Der Aufforderungsbeschluss

5. Dezember 2023


Es ist heute allgemein bekannt, dass die Verwaltung von Wohnungseigentumsanlagen zu den anspruchsvollen Tätigkeiten im Rahmen der Immobilienbewirtschaftung gehört. Das liegt zum Teil auch an der mittlerweile erheblichen Regelungsdichte und deren ständiger Weiterentwicklung vor allem durch die Rechtsprechung. Hinzu kommt, dass leider nicht jeder das tut, was von ihm berechtigterweise erwartet wird. Als Verwalter kommt man deswegen immer wieder mit Eigentümern in Berührung, die zur Erfüllung ihrer Pflichten erst angehalten werden müssen. Manchmal reicht ein freundliches Gespräch dafür nicht aus.

Von Niki Ruge

Das Wohnungseigentumsrecht verknüpft mit der Rechtsposition als Wohnungseigentümer nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die Rechte sind häufig wohlbekannt und geläufig, die Pflichten hingegen nicht immer. Sie ergeben sich aus der jeweiligen Gemeinschaftsordnung und daneben aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Die bekannteste Pflicht dürfte wohl die Zahlung von Vorschüssen zur Kostentragung („Hausgeld“) sein. Praxisrelevant ist daneben die Pflicht, vom Sondereigentum keinen Gebrauch zu machen, der jenseits seiner Zweckbestimmung liegt. Im Wohnungseigentum wird gewohnt und grundsätzlich kein Ladengeschäft betrieben. In einer Garage stellt man ein Fahrzeug ab; der Ausbau zu Wohnzwecken ist damit nicht vereinbar. An sich ist das selbstverständlich, dennoch kommen Verstöße vor. Dann ist der Verwalter derjenige, von dem erwartet wird, dass er beherzt und mit nachhaltigem Erfolg einschreitet. Ein Gespräch mit dem betroffenen Eigentümer wird dabei fast immer das erste Mittel der Wahl sein. Bleibt der Erfolg jedoch aus, müssen Weiterungen folgen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Juli 2023 – V ZR 215/21

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Ostfriesland gibt es Streit. Im September 2020 findet eine Eigentümerversammlung statt, eine Streitbeilegung ist damit jedoch nicht verbunden. Vielmehr sieht sich eine Eigentümerin nach der Versammlung veranlasst, gleich mehrere Beschlüsse anzufechten.

Sie wendet sich insoweit auch gegen zwei Beschlüsse, die ihr untersagen, eine Garage zu Wohnzwecken und eine Terrasse als Gartenfläche zu nutzen, und ihr wegen verschiedener baulicher Veränderungen den Rückbau aufgeben. Darin sei nämlich eine unzulässige Begründung von Leistungspflichten zu sehen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) teilt diese Ansicht nicht. Seiner Meinung nach wurde hier nur eine Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft durchgeführt, die die Rechtsposition der Klägerin eigentlich nicht berührt. Den Wohnungseigentümern sei durchaus gestattet, durch Beschluss ihren Willen darüber zu bilden, ob sie bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig halten. Dabei dürften sie auch einzelne Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten, also zu einer Unterlassung der Wohnnutzung einer Garage oder zu einem Rückbau einer Terrasse, auffordern. Dies entspreche nächstliegender Auslegung eines solchen Beschlusses, für den sich infolge seines Inhaltes die Bezeichnung als „Aufforderungsbeschluss“ etabliert hat.

Der rechtliche Kontext

Unbestritten ist, dass die Wohnungseigentümer nicht einfach so durch Beschluss Leistungspflichten anderer herstellen, also begründen können. Das gilt jedenfalls immer dann, wenn ihnen eine solche Befugnis weder durch Vereinbarung noch das Gesetz eingeräumt ist. Vorliegend haben sie aber auch keine Leistungspflicht begründet oder begründen wollen. Sie haben sich vielmehr eine Meinung über die Rechtslage gebildet und diese in das Gewand eines Aufforderungsbeschlusses gekleidet.

Daraus resultieren keine Pflichten; deren Grundlage ist allein das Gesetz beziehungsweise eine Vereinbarung. Wie der BGH zudem hervorgehoben hat, ändert daran auch eine in dem Beschluss enthaltene Fristsetzung nichts, innerhalb der der als rechtmäßig erachtete Zustand herbeizuführen ist.

Erhebt ein Eigentümer gegen einen Aufforderungsbeschluss Anfechtungsklage, wird in diesem Verfahren nicht geprüft, ob tatsächlich ein Anspruch gegen ihn besteht. Diese Frage stellt sich erst in einem späteren Unterlassungs- oder Beseitigungs-verfahren, also dann, wenn es um die Durchsetzung des Beschlusses gegen den betroffenen Eigentümer geht. Im Rahmen der Anfechtungsklage können deswegen nur formelle Beschlussmängel zur Geltung kommen, beispielsweise ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Damit existiert für die erfolgreiche Anfechtung von Aufforderungsbeschlüssen ein von vorneherein reduziertes Arsenal an Begründungsmöglichkeiten.

Schlussfolgerungen für die Verwaltungspraxis

In der Regel werden Rechtsverstöße von Wohnungseigentümern durch andere Wohnungseigentümer an den Verwalter herangetragen. Dann ist es zunächst eine Frage des Einzelfalles und auch des Fingerspitzengefühls, auf welchem Weg man Abhilfe sucht. Häufig wird, wie gesagt, ein klärendes Gespräch der erste Ansatz sein. Allerdings gibt es Zeitgenossen, die auf diese Weise nicht zu beeindrucken und erst Recht nicht zu beeinflussen sind. In diesem Fall sind weitere Eskalationsschritte unvermeidlich. Wo es nicht anders geht, wird früher oder später ein Aufforderungsbeschluss zur Debatte stehen. An dieser Stelle gibt der Verwalter die Verantwortung zurück an die Gemeinschaft oder die einzelnen Eigentümer. Denn nun muss sich zeigen, ob tatsächlich eine Mehrheit innerhalb der Gemeinschaft den Aufforderungsbeschluss mitträgt.

Der Beschlusstext sollte das beanstandete Verhalten genau bezeichnen und im Sinne eines Gebotes oder Verbotes ausdrücken, was von dem betroffenen Eigentümer erwartet wird, beispielsweise „es zu unterlassen, die Garage Nr. 10 zu Wohnzwecken zu nutzen“. Da der BGH die Verknüpfung mit einer Fristsetzung ausdrücklich zugelassen hat, sollte davon auch Gebrauch gemacht werden („und diese zweckwidrige Nutzung bis längstens zum Ablauf des 31. Oktober 2023 vollständig einzustellen“). Ohne eine solche Fristsetzung wäre der Aufforderungsbeschluss nur die Hälfte wert.

 

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