„Energetische Gebäudesanierung muss für Eigentümer leistbar sein“

4. Mai 2023


Franziska Mascheck ist Jahrgang 1979 und studierte Ballett an der Palucca Schule Dresden. Vor ihrer Wahl in den Deutschen Bundestag arbeitete sie als freiberufliche Sozialarbeiterin mit Jugendlichen und Kommunen in Beteiligungs-Projekten. Über die Landesliste der SPD zog sie 2021 ins Parlament ein und ist stellvertretende Sprecherin ihrer Fraktion im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Im Interview spricht sie über Zielkonflikte beim Wohnungsbau, Gebäudeeffizienz und Denkmalschutz sowie Grenzen der Zumutbarkeit für Hauseigentümer.

Interview von Stephen Paul

AIZ-Magazin: Sie haben professionell getanzt, engagieren sich für Kinder und Jugendliche. Was treibt sie als Bundespolitikerin an?

Franziska Mascheck: Ich komme aus der kommunalpolitischen Arbeit. Vor Ort in den Städten und Gemeinden werden politische Entscheidungen und alle Gesetze in die Realität umgesetzt. Diese will ich mitbestimmen.

Ihr Wahlkreis ist das Leipziger Land. Erleben Sie auch selbst, wie das Umland durch Zuzug vom angespannten Wohnungsmarkt in der Großstadt profitiert?

Ich erlebe immer häufiger, dass Menschen aufs Land ziehen möchten. Auch durch veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sie können sich heute –anders als vor Jahren noch – vorstellen, dort zu leben. Zur Wahrheit gehört, dass die Kommunen vielerorts noch nicht die entsprechende Infrastruktur aufbauen konnten. Öffentliche Angebote wurden, wie auch in meiner Heimatregion, in den letzten drei Jahrzehnten eher zurückgebaut. Die Preise, besonders im Umland von Metropolen und Großstädten, sind aber bereits angezogen. Die Kommunen profitieren jetzt einerseits vom Zuzug, andererseits sind sie verantwortlich für beispielsweise Kita-Plätze, die Familien benötigen.

Ein alter, fast verfallener Vierseitenhof ist Ihr Zuhause geworden. Das Gebäudeensemble nutzen Sie auch für kulturelle Aktivitäten. Wo sollte nach Ihrer eigenen Erfahrung das Baugesetzbuch oder die Denkmalschutzgesetze der Länder gelockert werden, um die Nutzung älterer Gebäude zu erleichtern?

Die Sanierung eines solchen Hofes ist eine Generationenaufgabe. Genau betrachtet, sind solche Gebäudeensemble immer mischgenutzte Immobilien gewesen. Hier wurde stets gelebt und gearbeitet. Es gibt viele landwirtschaftliche Gebäude, die sich im Zusammenhang mit einem Siedlungsgebiet befinden, für das es einen Bebauungsplan gibt, selbst aber im Außenbereich liegen. Hier lohnt in vielen Fällen eine Umnutzung zu wohnlichen oder gewerblichen Zwecken. Ich stimme zu, es sollte baurechtlich erleichtert werden, solche Nutzungsänderungen umzusetzen. Beim Denkmalschutz sind vor allem die Bundesländer zuständig. Der Denkmalschutz ist wichtig, um das baukulturelle Erbe und das Ortsbild zu erhalten. Wenn aber eine Kommune oder ein Investor Aufgaben der Daseinsvorsorge übernimmt, dann sollte die Nutzung als mindestens gleichwertig mit denkmalschutzrechtlichen Zielvorstellungen angesehen werden. Es darf doch nicht sein, dass am Ende ein Gebäude mitten in der Stadt leer steht, weil es nicht einer neuen Nutzung zugeführt werden kann. Ebenso muss ein solches Haus auch technisch nachgerüstet werden können, um den Ansprüchen an die Energieeffizienz gerecht zu werden.

Noch mal nachgefragt, Frau Mascheck. Manchmal stehen ja Vorschriften des Denkmalschutzes zeitgemäßem Wohnen im Wege. Würden Sie dann auch sagen, da muss es in der Abwägung vorrangig um den zu gewinnenden Wohnraum gehen?

Bei einem Ensembleschutz könnte sich der Wunsch nach Schaffung zusätzlichen Wohnraums mit denkmalpflegerischen Belangen tatsächlich stoßen – also wenn eine bestimmte Bebauung im historischen Bestand so nicht möglich ist. Ich denke, man sollte mehr miteinander abwägen, was zur Stunde der vorrangige Bedarf ist. Es gibt so tolle Architekten, die gute Lösungen im historischen Bestand schaffen können. Mehr Technologieoffenheit im Denkmalschutz könnte helfen.

Die Eigentümer von Wohnimmobilien ächzen unter den Kostenfolgen, die die Klimaschutzvorschriften im Gebäudesektor auslösen. Wie wollen Sie diesen vielen Menschen helfen?

Gerade in den ländlicheren Räumen gibt es ja eine hohe Eigentümerquote. Hier haben viele Menschen relativ schlecht gedämmte Gebäude mit einer alten Heizungsanlage drin. Wir können von niemandem erwarten, dass er jetzt auf einen Schlag sein Haus auf den heutigen Stand bringt. Ich stelle mir vor, dass man für jedes dieser älteren Gebäude einen Sanierungsfahrplan entwickelt. Darin müsste beschrieben werden, in welcher Reihenfolge modernisiert wird. Angefangen bei der effizientesten und für die Eigentümer leistbaren Maßnahme. Hier muss dann bei Bedarf einkommensabhängig geholfen werden. Gerade im ländlichen Raum gibt es aber so viele Gebäudetypen, energetische Standards und Versorgungstechniken, dass es gar nicht die eine Antwort geben kann.

Ist denn die Altersgrenze von 80 Jahren beim Heizungstausch nicht zu hoch angesetzt? Auch eine 78-jährige alleinlebende Dame wird wohl das Ende der Amortisationszeit ihrer neuen Heizungsanlage nicht mehr erleben…

An der gesetzlichen Regelung wird noch ordentlich gearbeitet werden müssen. Kein Gesetz kommt so aus dem Bundestag heraus, wie es hereingekommen ist. Auch die Ministerin ist da geerdet und pragmatisch, was die Lösungen angeht, und lässt sich da auch nicht treiben.

Deutschland verfehlt seine Neubauziele. Wir laufen dadurch in einen Wohnungsmangel, der den sozialen Frieden stört. Müsste der Wohnungsbau nicht stärker gefördert werden?

Inzwischen sind wir sogar bei einem Bedarf von 700.000 Wohnungen jährlich. Und es steht für mich auch fest, dass wir mehr Fördergeld, vor allem für den sozialen Wohnungsbau, in die Hand nehmen müssen. Für den klimafreundlichen Neubau setzen wir uns als Parlamentarier bereits für eine Mittelaufstockung ein. Ebenso sprechen wir gerade intensiv über den Abbau des großen Bauüberhangs, also eine zügige Umsetzung der bereits genehmigten Baumaßnahmen.

Sie betonen die Notwendigkeit der Wohneigentumsförderung, besonders für Gering- und Normalverdiener. Wie muss diese in Ihren Augen ausgestaltet sein, um zu wirken?

Eine Variante wäre ein Förderinstrument, dass das nötige Eigenkapital ergänzt oder ersetzt. Wir müssen uns auch fragen, wie unterstützen wir Familien mit vielen Kindern, die trotz ordentlicher Einkünfte nie eine Finanzierung genehmigt bekommen. Es wird nicht so etwas sein wie das Baukindergeld, weil dabei die Zuschüsse erst nachträglich flossen. Wir diskutieren auch Programmideen wie „Jung kauf Alt“, also, dass junge Familien von älteren Menschen das Einfamilienhaus übernehmen und dieser Erwerb gefördert wird. Dann brauchen wir aber auch für diese älteren Menschen wohnortnahe Angebote, in denen sie für sich ein neues Zuhause finden.

Wäre es nicht gut, die gesamten Fördermittel für das Bauen und Wohnen im Fachministerium bei Ministerin Geywitz zu konzentrieren?

Es gibt eine klare Aufgabenteilung mit dem Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, das die klimafreundliche Sanierung von Beständen fördert. Die Förderung des Neubaus, des sozialen Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung ist klar im Bauministerium verortet. Natürlich wünschen wir uns, dass wir da noch mehr Handlungsmöglichkeiten bekommen.

 

Foto: © Lysann Bohne