Es wird noch lange nicht genug gebaut

17. April 2019


Im Jahresturnus meldet das Statistische Bundesamt Rekorde bei den Baugenehmigungen. Paradox, dass sich die Märkte nicht entspannen, sollte man meinen. Ganz im Gegenteil, die Regulierungsinitiativen nehmen zu, obgleich genau das Gegenteil erforderlich ist: Anreize für Neubau und schlanke juristische Rahmenbedingungen für schnelle Realisierung.

Von Prof. Dr. Marco Wölfle

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Grafik Wolfle

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Flächennutzung pro Kopf kontinuierlich zugenommen. Verschiedene Gründe wie wirtschaftlicher Wohlstand aber auch die so genannte Versingelung von Haushalten werden in der Wissenschaft dafür verantwortlich gemacht. Um diesen Effekt auszugleichen und zudem Ersatz für abgerissene Gebäude zu schaffen, kommen die gängigen Studien auf eine notwendige Neubauquote von 0,8% bis 1%. Beispielsweise beträgt der Neubaubedarf im Jahr 2017 bei einem Prozent rund 420.000 Wohneinheiten.

Wie euphorisch die regelmäßigen Meldungen zu Baugenehmigungen uns stimmen sollten, zeigt die Grafik auch sehr deutlich. Um den nötigen Neubaubedarf zu decken, müsste jährlich eine Quote von 100% erreicht werden. Selbst im Rekordjahr 2016 lagen die Baugenehmigungen noch 12% unter der notwendigen Balance von Angebot und Nachfrage. 2017 haben die Baugenehmigungen den steigenden Trend nach unten verlassen. Die Realität ist aber drastischer, denn sieht man auf die orangenen Säulen mit den entscheidenderen Fertigstellungsquoten dürften steigende Immobilienpreise in Groß- und Universitätsstädten für wenig Verwunderung sorgen.

Verwunderlich ist nur die Ursachforschung und deren vermeintliche Bekämpfung. Vernehmen wir beispielsweise in der Zeitung die Meldung, dass 35 Prozent der Kaffeeernte ausgefallen sind, rechnen wir beim Einkauf mit höheren Preisen. Denn Dinge, die knapp sind, werden in der Regel teurer. Obwohl die Preisschwankungen auf Märkten für Rohstoffe und Agrarprodukte viel stärker als in der Immobilienwirtschaft ausfallen, wird nicht über eine „Kaffeepreisbremse“ nachgedacht.

Schade eigentlich. Denn während der nicht geerntete Kaffee kaum zu ersetzen ist, könnte man das fehlende Angebot an Immobilien wenigstens über die Zeit durch Neubau ausgleichen. Dazu benötigt es aber vor allem Anreize. Diejenigen, die Bauprojekte anstoßen sollen, müssen dafür aber die Sicherheit haben, dass Investitionen wenigstens zu einem Inflationsausgleich führen und sich nicht sorgen müssen, ob gar Mieten eingefroren werden, damit auf der anderen Seite steigende Steuern für Grunderwerb und Grundbesitz hinzukommen.
Marktversagen oder Staatsversagen?

In der Regel wird zu wenig über Lösungen, sondern zu viel über Probleme nachgedacht. Da dürften meist stark steigende Baukosten auffallen. Werden die Kostentreiber jedoch genauer analysiert zeigt sich, dass die Preissteigerungen von Material und Arbeitsstunden nicht weit über der Verbraucherpreisentwicklung liegen. Wesentlich teurer hingegen ist mit über 75 Prozent durchschnittlicher Zunahme seit 2000 der Grundstückseinkauf geworden. Während Erdarbeiten und Bodenbeläge seit 1958 nominal 4- bis 5,5-mal teurer wurden, sind die Kosten im Bereich von Energie und Heizung mindestens um das 12-fache gestiegen. Genau in diesen Bereichen existieren auch die höchsten gesetzlichen Auflagen. Ist das politisch erklärte Ziel neben dem sicherlich nicht in Frage stehenden Klimaschutz auch, „bezahlbaren Wohnraum“ zu schaffen, müsste darüber nachgedacht werden, wie weitere Regulierungen nicht zu weiteren Kostensteigerungen im Hinblick auf Bauleistungen führen und ob einer Phase, die seit 2000 eher durch Subventionsabbau und Regulierung geprägt war, nicht eher eine Phase der Förderung des Wohnbaus folgen sollte.

Sucht man nach weiteren Problemen, würde auffallen, dass auch die staatlichen Einnahmen für Gebühren bei Bauprojekten einen Rekordwert erreicht haben bzw. einen zunehmenden Anteil an den Baukosten ausmachen (BBSR, 2018). Hofft man im Gegenzug darauf, dass der soziale Wohnungsbau alle Angebotsprobleme der Immobilienmärkte lösen könnte, wird man ggf. enttäuscht.

Bereits heute entsteht nur gut jede neunte Wohnung nicht in der Trägerschaft privater Bauherren. Die Aktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden müssten ein bisher undenkbares Ausmaß annehmen. Die Frage nach einer Verzehnfachung der Bauausgaben dürfte sich dann auch sehr rasch stellen, zumal hier noch ein Effizienzargument hinzukommt. Lässt man abweichende Gebäudesituationen im Bau von öffentlichem und privatem Wohnraum unbetrachtet, so zeigt sich in fast jeder Kostenkategorie, dass private Bauvorhaben günstiger sind. In Summe macht dies 300 Euro je Quadratmeter BGF aus (BBSR, 2012). Mit anderen Worten: Private Vorhaben schaffen mit demselben Aufwand möglicherweise 20 Prozent mehr Angebot. Vielleicht ist eine angebotsförderliche Politik doch einmal eine Überlegung wert?

Foto: Pixabay

Grafik: Wordliner