Eigenmächtiges Verwalterhandeln — Ansprüche und Gegenansprüche

21. Juli 2022


In der 13. Folge unserer Serie zur WEG-Reform mit neuer Rechtsprechung geht es um Verwalter, die eigenmächtig handeln — und damit für großen Unmut bei den Eigentümern sorgen. Manchmal sehen Verwalter sich veranlasst, Weisungen der Eigentümer zu ignorieren. Das kann unterschiedliche Gründe haben: Möglicherweise weiß der Verwalter es besser oder er will der Gemeinschaft — vermeintlich — einen guten Dienst erweisen. Rechtlich riskant ist es aber in jedem Fall, diesen Weg zu beschreiten. Denn aller Erfahrung nach interessiert sich die Rechtsprechung in solchen Fällen regelmäßig nicht dafür, was eigentlich das Motiv des Verwalters war. So auch in einer neuen BGH-Entscheidung, wo ein Verwalter eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum in Auftrag gegeben hatte.

Von Rechtsanwalt Dr. Niki Ruge

Die beklagte Hausverwaltung war Verwalterin der klagenden Gemeinschaft. 2014 beschlossen die Wohnungseigentümer, für rund 40.000 Euro brutto eine bestimmte Firma mit der Erneuerung der Eingangstüren und der Briefkastenanlagen zu beauftragen. Die Verwaltung beauftragte jedoch eine andere Firma, die die Arbeiten letztlich für rund 36.300 Euro ausführte, und beglich deren Rechnungen aus Mitteln der Gemeinschaft.

Die klagende Gemeinschaft verlangt von der beklagten Verwaltung hauptsächlich die Rückzahlung der geleisteten Zahlungen nebst Zinsen. Die Verwaltung verteidigt sich damit, dass die Gemeinschaft nach der Durchführung der Arbeiten bereichert sei und erklärt insoweit die Aufrechnung. In den ersten beiden
Instanzen dringt sie damit aber nicht durch; Amts- und Landgericht verurteilen sie zur Zahlung an die Gemeinschaft.

Dazu der Bundesgerichtshof (BGH)Urteil vom 10. Dezember 2021 – V ZR 32/21

Die Entscheidungen der Instanzgerichte halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, deshalb muss die Sache neu aufgerollt werden. Es sei nämlich durchaus möglich, dass die Gemeinschaft gegenüber dem Verwalter ungerechtfertigt bereichert sei.

Sollte das der Fall sein, habe der Verwalter einen Gegenanspruch, den er der For-derung der Gemeinschaft im Wege der Aufrechnung entgegenhalten könne. Dieser Anspruch des Verwalters sei grundsätzlich auf Ausgleich der Werterhöhung der Wohnanlage gerichtet, die die von ihm veranlassten Baumaßnahme bewirkt habe. Allerdings müsse er sich möglicherweise eine Kürzung seines Anspruches gefallen lassen, die — abhängig von den Umständen des Einzelfalls — bis zu 20 Prozent betragen könne. Das Berufungsgericht werde daher noch zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Verwalter ein Bereicherungsanspruch als Gegenforderung zusteht.

Der rechtliche Kontext

Seit der WEG-Novelle durch das WEMoG ist der Verwalter Vertreter der Gemeinschaft mit grundsätzlich umfassender Vertretungsmacht (§ 9b Abs. 1 WEG). Er ist infolgedessen in der Lage, mit Wirkung für und gegen die Gemeinschaft nach außen hin tätig zu werden und insbesondere Rechtsgeschäfte für sie abzuschließen (Außenverhältnis). Gesetzlich ausgenommen sind davon nur Grundstückskauf- und Darlehensverträge; insoweit kann aber Vertretungsmacht durch Beschluss eingeräumt werden. Das rechtliche Können des Verwalters stellt sich also als weitreichend dar. Davon zu unterscheiden ist allerdings das rechtliche Dürfen innerhalb der Gemeinschaft (Innenverhältnis). Hier ist § 27 WEG einschlägig, der den Rahmen des Verwalterhandelns eher eng zieht, wobei die Eigentümer aber abweichende Regelungen beschließen können. Eine wichtige Konsequenz aus dieser neuen gesetzlichen Konstruktion ist, dass der Verwalter, wenn er seine Befugnisse aus dem Innenverhältnis überschreitet, gegen sich selbst gerichtete Ansprüche der Gemeinschaft erzeugen kann. Um einen solchen Anspruch geht es vorliegend. Indem der Verwalter gegen die Weisung der Eigentümer handelte — er beauftragte eine andere Firma und bezahlte deren Rechnungen mit Mitteln der Gemeinschaft — überschritt er seine Befugnisse im Innenverhältnis. Im Ausgangspunkt zutreffend und von der Revision auch nicht angegriffen hat das Berufungsgericht deshalb einen vertraglichen Anspruch der Gemeinschaft auf Herausgabe der überlassenen und durch die geleisteten Zahlungen nicht bestimmungsgemäß verbrauchten Gelder der Gemeinschaft in Höhe von rund 36.300 Euro bejaht. Ob daneben auch ein Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft gemäß § 280 Abs. 1 BGB besteht, weil die unbefugte Auftragsvergabe und ihre Durchführung eine schuldhafte Vertragsverletzung darstellen, bedurfte keiner weiteren Entscheidung.

Allerdings hat der BGH klargestellt, dass einem Verwalter in der vorliegenden Situation durchaus eigene (Gegen-) Ansprüche gegen die Gemeinschaft zustehen können. Damit kommt dann eine Aufrechnung in Betracht. Zu denken ist insoweit vor allem an Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigte Bereicherung, wobei im konkreten Fall nur letztere eine Rolle spielen, weil die Eigentümer eine bestimmte Firma beauftragen wollten, also einen ausdrücklichen Willen formuliert hatten (vgl. § 684 BGB).

Eine solche Eigenmächtigkeit des Verwalters, so der BGH weiter, kann indes eine Verringerung des Ersatzanspruchs rechtfertigen. Begründen lässt sich die Kürzung zum Beispiel, wenn die Durchsetzung etwaiger Gewährleistungsansprüche gegen die von dem Verwalter beauftragte Firma weniger erfolgversprechend erscheint oder wenn es den Eigentümern (auch) darauf ankam, die bestehende Geschäftsbeziehung zu der von ihnen gewählten Firma zu festigen. Sie kann — abhängig von den Umständen des Einzelfalls — bis zu 20 Prozent betragen kann.

Schlussfolgerungen für die Verwaltungspraxis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass WEG-Verwalter sich auf dünnes Eis begeben, wenn sie Maßnahmen veranlassen, ohne zuvor die Eigentümer befragt und deren Einverständnis eingeholt zu haben. Innerhalb der Gemeinschaft (Innenverhältnis) darf der Verwalter nach dem gesetzlichen Leitbild in § 27 Abs. 1 WEG nur Maßnahmen treffen, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Verlässt er diesen Bereich ohne Billigung der Eigentümer, setzt er sich der Gefahr aus, der Gemeinschaft sämtliche mit der Maßnahme verbundenen Kosten erstatten zu müssen. Zwar kommt grundsätzlich in Betracht, mit eigenen Ansprüchen dagegen die Aufrechnung zu erklären. Jedoch wird man nicht selten aufgrund der Eigenmächtigkeit des Verwalterhandelns mit einer Anspruchskürzung rechnen müssen. Dann wird der Verwalter allenfalls einen Teil seines finanziellen Aufwands zur Aufrechnung stellen und liquidieren können.

Der Eigenanteil, den er selbst zu tragen hat, kann nach der neuen Rechtsprechung bis zu 20 Prozent des gesamten Volumens betragen. Je nach Maßnahme mag sich also unter dem Strich ein beträchtlicher Schaden für ihn ergeben. Danach, ob das Handeln des Verwalters von an sich nachvollziehbaren Motiven getragen war, fragt die Rechtsprechung nicht.

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