„Die Länder könnten ohne weiteres die Grunderwerbsteuer senken“

26. September 2023


Er macht dem Ruf der Westfalen alle Ehre. Wer den Sozialdemokraten Bernhard Daldrup im politischen Berlin trifft, erlebt einen kommunal verwurzelten, fachpolitisch beharrlichen und zugleich verbindlichen Gesprächspartner. Der Bundestagsabgeordnete ist Jahrgang 1956, wuchs in Sendenhorst / Kreis Warendorf in einer Handwerkerfamilie auf und ist Vater zweier Söhne. Vor seinem Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahre 2013 war Daldrup Wirtschaftsförderer und Leiter des Amtes für Stadtentwicklung der Stadt Beckum sowie Landesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik Nordrhein-Westfalen (SGK NRW).

Interview von Stephen Paul

 

AIZ-Magazin: Was hat sie bewogen, sich für Bauen, Wohnen und Kommunales im Deutschen Bundestag zu engagieren?

Bernhard Daldrup: Meine Wurzeln sind in der ehrenamtlichen Kommunalpolitik meiner kleinen Heimatstadt im Münsterland. Kommunen sind nicht das Kellergeschoss, sondern das Fundament unserer Demokratie. Seinerzeit habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass vom Deutschen Bundestag der gemeinsame Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen geschaffen wurde. Dann war auch klar, dass ich mich da engagiere.

Die Reform der Grundsteuer hat die Immobilieneigentümer verunsichert und liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht. Beschäftigt Sie, dass dadurch eine noch stärkere steuerliche Belastung des Wohneigentums droht?

Die Grundsteuer fließt den Kommunen zu. Aktuell sind es rund 15 Milliarden Euro Einnahmen, die Kreise, Städte und Gemeinden auch brauchen. Der Bund könnte hier bei einem Ausfall nicht einspringen. Es gibt ja bereits eine Schieflage: Während der Bund sich weiter verschuldet, entschulden sich sogar manche Länder. Schon jetzt gleicht der Bund mit Förderung wie mit dem Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ aus, was die Kommunen an Aufgaben haben, aber wofür sie keine ausreichende Finanzierung durch ihre jeweilige Landesregierung erhalten. Die Kommunen sind strukturell unterfinanziert.

Sie leben im Münsterland. Eine Region, in der viele Menschen im Einfamilienhaus wohnen. Beobachtet man politische Aussagen und Entscheidungen der letzten Zeit, könnte man den Eindruck gewinnen, diese Wohnform hat keine Zukunft.

Die meisten Menschen wünschen sich ein Eigenheim. Ein sehr vernünftiger Wunsch. Sicher, in den Großstädten ist das für viele ein weit entfernter Traum. In den kleinstädtischen, eher ländlichen Räumen kann man sich Wohneigentum noch eher leisten.

Aber das Einfamilienhaus wird ja als Flächenfresser stigmatisiert.

Ich möchte, dass wir aus solchen Konfrontationen herauskommen. Klar, wir wollen heute keinen Flächenfraß mehr. Aber man sollte die Eigenheim-Perspektive nicht aufgeben. Vielleicht kann man ja etwas kooperativer bauen. Flächeneffizienter als das freistehende Einfamilienhaus, aber baulich so, dass Privatheit entsteht. Große Ein- und Zweifamillienhäuser sind für die Menschen immer eine gute Lösung, wenn sie sich in der Familienphase befinden. Wenn die Kinder weg sind, werden Haus und Garten zu groß. Das Haus ist dann auf die persönlichen Bedürfnisse nicht mehr eingerichtet, muss umgebaut werden.

Stört Sie eigentlich, dass sich die wohnungspolitische Debatte zumeist um die Probleme in den attraktiven Metropolen dreht?

Ich finde, wir müssen mehr über die großen Chancen für die kleinen und mittleren Städte sprechen, die sich durch die Digitalisierung der Arbeitswelt ergeben. Es ist leichter geworden, von zuhause aus zu arbeiten. Klar, ein Stahlwerk kann man nicht dezentralisieren, aber viele andere berufliche Tätigkeiten.

Stichwort Digitalisierung. Für wie digital und innovativ halten Sie als langjähriger Fachpolitiker eigentlich die Bau- und Immobilienwirtschaft?

Bei mir im Wahlkreis, in Beckum, ist das erste Haus aus dem 3D-Drucker gebaut worden. Eine gute Qualität. Da wohnen auch tatsächlich Leute drin. So könnte
man tatsächlich sehr viel schneller bauen.

Jetzt wäre noch gut, wenn der Spritzbeton auch aus der Region käme.

Sie sagen es! Zumal Beckum und Umgegend ja als deutsches Mekka der Zementindustrie bekannt ist. Ich stehe im Gespräch mit den Akteuren, damit wir den Spritzbeton für den 3D-Gebäudedruck bei uns in Deutschland herstellen. Überhaupt tut sich viel bei der Entwicklung und Erprobung neuer Baustoffe. Kürzlich habe ich mir das Carbon-Beton-Haus in Dresden angeschaut. Dort habe ich eine immense Ersparnis an Material erlebt. Auch die Kombination von Zement und Holz an anderen Referenzobjekten erscheint mir vielversprechend.

Werden Innovationen wie diese hierzulande nicht durch die Bürokratie ausgebremst?

Bei uns ist der Brandschutz hoch entwickelt. Sicher sinnvoll, aber auch ein Hemmnis bei Baustoff-Innovationen. Auch die DIN-Normen verkomplizieren. Hier trägt die Industrie selbst ihren Teil dazu bei. Ich will aber auch mal sagen, dass wir heute gucken müssen, dass wir als Gesellschaft und Politik die Bauwirtschaft nicht überfordern. Unsere heutigen Ansprüche an die Vereinbarkeit von Klimaschutz und günstigem Wohnen gehen mir manchmal zu weit.

In der Realität geht der Bauwirtschaft gerade die Arbeit aus. Namhafte Projektentwickler und Bauträger melden Insolvenz an.

Und deshalb wollen wir jetzt Impulse geben, um den Wohnungsbau wieder anzuregen. Verbesserte degressive Abschreibungsmöglichkeiten sind eine erste Idee. In der Bauwirtschaft droht ein Abbau von Kapazitäten, die so schnell nicht wieder aufgebaut werden können.

Für den Erhalt der Kapazitäten und eine Ankurbelung des Wohnungsbaus wäre eine verlässliche und auskömmliche Förderung wichtig.

Wir wissen, dass die Programme vom Volumen her gering sind. Die Aufstockung der Neubauförderung von 1,1 auf 2 Milliarden Euro ist ein erster Schritt.

Auch die Baunebenkosten sind zu hoch. Wann kommt die im Koalitionsvertrag versprochene Entlastung bei der der Grunderwerbsteuer?

Wir sprechen über aktuell 17 Milliarden jährliche Steuereinnahmen. Geld, dass voll in die Kassen der Länder fließt. Und ich sage Ihnen ganz offen: Die Länder haben bei der Grunderwerbsteuer ein leichtes Spiel und können immer auf den Bund zeigen. Dabei wären sie selbst in der Lage, ohne weiteres die Steuersätze zu senken. Stattdessen haben wir heute die Situation, dass die Kleinen zahlen müssen und die Großen sich durch Share-Deals der Steuerzahlung entziehen.

Sie engagieren sich nicht nur als Politiker, sondern auch in zahlreichen Vereinen für Schwächere. Wussten Sie, dass auch die Immobilienwirtschaft hilft? Mit dem Verein „IVD Sozial“ unterstützen unsere Mitgliedsunternehmen ausgewählte Projekte zugunsten schwer kranker, benachteiligter und obdachloser Kinder. Allein vergangenes Jahr kamen über einhunderttausend Euro Spenden zusammen.

Ein solch soziales Engagement begrüße ich sehr. Dass die IVD-Mitglieder sich so engagieren, ist vorbildlich.

 

Foto: © Elias Domsch