Der Swimmingpool — Steter Beschlusszwang für Gestattungen baulicher Veränderungen

9. Januar 2023


Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Sofern kein anderer Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird, hat er sogar einen Anspruch auf eine Gestattung der baulichen Veränderung. Nimmt der einzelne Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung ohne entsprechende Beschlussfassung vor, kann der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und unter weiteren Voraussetzungen auch den anderen Wohnungseigentümern ein Anspruch auf Unterlassung und Rückbau zustehen. Aber gilt dies auch, wenn der bauende Wohnungseigentümer sowieso einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung hat? Diese Frage entschied kürzlich das Landgericht Bremen, Urteil vom 8.7.2022 – 4 S 176/21.

Von Rechtsanwalt Dr. Marco Tyarks

Die Parteien des Rechtsstreits sind Mitglieder einer Zweier-WEG, die aus einem Doppelhaus besteht, an dem jedem Wohnungseigentümer das Sondereigentum an einer Haushälfte zusteht. Die an das jeweilige Sondereigentum anschließende Gartenfläche des Grundstücks steht im Gemeinschaftseigentum, wobei den Wohnungseigentümern an einer jeweiligen Teilfläche des Gartens ein Sondernutzungsrecht zusteht. Ein Wohnungseigentümer beabsichtigt den Bau eines Swimmingpools auf der seinem Sondernutzungsrecht unterfallenden Gartenfläche. Einen genehmigenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft erwirkt er nicht. Nach seiner Auffassung habe er sowieso einen Anspruch auf Gestattung. Den anderen Wohnungseigentümer beeindruckt diese Argumentation wenig. Er klagt auf Unterlassung. Das Gericht gab dem klagenden Wohnungseigentümer recht. Allein aus der Einräumung eines Sondernutzungsrechts ergäbe sich nicht, dass die Wohnungseigentümer in dem zugewiesenen Gartenbereich auch zu baulichen Veränderungen ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer berechtigt sind. Es könne auch dahinstehen, ob der Beklagte Wohnungseigentümer einen Anspruch auf die Beschlussfassung über die Gestattung des Baus des Swimmingpools habe. Denn nach Auffassung des Gerichts führt ein solcher Anspruch nicht dazu, dass es dem klagenden Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben verwehrt wäre, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen.

Denn — so das Gericht — durch die WEG-Reform hat der Gesetzgeber klargestellt, dass jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung zu ihrer Legitimierung einer Gestattung durch Beschluss bedarf, selbst wenn auf die Beschlussfassung ein Anspruch besteht, weil kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Durch den Beschlusszwang würde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung über alle baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums informiert werden. Die Beschlussfassung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hätte überdies den Vorteil, dass der legitimierende Beschluss bei Bestandskraft Rechtssicherheit für den bauenden Wohnungseigentümer gibt und eine Bindungswirkung gegenüber Sondernachfolgern herbeigeführt werden kann.

Rechtlicher Kontext und Bewertung der Entscheidung

Vor der WEG-Reform ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass bei einer baulichen Veränderung ohne Vorliegen eines Gestattungsbeschlusses dem Anspruch auf Unterlassung und Rückbau der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe, wenn der bauende Wohnungseigentümer sowieso einen Anspruch auf einen Gestattungsbeschluss habe. Der Gesetzgeber hat die Regelungen zu den baulichen Veränderungen aber erheblich novelliert. Fraglich ist daher, ob an der alten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festzuhalten ist. Hierbei kann man durchaus geteilter Meinung sein. Das letzte Wort dazu ist noch nicht gesprochen. Das Landgericht Bremen hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese ist beim Bundesgerichtshof anhängig.

Auswirkungen auf die Praxis

Es ist jedem Wohnungseigentümer dringend zu empfehlen, vor der Durchführung baulicher Maßnahmen an dem gemeinschaftlichen Eigentum eine Beschlussfassung über die Gestattung herbeizuführen. Selbst wenn der Bundesgerichtshof der Ansicht des Landgerichts Bremen nicht folgen sollte, ist es gleichsam schwierig im Vorfeld zu beurteilen, ob überhaupt die Voraussetzungen für ein Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung gegeben sind. Die Kosten für einen Rückbau können immens sein.

 

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