Der Forderung nach mehr Regulierung widerstehen

18. August 2023


Der Wohnungsmarkt in der Schweiz ist von einer kontinuierlich steigenden Nachfrage bei rückläufiger Produktion geprägt. Der Wohnungsmangel manifestiert sich vor allem im urbanen Raum und führt zu politischen Forderungen nach stärkeren Markteingriffen. Der Sektor ist gefordert.

Von Marcel Hug

Die jüngste Historie am Schweizer Wohnungsmarkt lässt sich grob in drei Zeitabschnitte unterteilen: die Tiefzinsphase bis Anfang 2020, die Covid-Pandemie bis Anfang 2022 und die Zinswende aufgrund deutlich steigender Inflation ab Mitte 2022. Die erste Phase dämpfte nicht nur über Jahre hinweg die Entwicklung der Angebots- und Bestandsmieten am Mietwohnungsmarkt. Sie war auch durch eine starke Wohnungsproduktion von bis zu 50.000 Einheiten pro Jahr geprägt, was in der Schweiz etwa dem landesweiten Zuwachs der Haushalte entspricht. Gleichzeitig schossen die Preise für Wohneigentum aufgrund tiefer Hypothekenzinsen in den Himmel. Die erste Phase war zudem gekennzeichnet durch eine kontinuierliche Urbanisierung. Dieser Trend kehrte sich mit dem Ausbruch der Pandemie schlagartig um: Wohnungen auf dem Land wurden aufgrund der Homeoffice-Pflicht plötzlich stärker nachgefragt. Familien verließen die Stadt und suchten nach Wohneigentum, das außerhalb der Zentren noch einigermaßen erschwinglich war. Der Wunsch nach einer Veränderung der Wohnsituation führte zu einer bisher unbekannten Marktdynamik. Die Zahl der angebotenen Mietwohnungen nahm im ersten Corona-Jahr landesweit um 13 Prozent zu. Gleichzeitig sank die Ausschreibungsdauer, was auf eine stark steigende Nachfrage hindeutet.

Forderung nach staatlichen Eingriffen

Mit der steigenden Inflation ab 2021 begann sich abzuzeichnen, dass sich die lange Phase tiefer und sogar negativer Zinsen dem Ende zuneigt. Steigende Baukosten und schließlich wachsende Leitzinsen versetzten sowohl der Angebots- als auch der Nachfrageseite einen deutlichen Stoß. Die Produktion wurde deutlich zurückgefahren, Wohneigentumspreise begannen zu korrigieren und Mieten aufgrund eines dirigistischen Zinsmechanismus zu steigen. Einzig die Nachfrage blieb aufgrund der anhaltenden Zuwanderung unverändert hoch. Diese Gemengelage prägt den Wohnungsmarkt bis heute. Mit Blick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen werden politische Forderungen nach einer stärkeren Regulierung des Mietwohnungsmarkts lauter. Diese reichen von einer staatlich kontrollierten Mietzinskontrolle über Vorkaufsrechte für die öffentliche Hand bis hin zu einem Ausbau des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Aus der Sicht der Immobilienwirtschaft unbestritten ist jedoch einzig, dass der Trend zu immer höheren regulatorischen Hürden für Bauträger gebrochen werden muss.

Zweitwohnungsmarkt als „Bubble“

Weitgehend abgekoppelt vom beschriebenen Wohnungsmarkt ist der Markt für Zweitwohnungen. Seit 2016 gilt in der Schweiz das Zweitwohnungsgesetz, das den Zubau von Ferienhäusern und -wohnungen auf einen maximalen Bestand von 20 Prozent aller Wohneinheiten pro Gemeinde beschränkt. Auslöser für das Gesetz war das zunehmende Unbehagen über einen überbordenden Zweitwohnungsbau in den Tourismusregionen, was in eine Volksabstimmung zu einer Verfassungsänderung mündete. In 336 von 2136 Schweizer Gemeinden liegt der Anteil heute über 20 Prozent, was faktisch einem Baustopp gleichkommt. Betroffen sind ausnahmslos alle typischen alpinen Tourismus -destinationen. Mit der Covid-Pandemie ist die Nachfrage nach Zweitwohnungen sprunghaft gestiegen, was zu stark steigenden Preisen führte. Diesem Trend taten auch steigende Zinsen keinen Abbruch, so dass sich der Zweitwohnungsmarkt zunehmend vom Gesamtmarkt abkoppelt.

Etwas Gutes haben die aktuellen Entwicklungen am Wohnungsmarkt: Sie offenbaren, dass professionelle Immobiliendienstleistungen und eine politische Stimme des Sektors gefragter denn je sind.

 

Foto: © Eva Bocek/AdobeStock