilie in einem ehemaligen Gewerbegebiet soll revitalisiert und als Gewerbepark repositioniert werden. Alle ökonomischen Kennzahlen sprechen auch dafür. In der Stadt selbst haben sich aber Interessengemeinschaften gegründet, die das Gelände als Probenräume für die Schüler der örtlichen Bildungseinrichtungen und Mitglieder zweier traditionsreicher Vereine nutzen wollen.

Die Frage ist nun, was tun, wenn die Diskussion um die kommunale Nutzung des Objekts sich in den sozialen Medien bereits verselbständigt hat und die Mehrheit der Bewohner diese für gut und richtig erachtet?

Solche Informationen lassen sich weder im Grundbuch noch aus den wirtschaftlichen Prognosen für einen bestimmten Ort entnehmen. Mehr noch, es kann gut möglich sein, dass aus rein ökonomischer Sicht eine Ansiedlung eines Gewerbegebiets aufgrund etwaiger Verkehrsanbindungen oder eines bestimmten Bedarfs sogar sinnvoll wären. Das aber würde die Sensibilität des Meinungsbildes im Ort übergehen und der Investor hätte — wahrscheinlich mit Recht — am Ende ein trübes Nachsehen.

Der Makler muss sich neu erfinden

Das negative Bild lässt sich aber drehen. Ein anderes Beispiel: Häufig genug gibt es Grundstücke, deren Entwicklung und Bebauung von allen Beteiligten in einer Gemeinde durchaus wohlwollend diskutiert werden. Gleichzeitig aber bedarf es nach den vielen Gremiensitzungen der einen klärenden Botschaft, die eben nicht von politischer oder gesellschaftlicher, sondern von unternehmerischer Seite kommen muss, um letzte Bedenken auszuräumen oder ein bestimmtes Projekt plötzlich auf die Vorzeigebühne einer ganzen Region zu heben — Stichwort Tesla in Grünheide bei Berlin.

Ich bin überzeugt, dass dort die Investoren auf mehr als Infrastruktur und wirtschaftliche Eckdaten der Region geschaut haben, sondern zudem auf Daten wie die politische und soziale Stimmung in der Gemeinde, Bevölkerungswachstum und -struktur, Kriminalität, Arbeitsplatzbedarf und vieles mehr.

Und auch auf den richtigen Zeitpunkt kommt es hierbei an. Sicher nicht zufällig ist die Investitionsentscheidung nach den Landtagswahlen und nach erfolgter Kabinettsbildung in Brandenburg erfolgt; eine ebenfalls alternative Information im Vergleich zu herkömmlichen Immobiliendaten. Für mich ist aber klar, dass auch solche Informationen zu den unmittelbaren Leistungen eines beratenden Maklers gehören — es liegt an ihm, den Datenschatz, den das digitale Zeitalter allen bietet, zu heben.

Mein Fazit: Alternative Daten stellen Makler vor neue Herausforderungen. Viele Daten sind heutzutage frei zugänglich im Netz. Gute Beratungsleistung bedeutet, jene Kriterien, Merkmale und Daten zu identifizieren und zu prüfen, die für einen Käufer relevant sein könnten. Wer diese anspruchsvolle Transparenz der alternativen Daten nutzt, hat im Ergebnis nicht nur einen Informationsvorsprung, sondern zugleich einen Wettbewerbsvorteil, da unerwartete Wertsteigerungspotenziale erzielbar sind.

 

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