Es ist Zeit, die Gesamtstrecke zu optimieren

24. März 2023


Christian Ochs, Geschäftsführer und Co-Founder des österreichischen Kontoinformationsdienstes FINcredible, erzählt uns im Interview, wie sein Unternehmen dafür sorgt, dass der Identitäts- und Bonitätscheck digital einfacher funktioniert, wie er den Datenschutz seiner Kunden wahrt und wie die Finanzierung der Zukuft aussehen wird. Zudem verrät er uns, wie die zukünftige Immobilienfinanzierung auf Knopfdruck aussehen kann.

Christian Ochs, Geschäftsführer und Co-Founder

AIZ: Herr Ochs, Sie scannen mit Ihrer Entwicklung per Knopfdruck das Girokonto des Kaufinteressenten und ermitteln automatisch die Bonität. Wir stark verkürzt das den Prüfungsprozess?

Christian Ochs: Die Verkürzung ist enorm. Kreditentscheidungen werden künftig fast in Echtzeit möglich. Wenn ich das aus Endkundenperspektive beleuchte, spare ich mir diverse Dateneingaben. Üblicherweise muss ich bei Kreditangaben Einkommensverhältnisse, meine Beschäftigungssituation und alle Fixkosten benennen. Das kann sehr aufwendig sein. Wir hingegen können das nach dem Auslesen des Girokontos vollständig automatisieren. Meine Mitarbeiter und ich fungieren sozusagen als Kreditvermittler oder Bankberater und bekommen bereits vollständig gesicherte Informationen, die über das Bankkonto verifiziert wurden. Das ermöglicht, dass wir in unserer Beratertätigkeit mit dem Kunden dann nur noch über wenige, auffällige Aspekte sprechen müssen. Das ist service- und beratungsorientiert und spart für den Kunden Zeit.

Was zeichnet die Finanzierung der Zukunft aus?

Die Finanzierung der Zukunft ist wesentlich mehr „spot on“, das heißt, dass es schneller geht. Noch vor einigen Jahren war die Finanzierung eines Immobilienkaufs ein Thema, mit dem man sich über mehrere Wochen beschäftigt hat. Es dauerte, bis man die Finanzierung geklärt und ein Objekt gefunden hatte. Jetzt kann ich das mit Hilfe eines Onlineformulars tun, wo ich den Zweck der Finanzierung und wie viel Kredit ich dafür brauche, eingebe. Das heißt, ich kümmere mich nur darum, mein Finanzierungsvorhaben darzulegen. Es werden alle Daten automatisiert erfasst, die vollständige Identifikation durchgeführt, meine gesamte finanzielle Situation erfasst und freigegeben. In dem Moment, wo ich mit dem ganzen Projekt Immobilienkauf anfange, bekomme ich auch direkt mitgeteilt, ob ich den Kredit bekomme oder nicht.

Der Mehrwert liegt also in einer erheblichen Beschleunigung des Prüfungsverfahrens?

Ja, Beschleunigung, da, wo sie erforderlich ist. In anderen Bereichen liegt der Fokus stärker auf Effizienz bei der Beratung. Die Zeitersparnis aus dem Prüfungsverfahren kommt der Zeit zugute, wo wir dem Kunden erklären, wie seine Finanzsituation betroffen ist und welche finanziellen Bürden er sich mit dem Kredit auferlegt.

Bei Finanzierungen werden regelmäßig sensible Daten berührt und das wiederum ist eine große Herausforderung für technische Systeme. Was hat sich da in den letzten Jahren getan?

Nur Positives. Es werden zwar mehr Daten als jemals zuvor verarbeitet, aber es ist auch ein wesentlich größeres Bewusstsein über die Sensibilität von Daten vorhanden als jemals zuvor. Und ich denke, dass alle Systeme und Prozesse, die mittlerweile bestehen oder noch kommen, eigentlich „Datenschutz by Design“ sicherstellen. Das heißt, dass von Anfang an keine Datenbanken irgendwo in den Tiefen eines Unternehmens auf ewig gespeichert werden, sondern genauso wie bei unserer Lösung beispielsweise auf eine ganz klar bestimmte Zeit in einer Datenbank gespeichert und danach gelöscht werden. Sie werden nicht irgendwo in verschiedenste Archive wandern, aufgeteilt werden und dann nicht mehr nachvollziehbare Datenströme entstehen. Diese Entwicklungen lassen auch zu, dass immer sensiblere Daten verarbeitet werden, sofern natürlich der entsprechende Geschäftszweck vorliegt. Das Prinzip der Datenminimierung ist, glaube ich, die Voraussetzung dafür. Aber sofern es der Geschäftszweck erfordert, kann ich diese Daten auch verarbeiten. Früher wäre es aus meiner Sicht nicht denkbar gewesen, das so anzubieten.

Wie managen Sie, dass der Verbraucher am Ende das Gefühl hat, die Kontrolle über seine Daten zu vermeiden?

Unabhängig von unserer Lösung ist das immer eine berechtigte Frage. Die Daten, die wir analysieren und verarbeiten, müssen einem Geschäftszweck angepasst sein. Es wäre aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt, ein umfassendes Bild der Finanzsituation einer Person zu erstellen, wenn es beispielsweise um ein Zeitungsabo geht. Warum interessiert jemand mein Bankkonto, wenn das finanzielle Risiko diesen Eingriff nicht rechtfertigt?

Machen wir das an einer Immobilienfinanzierung einmal fest. Welche Einflussmöglichkeiten hat der Verbraucher, nachdem sein Konto gescannt worden ist?

Es gibt natürlich die datenschutzrechtlichen Erfordernisse. Der Kunde bekommt eine Auskunft darüber, welche Daten wo über ihn verarbeitet und gespeichert werden. Genauso gibt es die Möglichkeit einer Korrektur beziehungsweise Löschung. Bevor die Daten an eine Bank weitergeleitet werden, kann der Kunde sein Feedback geben. Zudem kann er alternative oder ergänzende Angaben machen. Das heißt, wir gehen hier dem Datenschutzrecht noch vor, zeigen ihm seine Ergebnisse und fragen, ob er sie in dieser Form an die Bank geben möchte.

Von welchen Anwendungsfällen können Sie bereits berichten?

Das ist sehr breit aufgestellt. Für jeden Anwendungsfall empfehlen wir einen gewissen Informationsgehalt. Zum Beispiel, wenn jemand einen Energievertrag abschließen möchte, geht es nur um die Identifikation von Personen, nicht um eine umfassende Kreditprüfung. Schauen wir auf den Bereich Immobilien. Kann sich jemand zum Beispiel die Mietzahlung leisten? Auch hier könnte man tatsächlich das Einkommen auslesen. Das ist aber in den meisten Fällen gar nicht gefordert. Die Frage ist in der Regel, ob das Einkommen ausreicht, um regelmäßig Miete zu bezahlen. Tatsächlich machen die Immobilienmakler mit den Lohn- und Gehaltsnachweisen nichts anderes, setzen das Gehalt in Verhältnis zur Miete. Das sind Beispiele, wo es um einen geringen Informationsgehalt geht. Anders bei einer Hypothekarfinanzierung, wo es oft um Beträge von einer halben Million Euro oder mehr geht. Da sind alle Informationen, die ich erwähnt habe, relevant. Das ist schon ein Eingriff in die Privatsphäre, der sich aber natürlich durch das finanzielle Risiko rechtfertigt. Wichtig sind dabei das Einkommen, der Bezug von Beihilfen und andere Einkunftsarten. Und wie sehr belasten monatliche Fixkosten? Hier rechtfertigen die persönlichen Lebensumstände einen gewissen Eingriff in die Privatsphäre.

Wird es in den nächsten zehn Jahren eine Immobilienfinanzierung per Knopfdruck geben?

Davon gehe ich stark aus. Dafür sind aber mehrere Komponenten erforderlich. Das eine sind Daten über die Immobilie selbst – nicht nur über die Finanzierung selbst, sondern etwa auch über den Energieausweis, die Bewertung und Daten über die Bonität des Kunden. Und es wird weniger Insellösungen geben. Es wird Unternehmen geben, in denen sich die Dienste wie Immobilienbewertung und Finanzierbarkeitsangaben bündeln. die Daten kommen zu uns und wir nehmen diese Informationen, um die Bonität der jeweiligen Person zu errechnen, diese Info geben wir wiederum an die Bank weiter. Wir werden sozusagen die Supply Chain durchgehen, angefangen vom Makler über den Kreditvermittler bis zur Bank – allen Personen in dieser Kette werden die Informationen zur Verfügung stehen. Dieses Ineinandergreifen der Prozesse ist naheliegend. Bevor man die einzelnen Komponenten optimiert, wäre es besser, diese Gesamtstrecke in Angriff zu nehmen. Und daran arbeiten wir und andere Unternehmen natürlich sehr stark.

 

 

 

Foto: © Christian Ochs