Die Kehrseite der Mietpreisbremse

2. Mai 2019


HousingAnywhere vermittelt auf seiner Plattform Studierenden und Nachwuchskräften Wohnungen und Zimmer — auch in Deutschland. Im Gespräch erklärt CEO Djordy Seelmann wie das PropTech Mieter und Vermieter zusammenbringt. Er spricht außerdem zu den Themen Vermieterrisiko und Mietpreisbremse sowie zum Zweckentfremdungsverbot in Berlin.

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AIZ: Herr Seelmann, HousingAnywhere ist vor zehn Jahren gestartet. Für was steht Ihr PropTech heute?

Djordy Seelmann: Die Marke HousingAnywhere hat sich zur weltweit führenden Mietplattform für internationale Studierende entwickelt. Inzwischen nutzen auch Young Professionals, Expatriates und digitale Nomaden unser Angebot. Aktuell sind bei uns über 50.000 aktive Inserate in mehr als 50 Ländern geschaltet. Unser Ansatz ist, Transparenz und Vertrauen zu schaffen, damit wir passende Mieter und Vermieter schnell zusammenbringen. Darüber hinaus vereinfacht unser sicheres Bezahlsystem alle Vorgänge rund um die Buchung der Unterkünfte.

Wie gehen Sie die Vertrauensfrage an? Prüfen Sie beide Seiten, Vermieter und Mieter?

Wir prüfen die Authentizität der Vermieter telefonisch und per E-Mail. Erst dann werden sie freigeschaltet, wobei wir die Kosten und Nebenkosten aller angebotenen Wohnungen transparent darstellen. Auch das schafft Vertrauen. Ebenso erhalten Studierende unserer Partneruniversitäten einen priorisierten Zugang zur Plattform und die Kennzeichnung „verifizierter Student“. Dadurch sind sie als vertrauenswürdig erkennbar und Vermieter wissen, dass es hierbei um Studierende handelt, die eine Unterkunft für eine bestimmte Zeit im Ausland suchen und finanziell abgesichert sind. Gleiches gilt für Mitarbeiter von Unternehmen, die Partner von HousingAnywhere sind. Kommt es zur Buchung, zahlt der Mieter die erste Monatsmiete an uns, die Vermittlungs-Plattform. Wir leiten das Geld erst 48 Stunden nach dem Einzugstermin an den Vermieter weiter. Wenn die Unterkunft in der Realität nicht den Beschreibungen auf der Plattform entspricht, können sich Mieter an HousingAnywhere wenden und bekommen ihr Geld zurück. So schützen wir internationale Wohnungssuchende vor Betrügern.

Das finanzielle Risiko liegt also beim Vermieter?

Nein, auch für Vermieter halten wir das finanzielle Risiko niedrig. So erhalten sie ihre erste Monatsmiete auch dann, wenn ein Mieter kurzfristig zurücktritt oder nicht auftaucht. Erst die folgenden Monatsmieten zahlt der Mieter direkt an den Vermieter. Dafür bieten wir einen Bezahldienst an. Vermieter erstellen darüber einen Zahlungslink und verschicken diesen per E-Mail oder Whatsapp. Der Mieter kann dann von seinem Smartphone oder Tablet aus per Kreditkarte oder Lastschrift bezahlen. Sobald die Forderung beglichen ist, wird der Vermieter sofort benachrichtigt. Damit dieser den Überblick behält, gibt es auf der Plattform zusätzlich eine einfache Übersicht über bereits abgeschlossene und offene Zahlungen beziehungsweise Zahlungsforderungen.

Verschärfen Sie mit Ihrem Angebot nicht die extreme Situation auf dem Wohnungsmarkt in den Großstädten?

Wir bedienen eine Nachfrage, wir steigern sie nicht, sondern bringen sie mit dem Angebot zusammen. Allerdings ist die Situation in den Städten kritisch, die bei Austauschstudierenden und Young Professionals beliebt sind. Dort übertrifft die Nachfrage nach Wohnraum derzeit das Angebot. Damit wird es insbesondere für diese beiden Gruppen immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Um den Bedarf zu decken, müssen Angebot und Nachfrage unbedingt in Einklang gebracht werden. Gleichzeitig sollen Vermieter weiterhin die Möglichkeit haben, gute Preise zu erzielen. Damit beide Interessengruppen auf Entwicklungen wie in Berlin aufmerksam werden, veröffentlichen wir seit diesem Jahr quartalsweise den HousingAnywhere European Rent Index.

Der zeigt aktuell, dass die Mietpreise innerhalb eines Jahres in der deutschen Hauptstadt für Einzimmerwohnungen um fast 2,7 Prozent, für Studio-Apartments um etwa 4,6, und für einzelne Zimmer um satte 7,3 Prozent gestiegen sind. Gleichzeitig zieht Berlin die meisten neuen Studierenden in Deutschland an und ist auch für Berufseinsteiger im internationalen Vergleich sehr attraktiv. Das haben wir kürzlich durch eine Auswertung öffentlich zugänglicher Daten ermittelt. Wir beobachten Berlin weiterhin und sind schon auf die Ergebnisse unseres neuesten Mietindexes gespannt, den wir Anfang des zweiten Quartals 2019 veröffentlichen werden.

Was halten Sie denn von der Mietpreisbremse als Regulierungsinstrument?

Die Mietpreisbremse ist nicht der richtige Ansatz. Warum — das wird klar, wenn wir mal kurz auf die Niederlande blicken. Dort gibt es seit Jahren ein ähnliches Prinzip, nämlich ein Punktesystem, nach dem die Mietpreise festgelegt werden. Das hat aber nicht dazu geführt, dass die Mieten stabil geblieben sind, stattdessen sind sie weiter stark gestiegen. Außerdem ist die Effektivität von solchen Regelungen auch davon abhängig, wie einfach sie zu verstehen sind. Mieter müssen erst einmal über ihre Rechte Bescheid wissen, um sie wahrnehmen zu können. Zurück nach Deutschland und zur Mietpreisbremse — da habe ich so meine Zweifel, ob Mieter an einen qualifizierten Mietspiegel herankommen, den sie benötigen, um die Mietpreisbremse letztendlich vor Gericht einfordern zu können. Hinzu kommt, dass die Deckelung der Modernisierungskosten eine Kehrseite hat: Sie verhindert zwar überzogene Mieterhöhungen, weckt jedoch bei Vermietern nicht gerade das Interesse, sich um die Instandhaltung ihrer Immobilie zu kümmern, wenn sie die Kosten nur noch in geringem Maße umlegen können.

Kommen wir zum Schluss nochmal nach Berlin, wohin es Ihre Zielgruppe offensichtlich zieht. Dort hat der Senat das schärfste Zweckentfremdungsverbot durchgesetzt. Das spielt Ihnen nicht gerade in die Karten, oder?

Das Zweckentfremdungsverbot schafft neue Herausforderungen, an die man im ersten Moment gar nicht gedacht hat. Durch das Gesetz verschärft sich gerade für internationale Studierende die Lage. So fällt es der Humboldt-Universität in Berlin schwer, ihre internationalen Studierenden unterzubringen, die Kurse der „Summer“ und „Winter University“ über die Semesterferien belegen. Sie wandte sich deshalb an uns. Gemeinsam konnten wir bei den Bezirksämtern eine Ausnahmegenehmigung für Studierende in Bezug auf Kurzzeitmieten erwirken, sodass HousingAnywhere von dem Verbot ausgenommen ist. Es ist also entscheidend, alle Parteien an einen Tisch zu holen und den Austausch zwischen Städten, Gemeinden, Universitäten und Immobilienanbietern zu suchen. So können sie gemeinsam andere Lösungen finden. (hs)

Foto: © Djordy Seelmann