Digitaloffensive 2023

18. Januar 2023


Während traditionelle digitale Unternehmen schwächeln und hybride Start-ups Personal entlassen, ergeben sich nächstes Jahr für Kleinunternehmen große Chancen, die ungenutzten Potentiale besser auszuschöpfen.

Von Jan Kricheldorf

McMakler & Homeday sind angezählt. Auch wenn noch unklar ist, ob es sich nur um ein blaues Auge handelt oder der Knockout droht. Die Energiekrise und die Marktumkehr haben die Investoren nervös gemacht. Und die Start-ups haben gelernt. Um erfolgreiche Umsätze zu generieren, ist mehr als gut optimierte digitale Prozesse notwendig. Es braucht eben doch mehr als einfach nur Klick, Klick, Umsatz — vor allem Verkaufstalente in diesen Tagen. Doch woher sollen diese Fachkräfte kommen? Erfolgreiche Makler wissen, dass sie als Unternehmer deutlich mehr verdienen können als angestellt bei einem Start-up. Und mit Mittelmaß ist beim Verkauf derzeit kein Blumentopf zu gewinnen.

Wenden wir uns also denen zu, die seit Jahren professionell an den Immobilienmärkten wirken: den so genannten „traditionellen“ Maklern. Kleinunternehmer, die ihre Geschicke nicht von Investorenentscheidungen abhängig machen müssen, sondern selbst das Heft in der Hand haben und auf die Markterfordernisse eingehen können. Ja, das typische Kleinunternehmen hat es nicht immer nötig gehabt, sich digital gut aufstellen zu müssen. Die Lokalen lebten von ihrem guten Ruf und den Empfehlungen ihrer Kunden. Umso mehr könnte man auch in dieser Marktphase davon ausgehen, dass Veränderungen gar nicht notwendig sind, wenn die digitale Konkurrenz gerade schwächelt. Vollständig bei Lichte betrachtet, ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild von Notwendigkeiten. Denn noch nie zuvor war es wichtiger, Vermarktungsprozesse zu automatisieren und zu digitalisieren. Um die Umsätze der vergangenen Jahre ansatzweise zu erreichen, müssen Immobilienmakler im kommenden Jahr deutlich mehr Immobilien mit derselben Personalstärke managen, Anfragen koordinieren, Finanzierbarkeiten einschätzen und Objekte aufbereiten.

Effizientes Zeitmanagement rückt ohne digitale Hilfsmittel und Tools in weite Ferne. Höchste Zeit also für eine Neubewertung der eigenen digitalen Möglichkeiten:

1. Webseite

Maklerwebseiten, die einfach nur schön sind, bedürfnisferne Inhalte und keine Reichweite haben, sind nicht geeignet, um die Maklerpräsenz zu jeder Tageszeit zu repräsentieren. Wer Immobilien verkaufen will, muss deutlich mehr investieren in geeignete Kommunikation, auch in der Vermarktung. Die Verunsicherung an den Märkten muss vor allem von den Menschen mit Expertise aufgelöst werden. Der medialen Verunsicherung muss entgegengewirkt werden. Steigen oder fallen die Preise? Diese Frage können lokale Makler viel besser beantworten als Zeitungsredakteure. Nur warum finden sich die Antworten nicht auf den Maklerwebseiten wieder? Ein Defizit, das schnell gelöst werden muss.

2. Zurück in die Abhängigkeit der Portale oder über Facebook makeln?

Nur wer die Webseite in den Mittelpunkt seines unternehmerischen Handelns stellt, hat auch die Chance, sich von den Abhängigkeiten der Portale zu lösen. Ganz gelingen wird das nie. Doch auch von großen Marktplätzen wie Immobilienscout kommen deutlich weniger Anfragen. Weniger Anfragen bedeuten längere Vermarktungsphasen. Ergo muss die Reichweite über andere Kanäle gesteigert werden. Facebook und Linkedin sind immer noch reichweitenstarke Plattformen, die genutzt werden können. Bestes Beispiel: Der Makler Andreas Kischkel in Dinslaken kommt trotz Marktwende bestens ohne Portale aus (siehe Seite 26).

3. Sinnvolle Tools

Wenn es 2023 schwierig wird, dann vor allem deswegen, weil die Banken höhere Anforderungen stellen und Käufer wegen der Teuerung zurückhaltend sind. Trotzdem sind bei moderaten Zinsen zwischen 3 und 4 Prozent immer noch Finanzierungen möglich. Fragt sich nur für wen. Dies kann mit interaktiven Tools in wenigen Sekunden vorgeprüft werden. So zum Beispiel beim Start-up Justhome. Wer zu den Immobilieneckdaten sein Eigenkapital und das Haushaltsnettoeinkommen ergänzt, erhält aus einem Pool von bis zu 700 Banken in wenigen Sekunden Angebote, die — wahrheitsgemäße Angaben vorausgesetzt — dann mit den Beratern des Start-ups verfeinert werden können. Dabei liegt die Innovationskraft nicht auf dem zweiten Teil der Beratung, sondern auf der vollautomatischen Vorqualifizierung, die mit entsprechendem Widget sogar direkt im an den Kunden versandten Exposé möglich wird. Dadurch werden Medienbrüche und Verzögerungen abgebaut.

4. Reichweite im eigenen Bestand erhöhen

Die Datenbanken der Makler sind voll mit Kontakten, Anfragen vor allem aus den letzten Monaten. Die meisten Kaufinteressenten mussten im Verteilermarkt enttäuscht zurückbleiben. Jedoch: Auch wenn sich viele Interessenten inzwischen wieder dem Mietmarkt zuwenden, heißt das nicht, dass der Traum vom Eigenheim in 2023 unerfüllt bleiben muss. Doch wie soll der Kunde das erfahren, wenn der Makler zu ihm keine permanente Kommunikationsverbindung eingerichtet hat? Newsletter und Webinare bleiben das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, bestehende Kundenverhältnisse wiederzubeleben, sie zu aktivieren und mit Narrativen aufzuräumen, die noch in den Köpfen herumschwirren.

5. Eigentümer: Immobilienpreisentwicklungen verfolgen

Viele Verkäufer träumen noch von dem hohen Immobilienpreisniveau des letzten Jahres. Es ist schwer, sie davon abzubringen, wenn sie in Magazinen wie dem Spiegel lesen, dass die Kaufpreise weiter steigen, obwohl der Makler in den letzten Monaten nur noch nach unten verhandelt hat. Gleichwohl kann auch hier digitale Transparenz helfen, von Mondpreisen abzurücken. Mit Permanentbewertungen, also Immobilienwerteinschätzungen, die sich wie beim DAX regelmäßig aktualisieren, visualisieren sie die Trendwende an den Märkten. Dem einen oder anderen
Eigentümer wird klar vor Augen geführt, dass er auch noch hinter der Welle mit satten Gewinnmitnahmen rechnen kann.

6. Fazit

Das Immobilienjahr 2023 wird eine digitale Herausforderung, die es vor allem in puncto digitaler Vermarktung und der Kundenkommunikation zu bewältigen gilt. Dabei kommt Kleinunternehmen zu Gute, dass sie deutlich wendiger und veränderungsfähiger sind als manch digitales Start-up mit hunderten von Mitarbeitern und renditeorientierten Investoren im Nacken.

Illustration: Wordliner GmbH, alexkladoff/istock.com, kentoh/Depositphotos.com