Der Eigenkapitalanteil rückt stärker in den Fokus

8. März 2023


Banken wollen auch weiterhin Immobilien finanzieren. Die veränderten Rahmenbedingungen haben sie allerdings veranlasst, Risiken zu minimieren und ihre Anforderungen bei der Kreditvergabe zu erhöhen. Inzwischen sind auch viele Menschen mit mittlerem Einkommen überfordert, das Eigenkapital für den Hauskauf aufzubringen. Stefan Münter, Mitglied des Vorstands der Europace AG, einer Transaktionsplattform für Immobilienfinanzierungen, Bausparprodukte und Ratenkredite, erklärt im AIZ-Interview, wie Banken die Immobilienfinanzierung in diesem Jahr einschätzen.

Interview von Jan Kricheldorf

AIZ: Herr Münter, wie sehen die Banken die aktuelle Entwicklung am Immobilienmarkt? Gibt es Gründe zur Vorsicht bei Finanzierungen in diesem Jahr?

Stefan Münter: Der deutsche Finanzierungsmarkt ist bekannt für seine hohen Anforderungen an Immobilienfinanzierungen. Unsere Regulatorik ist gut und schützt Verbraucher vor vorschnellen Entscheidungen. Die Art und Weise wie wir in Deutschland finanzieren,
mit geprüften Beratenden und überwiegend Annuitätendarlehen mit Laufzeiten von zehn Jahren Zinsbindung, zum Teil deutlich darüber, schützt vor kurzfristigen Risiken und wird auch dieses Jahr nicht dazu führen, dass wir systemkritische Herausforderungen sehen.

Teil davon ist auch, dass der Fokus der Produktgeber noch stärker auf dem Eigenkapitalanteil liegt und die Anforderungen an die Haushaltsrechnung die Preisentwicklung berücksichtigen. Wir sehen regelmäßig einen überlegten und risikobewussten Umgang mit den Produktkriterien. Das Verhalten auf der Verbraucher-, Berater- und Produktgeberseite sowie die Spielregeln am Markt haben sich über Jahre auch im internationalen Vergleich bewährt.

Sind nur noch Kunden mit viel Eigenkapital gefragt? Welche Voraussetzungen müssen Kaufinteressenten für eine Immobilienfinanzierung erfüllen?

Aus eigener Kraft das Eigenkapital für einen Hauskauf auf den Tisch zu legen, überfordert Menschen mit kleineren und inzwischen auch mittleren Einkommen. Die Ersterwerber werden älter und es ist nachvollziehbar, dass Produktgeber gerade derzeit etwas mehr Eigenkapital verlangen.

Tatsächlich sind es aber auch die Kreditnehmer, die von sich aus mehr Eigenkapital einsetzen, um bessere Kreditzinsen zu erhalten. Dafür werden dann kleinere Kreditsummen nachgefragt. Und es kann auch notwendig sein, Eigenkapital aus der Familie zu besorgen.

Zu welchen Konditionen finanzieren Banken aktuell und wie werden sich diese in 2023 weiter entwickeln?

Eine gute Schaufensterkondition Mitte Januar 2023 lag bei einem hervorragenden Beleihungsauslauf bei etwa 3,2 Prozent auf zehn Jahre Zinsbindung. Sicher ist, das wird nicht so bleiben. Und für beide Richtungen gibt es gute Argumente.

Wie sollten potenzielle Käufer unter den aktuellen Rahmenbedingungen am besten vorgehen. Wie können sie sich vorbereiten?

Wir haben im letzten Jahr einen Wechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt beobachtet. Das ergibt mehr Möglichkeiten für Käufer, mit Verkäufern stärker zu verhandeln und so Immobilien zu etwas günstigeren Preisen zu erwerben. Außerdem sind derzeit deutlich mehr Angebote am Markt als in den letzten Jahren.

Für Immobiliensuchende ist wichtig, das volatile Zinsniveau im Blick zu haben. Ihnen kann helfen, sich den aktuellen Zins in einer Phase, in der dieser etwas niedriger ist, schnell zu sichern. Das bedeutet, Schnelligkeit ist weiterhin wichtig — in diesen Zeiten nicht im Wettbewerb mit anderen Interessenten, sondern mit Blick auf das Zinsniveau.

Wir haben dafür die Sofortkreditentscheidung entwickelt, die Käufern
eine verbindliche Darlehenszusage per „sofort“ am Point-of-Sale bietet. Wer es also wirklich eilig hat, kann schon heute auf die Wartezeit für die Kreditzusage verzichten.

Gibt es Punkte, wo der Makler Kaufinteressenten besser vorbereiten kann?

Bevor ich eine Immobilie mit einem Makler besichtige, können viele Aspekte der Finanzierung geklärt sein. Für die Immobilie bedeutet das vor allem die Frage nach dem Beleihungswert, also wie wertet die Bank das Objekt für die Finanzierung ein. Dabei helfen eine Marktwertindikation oder eine Online-Bewertung. Dazu braucht es Informationen zur Lage, Ausstattung und dem Zustand des Objekts. Auf der richtigen Plattform und mit dem richtigen Vermittler lassen sich diese Themen schnell vorab klären. Vorbereitung hilft, damit der Wunsch am Ende auch in Erfüllung gehen kann.

Wie wichtig sind Banken staatliche Fördermöglichkeiten bei der Immobilienfinanzierung?

Der stockende Neubau in Deutschland, das Ausbleiben sinnvoller Neubauförderung sowie die Preisentwicklung im Kontext mit den aktuellen Finanzierungskosten sind eine Zeitbombe für den Mietmarkt in Deutschland. Das Immobilienangebot wird wieder weit hinter die Nachfrage zurückgehen und wir werden die Notlagen, gerade in den Metropolen, deutlich sehen. Das Förderchaos der letzten zwölf Monate bezogen auf den Neubau hat dazu sicher seinen Teil beigetragen. Staatliche Fördermöglichkeiten sind ein wichtiges Instrument für den Gesamtmarkt der Immobilienfinanzierung. Dass es hier keine umfassenderen Programme gibt, zeigt der aktuelle Fokus der Politik. Dieser geht zu Lasten der Mieter und der Vermögensbildung der Bevölkerung. In Deutschland bleiben wir bei der Eigentumsquote Schlusslicht in Europa.

Wovon gehen die Banken aus, wie sich das Zinsniveau in diesem Jahr entwickeln wird?

Wir sehen bei allen Marktteilnehmern insgesamt einen Zinskorridor von etwa 3,5 Prozent bis 4 Prozent für das Gesamtjahr.

 

Foto: © Europace AG